Mediziner Reisinger: Am Rostocker Pilotprojekt festhalten

Rostock ist wie Tübingen eine der Städte in Deutschland, die mit
Modellprojekten in der Corona-Pandemie für Aufmerksamkeit sorgten.
Doch die Zahl der Neuinfektionen steigt stetig an.

Rostock (dpa/mv) - Trotz steigender Corona-Neuinfektionszahlen in
Rostock sollte nach Einschätzung des Tropenmediziners an der
Uniklinik Rostock, Emil Reisinger, am Pilotprojekt der Hansestadt zur
Lockerung von Kontaktbeschränkungen festgehalten werden. «Die
Alternative wäre aufmachen, zusperren, aufmachen, zusperren», sagte
Reisinger am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Das raube vielen
Menschen die Nerven und sei letztlich auch entmutigend. Ein Mittel,
diese Entwicklung zu kompensieren, könnten nächtliche Ausgangssperren
sein. Gerade Begegnungen im privaten Bereich zu später Stunde seien
für sehr viele Infektionen verantwortlich.

Noch am 21. März hatte in Rostock die Sieben-Tage-Inzidenz bei 22,0
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern gelegen, am Sonntag (5. April)
lag sie bei 76,5. Die niedrige Inzidenz war die Grundlage für das
Pilotprojekt. Es beinhaltete unter anderem die Zulassung von 777
Zuschauern im Ostseestadion beim Heimspiel von Hansa Rostock gegen
den Halleschen FC, eine Premiere im Volkstheater und Öffnungen im
Einzelhandel.

Die verstärkte Mobilität und die vermehrten Kontakte seien für die
Inzidenzentwicklung verantwortlich, sagte Reisinger. Zwar sei in den
meisten Fällen das Einkaufen selbst völlig problemlos, aber beim
Bummel durch die Stadt komme es zu Begegnungen, die in der Summe zu
diversen Neuinfektionen führen können.

Für Reisinger wäre eine Sieben-Tage-Inzidenz von rund 100 Anlass,
über Konsequenzen nachzudenken. Dabei müsste allerdings neben der
Inzidenz auch die Zahl der Menschen einfließen, die in einer Klinik
oder auf der Intensivstation liegen sowie die Zahl der Verstorbenen.
Prinzipiell seien solche Projekte wie in Rostock oder Tübingen
Feldversuche, die gemacht werden müssen. Die Ergebnisse seien wichtig
für künftige Lockerungen von Kontaktbeschränkungen.