Betreiberin: Prostituiertenschutz durch Corona-Maßnahmen ausgehebelt Von Eva Krafczyk und Andreas Arnold , dpa

Die Bordelle sind geschlossen, Straßenprostitution floriert dennoch.
Die Situation der Sexarbeiterinnen habe sich jedoch verschlechtert,
sagt eine Bordellbetreiberin. Die Corona-Maßnahmen hätten
Schutzregeln ausgehebelt.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Im Treppenhaus des «Sex Inn» im
Frankfurter Bahnhofsviertel ist auf den oberen Etagen noch das
schummrige Rotlicht in Betrieb. «Girls» weist ein Schild in Richtung
der leeren Zimmer des seit mehr als einem Jahr geschlossenen
Laufhauses. In ihrem Büro blickt Betreiberin Nadine Maletzki von
ihrem Schreibtisch auf den Bildschirm mit den Bildern der
Überwachungskameras: Gähnende Leere auf den Fluren und vor den
Zimmertüren.

«Seit dem 18. März 2020 sind die Häuser leer», sagt Maletzki, die i
m
vergangenen Jahr mit einem Eilantrag beim Hessischen
Verwaltungsgerichtshof scheiterte. Derzeit wohnten zwei Frauen in
ihren einstigen Arbeitszimmern, mietfrei. «Das ist mit dem
Ordnungsamt abgeklärt.»

Prostitution findet trotzdem statt, überall in den umliegenden
Straßen stehen Frauen, verschwinden mit Freiern in Hotels, obwohl die
Straßen des Viertels Sperrgebietszone sind. «Verschiedene Hotels im
Bahnhofsviertel sind voll mit Sexarbeiterinnen - das ist illegale
Prostitution», sagt Maletzki. «Mittlerweile hat sich die
Straßenstrichszene in Reviere aufgeteilt - an der einen Ecke stehen
die Bulgarinnen, an der anderen die Rumäninnen.»

Doch nicht nur das: Es gebe immer mehr Zuhälter. «Da stehen die
Frauen auf der einen Seite und die Zuhälter auf der anderen und haben
alles im Auge und filmen mit Handys. Ist das wirklich das, was die
Stadt Frankfurt und das Land Hessen wollen?», fragt Maletzki. Sie
steht mit einigen ihrer früheren Mieterinnen in Kontakt und hört auch
sonst viel von dem, was sich in der Szene tut.

«Das Prostituiertenschutzgesetz wurde in vielen Bereichen durch die
Corona-Maßnahmen ausgehebelt», sagt sie und die Frustration über die

derzeitigen Verhältnisse ist unüberhörbar. Denn in den Bordellen und

Terminwohnungen gebe es ein Notrufsystem, in den Hotelzimmern dagegen
nicht. «Die Frauen habe keine Möglichkeit, einen Knopf zu drücken
oder ein Telefon abzuheben, damit ihnen nach ein paar Sekunden jemand
hilft. Auch der Kunde selber ist nicht sicher, etwa vor Diebstahl.»

Argumente gegen die Öffnung der Häuser mit Verweis auf den engen
persönlichen Kontakt kann Maletzki nicht nachvollziehen. «Als damals
HIV kam, als sexuell übertragbare Krankheit, hat keiner davon
gesprochen, die Bordelle dicht zu machen. Und Corona ist keine
sexuell übertragbare Krankheit.» Was sie besonders ärgert: «In eine
m
Bordell wie meinem sind deutlich weniger Leute gleichzeitig unterwegs
als in jedem Supermarkt.» Sie habe auch kein Problem, eine
Einlasskontrolle vorzunehmen. Und überhaupt: «Die Prostitution findet
ja statt - nur nicht dort, wo sie legal und sicher stattfinden
könnte.» Stattdessen drifte alles unkontrolliert in die Illegalität
ab.

Nicht nur, dass Frauen, die früher selbstständig arbeiteten, sich nun
auf einen Zuhälter angewiesen fühlten, auch Übergriffe seien ein
deutlich höheres Risiko geworden. Erst vor wenigen Tagen sei ihr aus
dem persönlichen Umfeld von einer versuchten Entführung einer auf der
Straße arbeitenden Frau berichtet worden. Zum Glück für die Frau war

der Täter ortsfremd und fuhr in eine Sackgasse, sagt Maletzki.

Sie bestätigt auch Berichte von Beratungsgruppen, dass offenbar mehr
Frauen bereit sind, auf die in den Häusern geltende Kondompflicht zu
verzichten. «Wir haben da Frauen, die für wenig Geld viel machen, die
kaufen sich eher nicht Desinfektionsmittel, Masken oder Kondome.»
Zudem würden bei den Kunden eher Abstriche gemacht, auch wenn ein
Freier aufs Kondom verzichten will. «Im Laufhaus kann sie den
wegschicken, denn der nächste kommt ja gleich.»

Hoffnung, dass sich die Situation im Rotlichtmilieu trotz der immer
prekäreren Lage vieler Prostituierter schnell ändern werde, hat
Maletzki wenig - auch wenn sie den Behörden bereits angeboten hatte,
sich und ihre Mitarbeiter im Fall einer Öffnung im Umgang mit
Schnelltests schulen zu lassen und ein Testzimmer bereitzustellen.
Sie wäre bereit, die Mieterinnen täglich zu testen, ehe sie auf ihre
Zimmer gehen könnten. «Mittlerweile bin ich sehr skeptisch und
glaube, die machen dieses Jahr nicht auf. Alles andere würde mich
sehr freuen.»