Volle Gyms und Cafés: «Wunder» im früheren Corona-Hotspot Portuga l

Viele sprechen von einem «Wunder»: Noch im Januar hatte Portugal
bezogen auf die Bevölkerungszahl die weltweit höchsten Corona-Zahlen.
Inzwischen ist die Lage dort so gut wie fast nirgendwo in Europa. Es
gibt neue Lockerungen - und die Landesbewohner zeigen ihre Freude.

Lissabon (dpa) - Jubel und Aufbruchstimmung in Portugal: Im Zuge der
seit Wochen sinkenden Infektionszahlen hat der frühere
Coronavirus-Hotspot die Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie
weiter gelockert. Seit Montag dürfen Gastronomiebetriebe wie Kneipen,
Cafés und Restaurants erstmals nach gut zweieinhalb Monaten wieder
Gäste empfangen. Auch Museen und Galerien, Läden mit einer
Verkaufsfläche von höchstens 200 Quadratmetern, Straßenmärkte und
Fitnesszentren sowie andere Sporteinrichtungen wie Tennis- und
Golfplätze dürfen unter strengen Auflagen wieder öffnen. Für Schü
ler
mehrerer Jahrgänge gibt es wieder Präsenzunterricht.

Die Menschen freuten sich sehr und stürmten bei besten
Frühlings-Temperaturen um die 20 Grad schon vormittags auf die
Straßen. Vor allem Gyms und Terrassen waren überall in der Hauptstadt
Lissabon schnell voll. Es gab hinter den Masken viele glückliche
Gesichter. «Zu Hause hocken zu müssen macht sehr traurig. Wenn man
trainieren darf, ist man auch gesünder», sagte ein junger Mann in
einem Fitnesszentrum zum Fernsehsender TVI24. Eine neben ihm stehende
junge Frau räumte ein: «Ich bin heute Morgen sofort rausgerannt».

Während in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Deutschland
und Italien der Lockdown dieser Tage zum Teil sogar verschärft wird,
konnte die portugiesische Regierung am Freitag wegen der guten
Entwicklung der zweiten Lockerungsetappe grünes Licht geben. Sie soll
zunächst für zwei Wochen gelten. Man könne diesen neuen vorsichtigen

Schritt aufgrund der Fortschritte im Kampf gegen das Virus wagen,
erklärte Ministerpräsident António Costa.

Neben weiteren Lockerungen dürfen die rund 10,3 Millionen Bürger des
Landes den jeweiligen Wohnbezirk wieder verlassen, ohne einen
«triftigen Grund» dafür angeben zu müssen. Bereits vor drei Wochen

waren erste Lockerung gestattet worden, unter anderem für Friseure
und Buchläden. Normalität herrscht allerdings auch in Portugal trotz
der guten Zahlen noch lange nicht. Die Gastronomiebetriebe dürfen nur
in den Außenbereichen und nur bis 22.30 Uhr an Werktagen sowie bis 13
Uhr an Wochenenden und Feiertagen ihre Gäste bewirten. An jedem Tisch
dürfen nur jeweils höchstens vier Personen Platz nehmen. Die
Landgrenze zu Spanien bleibt geschlossen.

Portugal hatte im Januar bezogen auf die Bevölkerungszahl zeitweilig
die höchsten Infektionszahlen weltweit. Kliniken platzten aus allen
Nähten, Covid-Patienten mussten auch in engen Fluren behandelt
werden. Medien berichteten von Patienten, die eine ganze Nacht im
Krankenwagen verbringen mussten. Der Präsident des portugiesischen
Ärzteverbandes ANMSP, Ricardo Mexia, bezeichnete damals die Lage als
«absolut dramatisch». Die Bundeswehr reagierte Anfang Februar auf den
Notruf und schickte zur Unterstützung der überforderten Ärzte ein
27-köpfiges Sanitäter-Team nach Lissabon.

Doch der seit dem 13. Januar beschlossene strenge Lockdown mit
Ausgehbeschränkungen und Zwangsschließungen trug offenbar Früchte:
Nach jüngsten Zahlen der EU-Agentur ECDC steckten sich binnen 14
Tagen nur noch 60,25 Menschen je 100 000 Einwohner mit dem Virus an.
Damit gehört man zu den besten unter den 30 erfassten Ländern. In
Deutschland betrug diese 14-Tage-Inzidenz zuletzt 137. Im Januar
hatte dieser Wert in Portugal noch bei deutlich über 1600 gelegen.
Die Zahl der Covid-Kranken den Intensivstationen ging von ca. 1000
auf 117 zurück. Dass auch deutsche Medien von einem einem «Wunder»
sprechen, ist angesichts der Entwicklung nicht verwunderlich.