Laschet will «Brücken-Lockdown» im April - Für Vorziehen der MPK

Kommt im Kampf gegen die dritte Welle der Corona-Pandemie eine
Verschärfung der Beschränkungen auf die Menschen in Deutschland zu?
Womöglich berät die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten darüber
schon diese Woche. Beim Impfen gibt es Signale der Hoffnung.

Berlin/Aachen (dpa) - Mitten in der dritten Corona-Welle werden die
Rufe nach einer Verschärfung der Pandemie-Beschränkungen im April
lauter. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet
forderte am Montag einen «Brücken-Lockdown», mit dem die Zeit
überbrückt werden solle, bis viele Menschen geimpft seien. Die Lage
erfordere es, «dass wir nochmal in vielen Bereichen nachlegen», sagte
der CDU-Bundesvorsitzende nach einem Besuch des Impfzentrums der
Städteregion Aachen. Er sei sich bei seiner Einschätzung der Lage mit
vielen Ministerpräsidenten, Kanzlerin Angela Merkel und
Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) einig.

Spahn hatte zuvor über das Osterwochenende Hoffnungen gemacht, dass
vollständig Geimpfte nach der dritten Infektionswelle genauso wie
Negativgetestete schneller Freiheiten beim Einkaufen und Reisen
zurückerhalten könnten. Die Zahl der Covid-19-Patienten in
intensivmedizinischer Behandlung überschritt erstmals seit
zwei Monaten wieder die Marke von 4000. Die Forderung der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Abiturprüfungen
wegen der Corona-Pandemie notfalls ausfallen zu lassen, löste
heftigen Widerspruch aus.

Laschet sprach sich in Aachen dafür aus, die für den 12. April
geplante Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder
auf die kommenden Tage vorzuziehen. Es seien nun mehr Tempo und klare
Entscheidungen notwendig. Die Ministerpräsidentenkonferenz mit Merkel
müsse noch in dieser Woche in Präsenz tagen. «Wir dürfen nicht wied
er
eine Ministerpräsidentenkonferenz erleben wie beim letzten Mal. Mit
stundenlangen Diskussionen, mit stundenlangen Auszeiten.»

Einen Termin für vorgezogene Beratungen der Länder mit Merkel gibt es
noch nicht. Der Bund sei immer bereit, zu beraten, wenn es sich als
erforderlich erweise, hieß es aus Regierungskreisen in Berlin. Eine
solche Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit der Kanzlerin müsse
aber gut vorbereitet sein, so dass bereits vorher im Wesentlichen
klar sei, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Eine schnell
anberaumte MPK mit völlig unterschiedlichen Vorstellungen zwischen
den Ländern dürfe es nicht noch einmal geben, hieß es weiter. Daher
sei noch kein Termin festgelegt.

Von den Landesregierungen in Berlin und Bayern - dem MPK-Vorsitzland
und dem stellvertretenden Vorsitz - gab es zunächst keine Reaktion
auf den Vorstoß des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten.

Laschet sagte mit Blick auf seine Forderung nach einem
«Brücken-Lockdown», nötig seien weniger private Kontakte. Das kön
ne
auch Ausgangsbeschränkungen in den Abend- und Nachtstunden bedeuten.
Diese seien ein effektives Mittel, um Kontakte im privaten Raum zu
reduzieren. Zudem müsse man sich auf das Notwendige bei Kitas und
Schulen fokussieren - bei gleichzeitiger Absicherung durch
flächendeckende und eng getaktete Tests.

Mehr müsse zudem im Bereich Homeoffice getan werden. «Es sind immer
noch viel zu viele Menschen in Bewegung zum Arbeitsplatz», sagte
Laschet. In den zwei bis drei Wochen des Lockdowns müsse die
Homeoffice-Offensive der Wirtschaft nochmals vorankommen. Dazu werde
die Bundesregierung diese Woche nochmals mit den Wirtschaftsverbänden
auch über Testungen sprechen. Es müsse zudem bei der Schließung der
Gastronomie bleiben, außerdem müsse es im gesamten Freizeitbereich
nochmals eine Reduzierung geben.

Spahn bekräftigte am Montag in Berlin, Geimpfte sollten schneller
Freiheiten beim Einkaufen und Reisen zurückerhalten. In der «Bild am
Sonntag» hatte er sich zuvor auf eine Auswertung neuester
Erkenntnisse durch das Robert Koch-Institut (RKI) bezogen: Demnach
sei das Übertragungsrisiko zwei Wochen nach der zweiten Impfung
wahrscheinlich sogar geringer als nach einem negativen Schnelltests
von symptomlosen Infizierten. Spahn betonte, auch für vollständig
Geimpfte würden in der aktuellen Pandemiephase Corona-Regeln wie
Abstand, Hygiene und Schutzmasken weiterhin gelten.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte, die
Abiturprüfungen wegen der Pandemie notfalls ausfallen zu lassen.
GEW-Chefin Marlis Tepe sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND/Montag): «Sollte das Infektionsgeschehen so dramatisch
ansteigen, wie die dritte Welle in anderen europäischen
Nachbarstaaten befürchten lässt, müssen die Länder flexibel reagier
en
und von Prüfungen absehen». Dann könnten etwa die Leistungen aus dem

Unterricht zur Grundlage der Notengebung gemacht werden.

Tepe erntete umgehend Widerspruch. Bundesbildungsministerin Anja
Karliczek (CDU) blickt wegen der Pandemie mit großer Sorge auf den
weiteren Schulbetrieb. «Es wird überall eine Gratwanderung sein und
sehr vom regionalen Infektionsverlauf gerade auch unter den Kindern
und Jugendlichen abhängen», sagte sie der dpa. Die Präsidentin der
Kultusministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchefin Britta Ernst
(SPD), äußerte sich zurückhaltend. Alle arbeiteten mit Hochdruck an
sicheren Bedingungen für die Durchführung der Prüfungen. «Niemand
sollte die Jugendlichen, die jetzt vor dem Abschluss stehen,
zusätzlich zur normalen Prüfungsnervosität verunsichern.»

Die Zahl der Corona-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung
überschritt über Ostern erstmals seit zwei Monaten wieder die Marke
von 4000. So lagen am Montag 4144 Corona-Fälle auf der
Intensivstation, wie die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für
Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in ihrem täglichen Corona-Bericht
schrieb (Stand 5.4., 12.15 Uhr). Das sind 93 Patienten mehr als am
Vortag und über 500 mehr als vor einer Woche. Anfang Januar hatte die
Zahl der Covid-Intensivpatienten einen Höhepunkt mit mehr als 5500
Fällen erreicht.

Inwieweit sich die Infektionslage über Ostern verändert hat, ist
derzeit noch schwer einzuschätzen. Das Robert Koch-Institut wies
darauf hin, dass rund um die Osterfeiertage vielerorts meist weniger
Tests gemacht und gemeldet werden. Zudem könne es sein, dass nicht
alle Gesundheitsämter und zuständigen Landesbehörden an allen Tagen
an das RKI übermitteln. Die berichteten Fallzahlen dürften dadurch
niedriger ausfallen und nur eine eingeschränkte Aussagekraft haben.

Das ist auch bei der Interpretation der Sieben-Tage-Inzidenz - also
der Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche - zu
beachten, die das RKI am Ostermontag mit 128,0 angab. Am Vortag lag
sie bei 127,0, am Gründonnerstag noch bei 134,2. Vor drei Wochen gab
das RKI den Wert mit 82,9 an. Mediziner und Wissenschaftler fordern
seit Tagen einen harten Lockdown, um die Infektionszahlen zu drücken
und dadurch auch den Druck von den Kliniken zu nehmen.