Zweites Quartal - zweite Chance fürs schnelle Impfen? Von Sascha Meyer und Yuriko Wahl-Immel, dpa

Die Impfkampagne sorgte bei vielen bisher vor allem für Kopfschütteln
und Ärger. Nun startet die nächste Phase - und die Lieferungen ziehen
an. Kriegt Deutschland im Frühling doch die Kurve?

Berlin/Rheinbach (dpa) - Heribert Heimer strahlt. «Wunderbar, ich bin
erleichtert», sagt der 62-Jährige nach dem Pieks. Der chronisch
kranke Patient ist einer der ersten, der am Dienstag zum Start der
neuen Phase der Impfkampagne in einer Hausarztpraxis eine
Corona-Schutzimpfung erhält. Nach drei Monaten mit Frust und
Dauerstreit über schleppende Impfungen ruhen nun einige Hoffnungen
auf dem neuen Quartal.

Heimer bekam die Impfung von einem Allgemeinmediziner in Rheinbach
bei Bonn. «Ich bin sehr froh, dass ich nicht in ein Impfzentrum
musste, denn mein Arzt kennt ja meine Krankengeschichte schon seit 20
Jahren», sagt er. So wie ihm wird es in den kommenden Wochen
Millionen Menschen gehen - gleichzeitig bleiben die Impfzentren in
Betrieb. Insgesamt werde sich die Lage in Deutschland im zweiten
Quartal klar verbessern, versicherte die Bundesregierung immer wieder
und bat die Bürger um Geduld.

Klappt es jetzt im April, Mai und Juni, beim entscheidenden Schutz
gegen das Virus immer schneller voranzukommen? An knappen Impfdosen
soll es nicht mehr scheitern - angekündigt sind deutlich größere
Millionen-Lieferungen. Und die Erwartungen sind hoch, dass es in den
Impfzentren und mit Tausenden erfahrenen Arztpraxen auch
organisatorisch runder läuft.

«Für das zweite Quartal brauchen wir eine Wende im Management der
Impfkampagne», sagte Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Bisher
sei es zu langsam, zu unflexibel und zu einseitig auf die Impfzentren
fokussiert gewesen - trotz allgemeinen Impfstoffmangels blieben so
Millionen Dosen unverimpft. Statt nur die Einbindung der Hausärzte zu
organisieren, seien schon jetzt auch Fach- und Betriebsärzte mit
einzuplanen. Jeder Kontakt einer Patientin oder eines Patienten zum
Gesundheitswesen, egal ob zur Vorsorgeuntersuchung oder wegen eines
akuten medizinischen Problems, sollte immer auch zu einem parallelen
Impfangebot führen. Und: «Die Impfungen müssen jeden Tag und rund um

die Uhr laufen, damit wir die hohe Menge schnell verimpfen können.»

Tatsächlich sollen die Lieferungen jetzt kräftig auf Touren kommen.
Allein im April werden mehr als 15 Millionen Dosen erwartet. Es soll
sogar etwas mehr sein, als im gesamten ersten Quartal gespritzt
wurden, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erläuterte. Im
zweiten Quartal sollen insgesamt 70 Millionen Dosen anrollen. Dabei
kommt neben den Präparaten von Biontech/Pfizer, Moderna und
Astrazeneca ab Mitte April noch ein vierter zugelassener Impfstoff
dazu: das Mittel von Johnson & Johnson, bei dem nur eine einzige
Spritze reicht. Der Bund als Impfstoffbeschaffer weist aber generell
darauf hin, dass Liefertermine auch künftig wackeln könnten.

Auch wenn sich nun viele Blicke auf die Arztpraxen richten, stehen
die rund 430 regionalen Impfzentren der Länder aber zunächst noch im
Vordergrund. Sie sollen weiterhin vorrangig beliefert werden. Und
zwar mit reservierten 2,25 Millionen Dosen pro Woche im April, wie
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten bei einem
«Impfgipfel» am 19. März beschlossen. Hausärzte und auch der Bund
hätten sich mehr Impfstoff für die Praxen gewünscht. «Jetzt müsse
n
die Länder aber auch liefern», verlangte die Kassenärztliche
Bundesvereinigung (KBV). Nach teils vertrackten Terminbuchungen rief
Spahn auch zu «kreativen Lösungen» auf. Etwa mit Stand-by-Listen, um

übrig gebliebenen Impfstoff an Wochenenden spritzen zu können.

Mancherorts haben Praxen auch schon Impfungen etwa von Krebspatienten
übernommen. Jetzt gehen aber 35 000 Hausärzte regulär an den Start,
um schrittweise stärker mitzuimpfen. In den ersten drei April-Wochen
sollen sie laut Bund-Länder-Plan je rund eine Million Dosen erhalten.
Das wären zunächst rechnerisch zunächst nur gut 26 Dosen oder eine
Impfsprechstunde pro Woche. Ein Schub soll dann aber in der Woche vom
26. April mit mehr als drei Millionen Dosen kommen. Das wäre erstmals
mehr als für die Impfzentren. Für viele chronisch Kranke dürfte es
praktisch sein, sich gleich bei ihrem Arzt impfen zu lassen - statt
dort ein sonst nötiges Attest für einen Impfzentrum-Termin zu holen.

Auch für die Praxen gilt generell die wegen des knappen Impfstoffs
festgelegte Reihenfolge, wer zuerst geimpft werden kann. Doch wie
lange soll das noch gelten, wenn nun viel mehr Dosen kommen, die auch
schnell verwendet werden sollen? Es sei «ein Irrglaube, dass die
Priorisierung ein zügiges Impfangebot verhindert», mahnte der
Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch.
«Vielmehr sichert die ethische Reihenfolge den Anspruch auf
frühestmöglichen Schutz der verletzlichsten Bevölkerungsgruppen.»
Nötig seien nun sofort auch Impfangebote für 400 000 Schwerstkranke
und Pflegebedürftige, die ihre Wohnung nicht verlassen können.

Auch für die politische Stimmung haben es die Impfungen im zweiten
Quartal in sich. Denn die erste Freude, dass es so schnell in der
Pandemie überhaupt schon Impfstoffe gibt, war zu Jahresbeginn binnen
Tagen hart umgeschlagen. Kann sich der Eindruck drehen, wenn die
Impfungen nun doch besser funktionieren sollten als gedacht? Spahn
will mit wachsenden Impfstoffmengen auch die Informationskampagne
verstärken, die etwa mit Schauspielerin Uschi Glas fürs Impfen wirbt.
«Jeder, der zusätzlich Vorbild sein mag, ist herzlich willkommen».

Unter Beobachtung stehen auch die möglichen Aspiranten auf die
Kanzlerkandidatur der Union. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet und
CSU-Chef Markus Söder müssen als Ministerpräsidenten die Impfungen in

Nordrhein-Westfalen und Bayern im Auge haben. Bis Ende Juni dürfte
dann auch klarer werden, ob das von der Kanzlerin ausgegebene Ziel zu
halten ist, allen Bürgern bis zum Ende des Sommers am 21. September
ein Impfangebot zu machen - fünf Tage später ist die Bundestagswahl.