Massiver Widerstand im Abgeordnetenhaus gegen mögliche Ausgangssperre

Der Bund setzt bei der Corona-Bekämpfung auf einheitliche Regeln -
darunter könnte eine nächtliche Ausgangssperre sein. In Berlin wird
ein solcher Schritt kritisch gesehen.

Berlin (dpa/bb) - Pläne der Bundesregierung für nächtliche
Ausgangssperren zur Eindämmung der dritten Corona-Welle stoßen im
Berliner Abgeordnetenhaus auf breite Ablehnung. Sowohl die
Regierungsfraktionen von Linken und Grünen als auch AfD und FDP
lehnten ein solches Vorgehen im Zuge einer bundeseinheitlichen
Corona-«Notbremse» am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur
ab. Sie bezweifeln auch, ob die Einhaltung einer solchen Regel in
Berlin tatsächlich zu kontrollieren sei.

«Die Erfahrungen mit Ausgangssperren auf nationaler wie
internationaler Ebene zeigen, dass diese kaum zur Eindämmung des
Infektionsgeschehens beitragen», erklärten die Linken-Fraktionschefs
Anne Helm und Carsten Schatz. «Daher ist aus unserer Sicht die damit
verbundene Einschränkung der Grundrechte nicht zielführend und
verhältnismäßig. Schon gar nicht, solange Menschen tagsüber im
Betrieb oder im Büro weiterhin in großer Zahl zusammenkommen dürfen.
»

Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin der Grünen-Fraktion: «Solang
e
Menschen in diesen Zeiten noch im Großraumbüro gemeinsam arbeiten,
ist es nicht verhältnismäßig und auch nicht nachvollziehbar, warum
man nach 21.00 Uhr nicht mal mehr spazieren oder joggen gehen
dürfte.» Zudem gebe es verfassungsrechtlichen Bedenken.

AfD-Fraktionschef Georg Pazderski sieht mögliche Ausgangssperren als
Teil einer schon länger laufenden «Willkürpolitik» in der Pandemie,

die eine Ende haben müsse. «Der bisherige Verlauf der Pandemie hat
gezeigt, dass Verbote, Schließungen und sonstige Einschränkungen
wirkungslos geblieben sind», meinte er. «Um Ausgangssperren in Berlin
durchzusetzen, müssten der Stadt polizeistaatliche Strukturen
übergestülpt werden. So etwas kann niemand ernsthaft wollen.»

Aus Sicht von FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja erklärt eine
Regierung, die allein auf repressive Maßnahmen wie eine
unverhältnismäßige und eher wirkungslose Ausgangssperre setze, die
eigene Kapitulation im Kampf gegen das Virus. «Man wird das Gefühl
nicht los, dass die Maßnahmen vor allem gegen die eigenen Bürgerinnen
und Bürger gerichtet sind, als gegen das Corona-Virus.»

Auf Druck von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sollen durch Änderungen
des Infektionsschutzgesetzes auf Bundesebene einheitliche Regelungen
für eine «Notbremse» angesichts steigender Corona-Zahlen beschlossen

werden. In dem Formulierungsvorschlag des Bundes werden mehrere
Maßnahmen für Landkreise vorgeschlagen, in denen binnen einer Woche
eine Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner oder mehr
registriert wird. Darunter sind nächtliche Ausgangsbeschränkungen von
21.00 bis 5.00 Uhr, mit nur wenigen Ausnahmen, etwa medizinische
Notfälle oder Wege zur Arbeit, nicht aber Abendspaziergänge.

Der rot-rot-grüne Berliner Senat hat bisher auf derartige Schritte
verzichtet und setzt stattdessen auf strengere Kontaktbeschränkungen.
Seit 2. April dürfen sich Menschen im Freien nachts zwischen 21.00
und 05.00 Uhr nur noch alleine oder zweit aufhalten. Tagsüber sind
Zusammenkünfte im Freien nur mit maximal fünf Personen aus zwei
Haushalten erlaubt. Kinder bis 14 Jahren werden nicht mitgezählt.

Drinnen dürfen sich seit 6. April tagsüber nur noch Angehörige eines

Haushalts oder Lebenspartner plus eine weitere Person zusammen
aufhalten. Kinder bis 14 Jahren werden dabei ebenfalls nicht
mitgezählt. Nachts sind zwischen 21.00 Uhr und 05.00 Uhr keine
Besuche mehr erlaubt. Die Angehörigen eines Haushalts oder
Lebenspartner müssen unter sich bleiben.