«Licht am Ende des Tunnels»: Saarland startet Corona-Modellprojekt

Erstmals geht ein ganzes Bundesland als Corona-Modellprojekt an den
Start. Das Saarland öffnet bestimmte Bereiche - bei einem negativen
Test. Ist das riskant oder ein beispielhafter Weg aus der Pandemie?

Saarbrücken (dpa/lrs) - Inmitten einer Diskussion über einen neuen
Corona-Lockdown in Deutschland hat das Saarland ein umstrittenes
Öffnungsmodell mit verstärktem Testen gestartet. Zahlreiche
Einrichtungen durften am Dienstag vorerst öffnen, dazu zählten neben
der Außengastronomie etwa auch Fitnessstudios und Theater. Wer das
Angebot nutzen will, braucht in der Regel einen negativen
Corona-Schnelltest, der nicht älter sein darf als 24 Stunden. Zudem
dürfen sich im Freien bis zu zehn Menschen treffen, wenn sie negativ
getestet worden sind. Mit dem sogenannten Saarland-Modell will die
Landesregierung den Bürgern wieder mehr Freiheiten ermöglichen.

Der Saarbrücker Pharmazie-Professor Thorsten Lehr äußerte sich
skeptisch. «Das Konzept ist zwar grundsätzlich gut und sollte auch in
der Theorie funktionieren», sagte der Experte für Corona-Prognosen
der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrücken. «In der Praxis hat es in
meinen Augen aber noch nicht gut funktioniert. Vor allem, und das ist
das Problem, weil es derzeit eine relativ hohe Inzidenz gibt und ein
steigendes Infektionsgeschehen.» In dieser Kombination sei das
sogenannte Saarland-Modell «nicht die richtige Lösung».

Die grundsätzliche Idee eines Lockdowns halte er für «richtig und
gut», sagte Lehr. Aber: «Ich halte Lockerungen derzeit nicht für
richtig. Wir müssen erst die Fallzahlen unter Kontrolle bekommen.»

Ähnlich äußerte sich der Pflegebeauftragte der Gewerkschaft Verdi im

Südwesten, Michael Quetting. «Ich finde Öffnungen insbesondere zum
jetzigen Zeitpunkt außerordentlich gefährlich. Die Werte sind
bedenklich hoch», sagte Quetting. Er verstehe, dass die Menschen sich
nach Normalität sehnten. «Die einzige richtige Lösung wäre ein
mindestens dreiwöchiger Lockdown. Auf den Intensivstationen sind die
Beschäftigten schon über ihre Belastungsgrenzen hinausgegangen.»

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) verteidigte das
Öffnungsmodell erneut. Das «Saarland-Modell», das ab sofort wieder
die Öffnung von Außengastronomie, Fitnessstudios und
Kultureinrichtungen auf der Basis von Schnelltests erlaubt, folge
«den Beschlüssen, die gemeinsam von Bund und Ländern getroffen
wurden», hieß es am Dienstag auf Anfrage aus der Staatskanzlei.

Der saarländische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga begrüßte
Öffnungen mit verstärktem Testen in der Corona-Pandemie. «Das ist ein

Licht am Ende des Tunnels», sagte Dehoga-Präsident Michael Buchna der
dpa. Das Modell sei ein mutiger Schritt der Landesregierung. «Wir
sind sehr froh, dass es statt ständigem Lockdown jetzt zu einem
Paradigmenwechsel kommt», sagte Hauptgeschäftsführer Frank Hohrath.

«Hurra, wir spielen wieder!» - so hatte das Saarländische
Staatstheater reagiert. Dort soll an diesem Donnerstag (8. April) die
Premiere des Singspiels «Im Weißen Rössl» steigen. Generalintendant

Bodo Busse lobte das Projekt der Landesregierung. «Dieser Schritt ist
sehr wichtig, weil man jetzt nach vielen Monaten der
Pandemiemüdigkeit, der Erschöpfung, der Frustration und der
Traurigkeit endlich wieder einen Hoffnungsschimmer hat.»

Die Öffnungen sind nach dem Beschluss der Landesregierung in dieser
Form nur erlaubt, solange die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen einer Woche, unter 100
liegt. Steigt die Inzidenz an drei Tagen über 100, greift ein
Ampelsystem - mit einer dann ausgeweiteten Testpflicht (gelb) unter
anderem für den Einzelhandel. Wenn eine Überlastung des
Gesundheitswesens droht, soll die Notbremse (rot) gezogen werden: Die
Öffnungen werden kassiert, es folgt ein Lockdown.

«Es muss uns nach einem Jahr Pandemie mehr einfallen als nur zu
schließen und zu beschränken», hatte Ministerpräsident Hans (CDU)
gesagt. Für die stellvertretende Ministerpräsidentin Anke Rehlinger
(SPD) ist das Saarland-Modell «ein klares, verlässliches System», das

auf die Verantwortung der Bürger setze. «Mit Vorsicht schaffen wir
mehr Freiheiten. Ob sie halten, liegt an uns allen.»

Am Ostermontag war im Saarland eine Inzidenz von 91,3 gemeldet
worden. Vor zwei Wochen (23. März) lag sie noch bei 65,6. Dass das
Saarland das Projekt in einer Zeit insgesamt steigender
Infektionszahlen startet, war bundesweit bei Politik und Wissenschaft
auch auf Kritik gestoßen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
bezeichnete die Ankündigung als «sehr gewagt». Der
nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte am
Wochenende einen «Brücken-Lockdown» in Deutschland gefordert. Damit
solle die Zeit überbrückt werden, bis viele Menschen geimpft seien.