Schlagabtausch zur Corona-Politik in der Bürgerschaft

Seit knapp einer Woche dürfen die Hamburger nachts nur noch mit
triftigem Grund auf die Straße. Die Ausgangsbeschränkung ist Teil der
jüngsten Corona-Eindämmungsverordnung des rot-grünen Senats, die in
der Bürgerschaft für Streit sorgt.

Hamburg (dpa/lno) - Sechs Tage nach Inkrafttreten der nächtlichen
Ausgangsbeschränkung in Hamburg haben sich Regierung und Opposition
in der Bürgerschaft einen Schlagabtausch zur Corona-Politik
geliefert. Während Linke, AfD und FDP die Maßnahme des rot-grünen
Senats aus unterschiedlichen Gründen strikt ablehnten, nutzten SPD
und CDU am Donnerstag die Debatte, um sich gegenseitig vorzuwerfen,
das Thema Corona für bundespolitische Profilierungen zu missbrauchen.
Unterdessen forderten die Grünen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
auf, für bundeseinheitliche Corona-Regeln zu sorgen.

«Wenn es die Länderchefs nicht schaffen, sich auf wirksame
Corona-Maßnahmen zu verständigen, muss der Bund jetzt handeln», sagte

der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dominik Lorenzen. «Deshalb mein
dringender Appell an die Bundeskanzlerin: Greifen sie durch und
schaffen sie die Grundlage dafür.» Er sei ein Verfechter des
Föderalismus. «Aber in dieser Situation bremst er uns angesichts der
Kakophonie der Länder und angesichts des Wahlkampfgetöses aus.»

Auch in der Bürgerschaft nutzten SPD und CDU die Debatte für
gegenseitige Vorwürfe. Seitens der Union seien es
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet und
der CSU-Vorsitzende, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, die um
die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl rängen, sagte
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. «Es geht hier um die Pandemie und
es geht nicht um die Kanzlerschaft, um die Kanzlerkandidatur.»

CDU-Fraktionschef Dennis Thering hielt seinerseits den
Sozialdemokraten vor, die Union als Regierungspartner im Bund zu
attackieren, um ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz aus dem
Umfragetief zu bringen. «Dieser Virus ist nicht geeignet, vorzeitig
in den Bundestagswahlkampf einzuziehen», sagte er. Den Senat forderte
er auf, die Strukturen auf die bald erhoffte größere Verfügbarkeit
des Impfstoffs vorzubereiten. «Im Moment sind wir das noch nicht.»

Linksfraktionschefin Sabine Boeddingshaus kritisierte, dass auch die
inzwischen 38. Eindämmungsverordnung des rot-grünen Senats noch immer
eine klare Strategie vermissen lasse und «wirklich wirksame
Eindämmungsinstrumente nach wie vor vermieden werden». Sie forderte
«die Arbeitswege drastisch zu reduzieren und endlich die Wirtschaft
in die Verantwortung zu nehmen.» Die Ausgangsbeschränkung stelle
einen drastischen und unverhältnismäßigen Eingriff dar, «den wir
strikt ablehnen».

Mit der neuen Verordnung «erleben wir in Hamburg den brutalsten
Grundrechtseingriff, den es in dieser Stadt überhaupt
gegeben hat», sagte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. Statt sich an
«dem Inzidenz-Irrsin» zu orientieren und die Menschen «einzusperren
»,
sollte der Senat auf die Freiwilligkeit der Bevölkerung setzen.

Die Bürger dürfe man nicht wegen eines «Regierungsversagens» leiden

lassen, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein.
Angesichts der Ausgangsbeschränkung sei den Menschen klar, «das dem
Staat nichts besseres einfällt, um sie schütze zu können». Es sei
gut, «dass sich die Hamburgerinnen und Hamburger an die
Einschränkungen halten. Aber glauben sie bloß nicht, dass sie Ihnen
zustimmen», sagte sie.