Stiko bleibt vorerst bei ihrer Astrazeneca-Empfehlung

Berlin (dpa) - Die Entscheidung der EU-Arzneimittelbehörde EMA zur
uneingeschränkten Anwendung des Corona-Impfstoffes von Astrazeneca
hat voraussichtlich keine unmittelbare Auswirkung auf das bisherige
Votum der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland. Was die
EMA gemacht habe, könne man mit Sicherheit rechtfertigen, sagte
Stiko-Mitglied und Infektionsimmunologe Christian Bogdan am Mittwoch
bei einer Online-Diskussion des Science Media Centers. «Aber das, was
die Stiko gemacht hat, kann man sicherlich genauso rechtfertigen.»

Die Stiko hatte den Astrazeneca-Impfstoff zuletzt erst ab 60 Jahren
empfohlen - und dabei auch Erfahrungen aus Großbritannien mit
einbezogen, das schon einige Monate länger ältere Menschen mit diesem
Vakzin impft. Die EMA-Entscheidung werde aber sicher ein Thema in
einer der nächsten Stiko-Sitzungen werden, ergänzte Bogdan.
«Vielleicht gibt es dann ja auch einen Begründungstext. Da werden wir
uns nicht primär an einer Pressemitteilung orientieren.»

Auch die Entscheidung der britischen Arzneimittelbehörde MHRA vom
Mittwoch, das Astrazeneca-Vakzin nur noch an Erwachsene über 30 zu
geben, habe keinen unmittelbaren Einfluss auf die Empfehlungen für
Deutschland.

Grund für die Stiko-Einschränkung vor rund einer Woche war unter
anderem das Auftreten von Hirnvenenthrombosen bei 1 bis 2 unter
100 000 geimpften jüngeren Frauen in Deutschland. Es gab auch wenige
Fälle bei Männern in Deutschland - allerdings wurden bisher
bundesweit 2,5 Mal mehr Frauen das erste Mal mit Astrazeneca geimpft.

«Es muss etwas sehr Seltenes sein», sagte Bodgan zu der schweren
Nebenwirkung. «Wir müssen hier einen Mechanismus haben, wo es eine
gewisse quasi Prädisposition geben muss.» Denn wenn die Thrombosen
durch das Transportmittel, durch das der Impfstoff in die Zellen
geschleust wird, bedingt wären, «dann müsste das sehr viel häufiger

auftreten».

Es gebe auch keinen ihm bekannten Hinweis, dass es eine
Geschlechterpräferenz bei dem Mechanismus gebe, ergänzte er. Auch
mehrere Mechanismen bei unterschiedlichen Patienten seien möglich.

Trotz sehr seltener Fälle von Hirnthrombosen hat die
EU-Arzneimittelbehörde uneingeschränkt die Anwendung des
Corona-Impfstoffes von Astrazeneca empfohlen. Der Nutzen des
Wirkstoffes sei höher zu bewerten als die Risiken, hieß es zur
Begründung. Bei Gremienentscheidungen gehe es immer auch um das
Empfinden der einzelnen Gremienmitglieder und um Fragen der
nationalen Betroffenheit, sagte Bogdan.