Laschets Vorstoß für «Brücken-Lockdown» stößt auf Skepsis

Das Vokabular der Pandemie-Bekämpfung ist um einen Begriff reicher:
Einen «Brücken-Lockdown» fordert CDU-Chef und NRW-Ministerpräsident

Laschet. Doch viele fragen sich: Was meint der Mann damit eigentlich?

Berlin (dpa) - NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat mit seinem
Vorstoß, schnell einen harten «Brücken-Lockdown» für Deutschland
zu
beschließen, ein geteiltes Echo ausgelöst. Berlins Regierender
Bürgermeister Michael Müller (SPD) lehnte den Vorschlag ab, die für
den kommenden Montag geplante nächste Ministerpräsidentenkonferenz
auf diese Woche vorzuziehen und dabei über schärfere Corona-Regeln zu
beraten. Dazu seien noch zu viele Fragen offen. Andere Länder
signalisierten zwar grundsätzlich Bereitschaft zu einem schnellen
Treffen, verlangten aber, vorher müsse ein Konzept auf dem Tisch
liegen, das alle mittragen.

Der CDU-Vorsitzende hatte am Ostermontag überraschend vorgeschlagen,
im Kampf gegen die dritte Corona-Welle einen «Brücken-Lockdown» zu
beschließen. Damit solle die Zeit überbrückt werden, bis viele
Menschen geimpft seien. Die Lage erfordere es, «dass wir noch mal in
vielen Bereichen nachlegen», sagte der CDU-Vorsitzende. Er sei sich
bei seiner Einschätzung der Lage mit vielen Länderchefs, Kanzlerin
Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) einig.

Am Dienstag präzisierte Laschet, ein solcher «Brücken-Lockdown»
sollte «zwei bis drei Wochen» dauern. Jetzt sei absehbar, «dass schon

in ganz kurzer Zeit 20 Prozent, danach 30, 40 Prozent der deutschen
Bevölkerung geimpft ist», sagte der CDU-Chef im ZDF-Morgenmagazin.
Wissenschaftler würden nun empfehlen, diese Zeit zu überbrücken und
das öffentliche Leben bis dahin zu reduzieren. Jetzt gehe es darum,
«genau in diesem letzten Stück der Pandemie noch einmal
herunterzugehen».

Im Kreis seiner Länderkollegen löste Laschets Vorstoß Erstaunen aus.

Der Vorschlag werfe viele Fragen auf, sagte Berlins Regierungschef
Müller dem ARD-Hauptstadtstudio. «Ein Brücken-Lockdown für eine
Übergangszeit und dann mit welchen Maßnahmen? Und das soll so lange
gelten, bis viele Menschen geimpft sind. Was heißt das alles?» Er
glaube, Laschet habe viele Überlegungen noch nicht abgeschlossen,
sagte Müller, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz
ist. Insofern mache eine vorzeitige Konferenz jetzt auch keinen Sinn.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil meldete
«erhebliche Zweifel» an. Der Vorschlag lasse viele Fragen offen,
sagte der SPD-Politiker am Dienstag. «Will Ministerpräsident Laschet
die Kitas komplett samt Notbetreuung schließen? Will er die
Wirtschaft ganz herunterfahren? Wie lange und mit welchem konkreten
Ziel sollen die Maßnahmen andauern? Das alles ist ungeklärt.»

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte dem «Spiegel», man

könne gerne jederzeit zusammenkommen. «Aber da muss auch vorher was
auf dem Tisch liegen, was wir dann auch wirklich gemeinsam
beschließen und vor allem auch alle umsetzen», betonte der
Linken-Politiker. «Die aktuellen Wortmeldungen sind wieder Stückwerk
und von Hektik geprägt.» Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier
(CDU) zeigte sich bereit, das Bund-Länder-Treffen vorzuziehen: «Ziel
muss eine Verständigung der Länder sein», sagte er dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag).

Unterstützung erhielt der CDU-Vorsitzende vom Chef der Unionsfraktion
im Bundestag, Ralph Brinkhaus. «Der Vorschlag von Armin Laschet ist
richtig», sagte der CDU-Politikern den Zeitungen der Funke
Mediengruppe. «Bis der Anteil der Geimpften in der Bevölkerung hoch
genug ist, müssen wir für einen klar begrenzten Zeitraum mit einem
Brücken-Lockdown die Gesundheit schützen und die Corona-Infektionen
eindämmen.» Brinkhaus mahnte «eine schnelle Entscheidung von Bund und

Ländern» an.

Bayern ist laut CSU-Generalsekretär Markus Blume nur dann für ein
Vorziehen der Gespräche, wenn alle Bundesländer grundsätzlich zu
einer Verschärfung der Corona-Regeln bereit sind. Eine neue
Ministerpräsidentenkonferenz bringe ja nichts, «wenn danach wieder
jeder Seins macht», sagte er am Montagabend im Politik-Talk «Die
richtigen Fragen» auf «Bild live».

Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach meinte am Dienstag im
RTL/ntv-«Frühstart», nötig sei ein «harter Lockdown» mit versch
ärften
staatlichen Beschränkungen. Dazu gehörten Ausgangsbeschränkungen
sowie eine Homeoffice- und Testpflicht in den Betrieben.

FDP-Generalsekretär Volker Wissing schrieb auf Twitter: «Mehr als ein
Jahr Corona und der Lockdown bleibt das einzige Konzept. Das ist
schon etwas peinlich für ein modernes Land.» Die Fraktionsvorsitzende
der AfD im Bundestag, Alice Weidel, erklärte, ein Brücken-Lockdown
sei ein «unausgegorener und undurchdachter Etikettenschwindel».

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte bei «Welt», Brücken-Lockdown

sei ein schönes Wort aus der PR-Kiste. «Aber ich hätte gerne gewusst,

was schlägt Armin Laschet konkret vor.» Es sei alles zu begrüßen, w
as
die Infektionszahlen runterbringe. Zuallererst zähle das Impfen dazu.
«Aber ich würde als wichtigste Maßnahme, um voranzukommen, vor allen

Dingen vorschlagen, dass die Union die Frage der Kanzlerkandidatur
klärt. Denn ich habe den Verdacht, dass dieser Vorschlag eng damit
zusammenhängt und das behindert aktuell die Pandemiebekämpfung.»

Die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg, Markus
Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne), hatten schon vor Tagen
in einem gemeinsamen Brief an ihre Kollegen eine strikte
Anti-Corona-Politik mit konsequenter Umsetzung der Notbremse in
Hotspots gefordert, auch mit nächtlichen Ausgangsbeschränkungen.
Härtere Maßnahmen fordert auch Merkel. Bisher war der Ruf jedoch
vielerorts ungehört verhallt - auch in CDU-geführten Bundesländern.

Das Saarland begann am Dienstag trotz steigender Infektionszahlen
sogar mit einem Ausstieg aus dem Lockdown. Viele Einrichtungen und
Häusern durften wieder öffnen, neben der Außengastronomie zählen au
ch
Kinos, Theater, Konzerthäuser, Fitnessstudios und Tennishallen dazu.
Wer das Angebot nutzen möchte, braucht in der Regel einen negativen
Corona-Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden sein darf.

Damit geht erstmals ein ganzes Bundesland als Corona-Modellprojekt an
den Start. «Es muss uns nach einem Jahr Pandemie mehr einfallen als
nur zu schließen und zu beschränken», hatte Saarlands
Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) gesagt. Merkel hatte die
Ankündigung als «sehr gewagt» bezeichnet. Am Ostermontag wurde für

das Saarland eine Inzidenz von 91,3 gemeldet.