Gutachter schlagen weitere Reduzierung von Geburtenstationen vor

Weniger Geburtenstationen, aber nicht weniger Krankenhäuser - das
sind zentrale Vorschläge eines Gutachtens, das Gesundheitsexperten im
Auftrag des Schweriner Landtages erarbeitet haben. Sie erwarten in
den nächsten zudem einen steigenden Bedarf an Pflegeplätzen.

Schwerin (dpa/mv) - Weniger Babys, weniger Entbindungsstationen: Der
wirtschaftliche Druck auf die stationäre Geburtshilfe wird nach
Einschätzung von Experten in Mecklenburg-Vorpommern weiter zunehmen.
In einem Gutachten für den Landtag schreibt das Institute for Health
Care Business GmbH (Essen, Nordrhein-Westfalen), dass viele der
Entbindungsstationen in MV bereits heute kritische Größen aufwiesen.

«Unter Inkaufnahme weiterer Strecken» sollte deshalb weiter
zentralisiert werden, meinen die Experten. Geburtsvorbereitende
Angebote sollten demnach wohnortnah zur Verfügung stehen, die
eigentliche Geburt aber in einem größeren Zentrum stattfinden. Das
Gutachten wurde am Donnerstag der Enquetekommission des Landtages
«Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern»
vorgestellt. Zunächst hatte der NDR darüber berichtet.

Die Schließung von Geburtsstationen löst häufig emotional geführte

Debatten aus, zuletzt in Wolgast (Vorpommern-Greifswald) und Crivitz
(Ludwigslust-Parchim). Um kleine Geburts- und Kinderstationen im
Interesse der Erreichbarkeit zu erhalten, hat die Landesregierung im
vergangenen Jahr eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel gestartet,
sie finanziell besserzustellen.

Auch der Linken-Parlamentarier Torsten Koplin ist gegen einen
weiteren Abbau der Geburtenstationen im Land. «Gab es zu Beginn der
90-er Jahre noch 30 ihrer Art, so sind es derzeit 15» sagte er. Unter
Gesundheitsökonomen gebe es bereits Überlegungen, deren Zahl auf
gerade einmal acht zu reduzieren. Koplin warnte davor, den Bestand
der Geburtenstationen allein an ökonomische Faktoren zu koppeln.

Im Gegensatz zu den Entbindungsstationen sieht das Gutachten bei der
Zahl der Krankenhaus-Standorte kaum noch Spielraum nach unten, obwohl
60 Prozent der Kliniken im Land bereits sogenannte
Sicherstellungszuschläge bekommen, weil sie sonst finanziell nicht
über die Runden kämen. Bundesweit treffe dies nur auf 6 Prozent der
Kliniken zu. Mecklenburg-Vorpommern habe, bezogen auf die Fläche, die
wenigsten Krankenhausstandorte im bundesweiten Vergleich. Es gibt
aktuell 40 Kliniken für die Akutversorgung und bereits jetzt können
dem Gutachten zufolge 16 Prozent der Bevölkerung kein Krankenhaus
innerhalb von 30 Minuten Autofahrt erreichen.

Allerdings werde die Medizin immer spezialisierter, so dass es
künftig kaum noch möglich sein werde, das gesamte Spektrum
flächendeckend anzubieten, geben die Gutachter zu bedenken. Zudem sei
die Bereitschaft von Fachkräften eingeschränkt, sich weitab von
größeren Zentren zu engagieren. «Insofern dürften es die personelle
n
und medizinischen Veränderungen sein, die den Druck zu weiterer
Zentralisierung erhöhen.» Die Experten empfehlen, Klinik-
Zusammenschlüsse anzustreben oder trägerübergreifende Kooperationen
zu suchen.

Kleine Krankenhäuser sollten ihnen zufolge zu sogenannten
Integriertern Gesundheitszentren ausgebaut werden, die auch
Kurzzeitpflege für Ältere nach einem Klinikaufenthalt anbieten. Dafür

werde es künftig einen höheren Bedarf geben. Sollte es in der
Hausarztversorgung eng werden, sei das Modell «Apotheke plus» denkbar
- eine Apotheke mit einem zusätzlichen Untersuchungsraum. Über
Telemedizin könne zudem der Austausch mit einem Arzt im
Gesundheitszentrum laufen.

Der Obmann der CDU-Fraktion in der Enquetekommission, Sebastian
Ehlers, sieht sich mit der Einschätzung der Gutachter zu den
Krankenhausstandorten in MV bestätigt. Es dürfe keine weitere
Zentralisierung von Leistungen bei wenigen «Superkrankenhäusern» in
den großen Städten mehr geben, forderte er. «Über viele Jahre wurde
n
Kompromisse für die Optimierung der Krankenhausversorgung zu häufig
zu Ungunsten kleinerer Häuser erzielt.» Damit müsse Schluss sein.