Stuttgart verbietet nächste «Querdenker»-Demos

Die Bilder fanden viele verstörend: Tausende Menschen dicht an dicht,
ohne Maske - mitten in der Corona-Pandemie. Eine «Querdenker»-Demo am
Karsamstag hat eine Debatte über Verbote solcher Veranstaltungen
ausgelöst. Die nächsten sind schon geplant - und die Stadt reagiert.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Stadt Stuttgart will offenkundig Szenen wie
am Karsamstag verhindern, als bei einer großen Demonstration der
«Querdenker»-Bewegung zig Teilnehmer ohne Mund-Nasen-Schutz und
Abstand unterwegs waren. Zwei von sogenannten Querdenkern für den 17.
April angemeldete Demos würden untersagt, teilte die Stadt am
Donnerstagabend mit. Nach den Bildern vom Wochenende war eine Debatte
entfacht, ob solche Veranstaltungen verboten werden können.

Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) begründete die Entscheidung, die
anstehenden Demos nicht zu genehmigen, damit, «dass sich die Anmelder
bei Versammlungen in der Vergangenheit als unzuverlässig im Sinne des
Versammlungsrechts erwiesen hätten und deswegen keine Gewähr dafür
gegeben sei, dass Versammlungsauflagen eingehalten werden». Mehr als
zwei Sätze enthielt die Pressemitteilung nicht.

In der baden-württembergischen Landeshauptstadt hatten sich am
Karsamstag rund 15 000 Menschen größtenteils ohne Masken und
Mindestabstand versammelt und die Stadt in große Erklärungsnot
gebracht. Es waren mehr als 1000 Polizisten im Einsatz. Sie schritten
wegen der Verstöße gegen die Corona-Regeln aber kaum ein. Ein
Sprecher argumentierte, sonst wäre das Gedränge noch größer gewesen
.

Die Stadt hatte die Erlaubnis für die Demonstration verteidigt und
auf das Versammlungsrecht verwiesen, das trotz Corona gelte. Das
Landessozialministerium hatte hingegen schon vorab auf ein Verbot
gedrungen. Aus Sicht der Behörde und von Rechtsexperten hätte die
Veranstaltung in der Pandemie untersagt werden können. Beobachter
zeigten angesichts der Bilder vom Cannstatter Wasen Unverständnis und
fragten, wie man so etwa Kindern das Einhalten der strengen
Kontaktbeschränkungen zum Infektionsschutz begreiflich machen solle.

Die Demo, zu der Teilnehmer auch aus anderen Bundesländern gekommen
waren, hatten Vertreter der «Querdenken»-Bewegung angemeldet. Diese
bedankte sich nach tagelangem Schweigen ebenfalls am Donnerstagabend
bei «der Polizei und allen Beamten, die sich an ihren Eid auf das
Grundgesetz gehalten haben und diese Demonstration ermöglichten».
Diese sei «konstruktiv und kooperativ» verlaufen. Die «Querdenker»

kritisieren die Politik zum Eindämmen der Corona-Pandemie und
bewerten die Maßnahmen als Einschränkung der Grundrechte.

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet
diese Gruppierung. Die Behörde ordnet mehrere Akteure dem Milieu der
«Reichsbürger» und «Selbstverwalter» zu, die unter anderem
demokratische und rechtsstaatliche Strukturen negieren. Die
«Querdenken»-Bewegung weist diese Vorwürfe zurück.

Die Demos für den 17. April hatten nach Angaben der Stadt eine
Initiative mit dem Namen «Es reicht uns» und die Gruppe «Querdenken
7171» für rund 1500 beziehungsweise 300 Teilnehmer angemeldet.

Die Veranstalter namens «Es reicht uns» hatten zuletzt am 13. März in

Stuttgart demonstriert. Damals hatte die Polizei die Teilnehmer
aufgefordert, die Auflagen einzuhalten. Daraufhin löste der Anmelder
die Veranstaltung auf, wie die «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter

Nachrichten» berichteten. Er habe das mit schlechtem Wetter erklärt.

Weder von «Es reicht uns» noch von den «Querdenkern» gab es am
Donnerstagabend zunächst eine Stellungnahme zu dem Verbot. Die Gruppe
«Querdenken711» - quasi der in Stuttgart gegründete Ursprung der
Bewegung - erklärte in ihrer Mitteilung mit dem Dank: «Wir vertrauen
darauf, dass auch zukünftig unsere friedlichen Versammlungen nicht
politisch schikaniert oder unangemessen eingeschränkt werden.»