Ruf nach kurzem und konsequenten Lockdown wird lauter

Die dritte Corona-Welle brechen - das wollen alle Politiker. Wie sich
das erreichen lässt - darüber gehen die Ansichten auseinander. Die
Variante eines harten, bundesweiten Blitz-Lockdowns gewinnt Anhänger.
Doch dazu müssten alle Länder mitmachen.

Berlin (dpa) - Der Ruf nach einem kurzen, konsequenten und bundesweit
einheitlichen Lockdown zum Brechen der dritten Corona-Welle wird
lauter. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortet einen solchen
Schritt, wie Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in
Berlin deutlich machte. Ein Vorziehen der für den kommenden Montag
geplanten nächsten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) wird jedoch
immer unwahrscheinlicher. «Für eine vorgezogene MPK gibt es erkennbar
keine Mehrheit», sagte Demmer. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder ging nach einer Sitzung seines Kabinetts davon aus, dass die
Bund-Länder-Runde nicht vorgezogen wird.

Auf die Frage, wie die Kanzlerin den Vorstoß des CDU-Vorsitzenden und
NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet für einen Brücken-Lockdown
findet, antwortete die stellvertretende Regierungssprecherin, es gebe
im Moment bei den Corona-Neuinfektionen keine gute Datenbasis. Die
Zahl der belegten Intensivbetten spreche aber eine sehr deutliche
Sprache. «Deswegen ist auch jede Forderung nach einem kurzen
einheitlichen Lockdown richtig.»

FDP-Chef Christian Lindner reagierte darauf mit scharfer Kritik:
«Wieder soll auch nach der Bundeskanzlerin nur ein pauschaler
Lockdown die Antwort auf die Pandemie sein. Das CDU-geführte
Kanzleramt hat keine innovativere Alternative entwickelt», sagte
Lindner in Berlin und warnte: «Die sozialen Folgen sind immens. Die
Grundrechtseingriffe sind immer weniger verhältnismäßig.»

Söder sagte in München, derzeit sehe es leider nicht nach der
Einheitlichkeit aus, die für den härteren Kurs in der Pandemie
notwendig sei. «Ich halte die Idee für sinnvoll», betonte der
CSU-Chef, aber im Moment gebe es dafür von den SPD-Ländern keine und
auch unter den CDU-Ländern keine «große Unterstützung». Ein
«genereller Lockdown» könne aber nur einheitlich von Bund und Lände
rn
beschlossen werden, ansonsten drohe ein erneuter Flickenteppich.

Über Ostern hatten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut
(RKI) weniger Corona-Neuinfektionen gemeldet als in den Wochen zuvor.
Allerdings geht das RKI davon aus, dass an den Feiertagen weniger
Menschen zum Arzt gehen, Praxen teils geschlossen sind und die
Gesundheitsämter Daten unter Umständen verspätet melden. Am Mittwoch

meldete das RKI 9677 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Zudem
wurden innerhalb von 24 Stunden 298 neue Todesfälle verzeichnet. Laut
RKI wird derzeit aufgrund von Urlauben und geschlossenen Praxen
möglicherweise etwas weniger getestet als vor den Ferien.

Laschet verteidigte seinen Vorschlag für einen Brücken-Lockdown und
forderte Kritiker wie Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die
SPD-Ministerpräsidenten auf, ihre eigenen Ideen zur Bekämpfung der
Corona-Pandemie vorzulegen. Der CDU-Vorsitzende forderte innovative
Ideen wie temporäre Drive-In-Zentren zur Beschleunigung der
Impfungen. Bis das Impfen mehr Fahrt aufnehme, gelte es, «in den
letzten Wochen der Pandemie» so viele Leben wie möglich zu schützen.

«Alle sollten sich jetzt noch einmal schnell, hart und klar
zusammenraufen», sagte Laschet.

Am Mittwoch wollte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit seinen
Länderkollegen auch über die Zweitimpfungen für junge Leute beraten,

die mit dem Wirkstoff von Astrazeneca geimpft wurden. Die Ständige
Impfkommission (Stiko) hatte empfohlen, Menschen unter 60 Jahre
sollten bei der zweiten Impfung einen anderen Wirkstoff bekommen. Die
EU-Arzneimittelbehörde EMA empfahl hingegen am Mittwoch trotz sehr
seltener Fälle von Hirnthrombosen uneingeschränkt die Anwendung
dieses Impfstoffes. Dessen Nutzen sei höher zu bewerten als die
Risiken, erklärte die EMA in Amsterdam. Die britische Impfkommission
änderte dagegen ihre Empfehlung: Das Präparat soll künftig möglichs
t
nur noch über 30-Jährigen verabreicht werden.

Unklarheit herrscht kurz vor dem Ende der Osterferien vielerorts auch
in den Schulen. Für einen Präsenzunterricht müssten strenge Vorgaben

gelten, forderte der Deutsche Lehrerverband. Kommunen,
Gesundheitsämter und Schulträger sollten am besten selbst
entscheiden, ob sie den Fernunterricht beenden oder nicht.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet hatte an Ostern
flächendeckende Tests für Schüler an allen Schulen und notfalls eine

Testpflicht gefordert. Allerdings wurde am Mittwoch bekannt, dass
sich die Auslieferung der Corona-Selbsttests an die Schulen in
NRW verzögert.

Die Kultusminister der Länder wollen an diesem Donnerstag über das
weitere Vorgehen beraten. In 9 der 16 Bundesländer gehen am Sonntag
die Osterferien zu Ende. In einigen Ländern ist schon wieder
Unterricht, Hamburg hatte keine Osterferien, und in Hessen und
Schleswig-Holstein dauern sie noch bis Ende kommender Woche.

Kinder- und Jugendärzte plädieren dafür, Schulen und Kindergärten s
o
lange wie möglich offen zu halten. «Schulschließungen sollten
wirklich die letzte Option sein», sagte die Vizepräsidentin der
Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Ingeborg
Krägeloh-Mann, der Deutschen Presse-Agentur.