Steigende Infektionszahlen im Land - Unternehmen planen Impfangebote

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling spricht von der wohl
ernstesten Phase in der Pandemie. Angesichts einer Inzidenz von fast
200 verschärft die Landeshauptstadt den Lockdown zunächst für eine
Woche. Auch in anderen Kommunen steigen die Zahlen.

Mainz (dpa/lrs) - In großen Teilen von Rheinland-Pfalz dürfen die
Bürger wegen Corona nachts nicht mehr ohne triftige Gründe aus dem
Haus gehen. 24 der 36 kreisfreien Städte und Kreise im Bundesland
überschreiten derzeit eine Corona-Inzidenz von 100. Ist dies drei
Tage in Folge der Fall, sind sie von der geltenden «Notbremse» mit
nächtlichen Ausgangsbeschränkungen betroffen. Auch die geplante
«Bundes-Notbremse» sähe dies vor. Die Tagesthemen im Überblick:

NEUE ZAHLEN: Zwei kreisfreie Städte lagen am Donnerstag über einer
Inzidenz von 200: Ludwigshafen mit 235,7 und Worms mit 232,2, wie das
Landesuntersuchungsamt in Koblenz mitteilte. Den niedrigsten Wert
hatte der sehr dünn besiedelte Eifelkreis Bitburg-Prüm mit 57,5. Die
landesweite Inzidenz stieg geringfügig auf 131,6 Infektionen bezogen
auf 100 000 Einwohner in den zurückliegenden sieben Tagen (Stand
14.10 Uhr). Das ist weiterhin der höchste Stand seit dem 12. Januar.

KIRN: In der Verbandsgemeinde Kirner Land (Kreis Bad Kreuznach) sind
wegen eines drastischen Anstiegs der Corona-Infektionszahlen eine
Kindertagesstätte und zwei Schulen bis auf weiteres geschlossen
worden. Die 7-Tages-Inzidenz lag bei 511, wie Bürgermeister Thomas
Jung (parteilos) und die Corona-Stabstelle des Kreises mitteilten.

KRANKENHÄUSER: Die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz teilte am
Donnerstag mit: «Die Belastungen auf den Intensivstationen nehmen
zu.» Das Gesundheitsministerium in Mainz forderte die Kliniken im
Land auf, nicht zwingend nötige Operationen zu verschieben, um genug
Kapazitäten für Corona-Patienten vorzuhalten. Notfälle seien davon
nicht betroffen. Von den 164 Covid-19-Patienten, die aktuell auf
Intensivstationen in Rheinland-Pfalz behandelt werden, müssen 87
invasiv beatmet werden, wie aus Daten des Intensivregisters der
Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin (Divi) vom Donnerstag hervorgeht (Stand 12.15 Uhr).

BETTEN: Laut Gesundheitsministerium in Mainz liegt Rheinland-Pfalz
mit einem Anteil freier Betten von gut 20 Prozent der Intensivbetten
(Stand Donnerstagmorgen) im Ländervergleich «immer noch in einer
Spitzenposition». Die steigenden Inzidenzen führten indes mit einem
Zeitverzug von knapp zwei Wochen zu mehr Aufnahmen in den Kliniken.
«Zudem gibt es Anzeichen, dass sich die Liegedauer der mittlerweile
im Durchschnitt jüngeren Patienten auf den Intensivstationen bedingt
durch zum Teil schwere Verläufe verlängert», hieß es. Knapp seien
nicht Intensivbetten und Beatmungsgeräte, «sondern das Personal, das
seit Beginn der Pandemie hohen Belastungen ausgesetzt ist».

LANDESHAUPTSTADT: Die Stadt Mainz stoppt wegen der stark steigenden
Infektionszahlen den Präsenzunterricht in den Schulen ab Klasse fünf
von kommenden Montag an. An den Kindertagesstätten werde es dann nur
noch eine Notbetreuung geben, kündigte Oberbürgermeister Michael
Ebling (SPD) an. «Wir halten die Situation für so dramatisch, wie wir
sie bisher in der Pandemie noch nicht hatten.» Buchläden, Bau-,
Gartenbaumärkte und Blumengeschäfte dürfen nur noch für Einzeltermi
ne
öffnen. Bei Friseuren, Fahrschulen und dem außerschulischen
Musikunterricht gilt eine Testpflicht. Die Ausgangssperre von 21.00
bis 5.00 Uhr bleibt bestehen. Die Sieben-Tages-Inzidenz - also
die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner - lag bei 189,7.

IMPFZENTREN: Das BASF-Impfzentrum in Ludwigshafen ist am ersten Tag
nach Angaben des Chemiekonzerns am Mittwoch mit rund 400 Impfungen
gestartet. «Für die nächsten beiden Tage sind jeweils 600
Erstimpfungen eingeplant», sagte eine Sprecherin. Auch weitere
Unternehmen denken über eine Corona-Schutzimpfung für die Belegschaft
nach. Daimler hat unter anderem im Lastwagenwerk Wörth vorsorglich
ein Impfzentrum für Beschäftigte eingerichtet. Beim Pharmakonzern
Boehringer Ingelheim laufen ebenfalls Planungen, den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern ein Impfangebot zu machen. Ähnlich sieht es beim
Mainzer Spezialglashersteller Schott aus. Auch das ZDF wird seinen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach eigenen Angaben ein
Impf-Angebot machen, «sofern die Voraussetzungen gegeben sind».

NOTBREMSE: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat angesichts der
steigenden Corona-Infektionszahlen und der Lage auf den
Intensivstationen an die von den Ministerpräsidenten bereits
beschlossene Notbremse erinnert. «Rheinland-Pfalz handelt, wir warten
nicht auf die Bundes-Notbremse», sagte Dreyer der
Deutschen Presse-Agentur. «Die Infektionszahlen steigen in ganz
Deutschland signifikant an. Nur noch ein Bundesland liegt unterhalb
des kritischen Wertes von 100. Die Alarmrufe aus den
Intensivstationen sind nicht zu überhören», mahnte Dreyer.

LUCA-APP: Die sechs vom Land ausgewählten Modellregionen sowie eine
Reihe anderer Kreise nutzen inzwischen die Luca-App. Im Kreis
Ahrweiler hätten sich bis Mittwochabend 810 Locations angemeldet,
sagte eine Kreissprecherin am Donnerstag in Mainz. 6900 Check-ins
seien zudem gezählt worden. Der Kreis hatte als erster Ende März mit
der digitalen Kontaktnachverfolgung in der Corona-Pandemie über die
App begonnen. «Wir warten immer noch auf die Freischaltung, sagte
dagegen der Leiter der Stabstelle Corona in Bad Kreuznach, Ron
Budschat. Bad Kreuznach ist wie der Kreis Ahrweiler Modellregion.