Spitzenverbände der Wirtschaft: Mehr Corona-Tests in Unternehmen Von Andreas Hoenig, dpa

Bei der Ausweitung von Tests für Mitarbeiter haben die Firmen
geliefert, das ist die Botschaft der Wirtschaft. Sie stemmt sich mit
aller Macht gegen gesetzliche Auflagen. Was macht nun die Politik?

Berlin (dpa) - Immer mehr Unternehmen bieten ihren Beschäftigten nach
Darstellung der Spitzenverbände der Wirtschaft regelmäßige
Corona-Tests an. Vier Wochen nach einem Aufruf testeten zwischen 80
und 90 Prozent der deutschen Firmen oder bereiteten den Teststart
unmittelbar vor. Das geht aus Schreiben der Spitzenverbände an
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hervor. Zugleich wird auf
Probleme wie Lieferschwierigkeiten bei Tests und eine zögerliche
Annahme des Angebots bei Beschäftigten verwiesen.

Mehr Tests und mehr Homeoffice spielen eine wichtige Rolle in der
Debatte darüber, wie eine Ausbreitung der Pandemie eingedämmt werden
kann. Am Zug ist nun die Politik. Sie muss entscheiden, ob das
freiwillige Testangebot der Wirtschaft ausreicht oder ob es
gesetzliche Vorgaben geben soll - die Spitzenverbände lehnen solche
Auflagen ab.

SO VIELE FIRMEN TESTEN

Die Verbände hatten am 9. März an Unternehmen appelliert, ihren
Beschäftigten Selbsttests und - wo dies möglich sei - Schnelltests
anzubieten, um Infektionen frühzeitig zu erkennen. Eine erste
Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags hatte Mitte
März ergeben, dass gut die Hälfte der Betriebe regelmäßig Tests
anbietet oder plant, dies in Kürze zu tun.

Nun heißt es in einem neuen «Sachstandsbericht» unter Berufung auf
weitere Firmenbefragungen, die «Test-Trendkurve» weise klar nach
oben. Demnach führten 90 Prozent der Industrieunternehmen Tests durch
oder steckten mitten in der Planung eines Angebots. Auch in der
Breite stünden die Unternehmen «in den Startlöchern», heißt es. S
o
seien es aktuell 64 Prozent der Betriebe, die Corona-Tests anbieten.
Dazu kämen viele Betriebe, die das in Kürze tun wollten - die
Spitzenverbände nennen eine Zahl von 87 Prozent der Betriebe, die
bereits regelmäßige Corona-Tests anbieten oder dies bald planen -
unabhängig davon, ob Mitarbeiter im Homeoffice sind.

Zu einem völlig anderen Ergebnis kam die gewerkschaftsnahe
Hans-Böckler-Stiftung: Die Corona-Schnelltests am Arbeitsplatz liefen
schleppend an. Nur 23 Prozent der Beschäftigten hätten in einer
Befragung berichtet, dass alle Präsenzbeschäftigten in ihrem Betrieb
schon mindestens einmal pro Woche einen Schnelltest machen könnten.
Basis sei eine nicht repräsentative Online-Erhebung des Portals
Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Institut der Stiftung betreut wird.

WELCHE PROBLEME ES GIBT

Ein großes Problem sehen viele Firmen laut Bericht der
Spitzenverbände in der Beschaffung von Tests. Von den Betrieben, die
in Kürze testen wollen, berichteten 43 Prozent von
Beschaffungsproblemen. Aktuell bestünden gerade bei den Selbsttests
«große Lieferengpässe», die zu dauernden Verzögerungen auch von
bereits zugesagten Lieferungen führten.

Verwiesen wird außerdem auf einen hohen finanziellen und
organisatorischen Aufwand: «Bei Test-Kosten von bis zu rund einer
Milliarde Euro pro Woche ergeben sich für zehn Wochen Laufzeit
zusätzliche kurzfristige Belastungen für die Wirtschaft in Höhe von
bis zu rund zehn Milliarden Euro - und das in der größten Krise ihrer
Geschichte.» In dem Bericht werden Stimmen aus der Wirtschaft
genannt, die eine Beteiligung des Staates an den Kosten fordern.

Der Bericht stammt von der Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände, dem Bundesverband der Deutschen Industrie, dem
Deutschen Industrie- und Handelskammertag und dem Zentralverband des
Deutschen Handwerks.

Gerade die zeitnahe Verfügbarkeit von Selbsttests sei für ein
tatsächlich flächendeckendes Testangebot unverzichtbar, hieß es. Per

Verordnung oder Testpflicht ließen sich die Herausforderungen nicht
beseitigen: «Tests werden dadurch nämlich weder schneller produziert
oder geliefert, noch einfacher oder sicherer in der Anwendung.»

Außerdem nähmen nicht alle Beschäftigten ein Testangebot ihres
Arbeitgebers auch an. Laut Bericht gaben nur 27 Prozent der befragten
Firmen an, dass Beschäftigte das Test-Angebot im Durchschnitt
wöchentlich wahrnehmen. Zum einen könne die Abstrichabnahme als sehr
unangenehm empfunden werden, hieß es - zum anderen könnten auch die
Folgen eines positiven Testergebnisses gescheut werden.

WAS DIE POLITIK WILL

Die Bundesregierung will auf der Grundlage des Berichts der
Wirtschaft sowie einer eigenen Erhebung bewerten, ob gesetzliche
Vorgaben nötig sind. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hatte der
«Bild am Sonntag» gesagt: «Klar ist, wenn es nicht zwei Drittel bis
drei Viertel der Firmen sind, ist es zu wenig.» Merkel hatte von
«Richtung 90 Prozent» gesprochen. Die Kanzlerin hatte in der
ARD-Sendung «Anne Will» gesagt, sie habe den Eindruck, dass die Tests
nicht flächendeckend umgesetzt werden. Man müsse das Testen in den
Betrieben «wahrscheinlich» verpflichtend machen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält eine Selbstverpflichtung
für nicht ausreichend. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte der
«Neuen Osnabrücker Zeitung»: «Testangebote müssen verpflichtend s
ein,
und die Kosten müssen von den Arbeitgebern getragen werden. Da kann
es auch nicht sein, dass sich die Arbeitgeber wieder mit dem
Totschlagargument von zu viel Bürokratie herausreden wollen.»

Dazu kommt die Debatte um schärfere Auflagen für Arbeiten im
Homeoffice. Unklar ist, wie viele Beschäftigte derzeit nicht im
Betrieb sind: In dem Bericht der Verbände wird auf eine Studie der
Hans-Böckler-Stiftung verwiesen, wonach der Anteil der mobil
arbeitenden Beschäftigten 24 Prozent betrage - der Digitalverband
Bitkom dagegen komme in einer Befragung auf eine Quote von 45 Prozent
der Berufstätigen.

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