Nach Impf-Affäre: Sondersitzung des Stadtrates von Halle

Die Impf-Affäre von Halle sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Der
Oberbürgermeister, Mitglieder des Stadtrats und des
Katastrophenschutzstabes wurden geimpft - obwohl sie noch nicht an
der Reihe waren. Muss der OB jetzt seinen Hut nehmen?

Halle (dpa/sa) - Der Stadtrat von Halle kommt am Mittwoch (16.30 Uhr)
zu einer Sondersitzung zusammen. Dabei geht es im Kern um eine
zeitweise Suspendierung des Oberbürgermeisters Bernd Wiegand
(parteilos). Grund ist seine vorzeitige Impfung gegen das
Coronavirus. Der Stadtrat ist der Dienstherr des Oberbürgermeisters.
Eine Mehrheit der Fraktionen hatte sich im Vorfeld der ursprünglich
für den 15. März anberaumten Stadtratssitzung dafür ausgesprochen,
Wiegand die Ausübung seiner Dienstgeschäfte zeitweise zu untersagen.
Er habe wegen seiner Impfung die Öffentlichkeit und den Stadtrat
belogen, hieß es zur Begründung.

Die sogenannte Impf-Affäre von Halle sorgte bundesweit für
Schlagzeilen. Der Stadtrat will nun hinter verschlossenen Türen über
die Suspendierung Wiegands beraten. Es sei eine Personalangelegenheit
und daher werde diese im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung beraten.

Der Oberbürgermeister begründete seine Impfung vom 17. Januar damit,
dass der Impfstoff an jenem Tag übrig gewesen sei. Niemand anderes
habe für die Impfung spontan zur Verfügung gestanden. Der Impfstoff
wäre laut OB wegen der begrenzten Haltbarkeit ansonsten im Müll
gelandet. Der Oberbürgermeister hatte seine Impfung erst Wochen
später öffentlich gemacht. Nach der von Bund und Land festgelegten
Prioritätenliste der Dringlichkeit der Impfberechtigten wäre er noch
nicht an der Reihe gewesen.

Wie sich herausstellte, wurden auch mehrerer Stadträte und Mitglieder
des Katastrophenstabes in Halle vorzeitig geimpft. Zudem gab es
Ungereimtheiten über den zeitlichen Ablauf der Impfung von Wiegand.
Das Landesverwaltungsamt hatte im Februar wegen der Impf-Affäre ein
Disziplinarverfahren gegen den OB eingeleitet. Ihm wird vorgeworfen
mit seiner vorzeitigen Impfung beamtenrechtliche Pflichten verletzt
zu haben. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Wiegand wegen
veruntreuender Unterschlagung von Impfdosen. Der 64-Jährige weist die
Vorwürfe zurück. Ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu
dem Schluss, dass er nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen habe.

Der Katastrophenstab der Stadt hatte das Vorgehen um die Impfungen
angesichts der angespannten Corona-Lage in der rund 240 000 Einwohner
zählenden Stadt verteidigt. Einige Stadträte entschuldigten sich
öffentlich für ihre vorgezogene Impfung - denn Anspruch auf eine
Impfung gegen das hoch ansteckende Virus hatten zu dem Zeitpunkt vor
allem Menschen in sehr hohem Lebensalter.

Unterdessen ist die Stadt im Land die Kommune, in der die meisten
Menschen laut Sozialministerium bisher gegen das Coronavirus geimpft
worden sind - mit rund 39 560 Erstimpfungen und 15 744
Zweitimpfungen. Dennoch hat Halle eine Sieben-Tage-Inzidenz von
199,78 (Stand: 6. April 14.25 Uhr) und gehört damit zu den deutschen
Hot-Spots. Wiegand gilt als Oberbürgermeister in zweiter Amtszeit und
vorheriger Dezernent als erfahrener Krisenmanager, sein Verhältnis
zum Stadtrat, dem 56 Mitglieder angehören, als angespannt.

Um Wiegand zeitweise vom Dienst zu entfernen, würde eine einfache
Mehrheit bei der Abstimmung in der Sondersitzung genügen. Wie das
Ergebnis den Menschen mitgeteilt wird, ob der OB vorübergehend seinen
Hut nehmen muss oder nicht, und wie er jeweils darauf reagieren wird,
ist noch offen.