Harbarth sieht Corona-Pandemie als «Stresstest» für Rechtsstaat

Berlin (dpa) - Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan
Harbarth, sieht in der Corona-Pandemie eine Belastungsprobe für den
Rechtsstaat. «Diese Pandemie ist in allen freiheitlichen Ordnungen
ein Stresstest für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, auch in
Deutschland», sagte Harbarth den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Das Thema werde die Gerichte vermutlich «auf Jahre hinaus»
beschäftigen.

Der Gerichtspräsident fügte hinzu: «Aber die Bekämpfung des
Coronavirus vollzieht sich in den Bahnen des Rechts. Die Justiz kommt
ihrer Aufgabe uneingeschränkt nach.» Von «alarmistischen Abgesängen

auf den Rechtsstaat» halte er nichts. Auf die Frage nach einer
zeitlichen Obergrenze für den Lockdown antwortete er: «Je länger
solche Maßnahmen andauern, desto strenger sind die Anforderungen an
ihre Rechtfertigung.»

Zu möglichen Lockerungen von Beschränkungen für Geimpfte sagte
Harbarth, dafür sei «voraussichtlich von Relevanz, ob eine Impfung
nur vor eigener Erkrankung oder zuverlässig auch vor der Weitergabe
des Virus an Dritte schützt». «Wenn ein geimpfter Mensch niemanden
anstecken kann, dürfte das von ihm ausgehende Infektionsrisiko
grundrechtlich anders zu beurteilen sein als wenn er noch ansteckend
ist, nur selbst nicht mehr erkranken kann.« Ob Geimpfte das Virus
weitergeben können, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt.


Harbarth äußerte die Erwartung, dass die Festlegung der
Impfreihenfolge per Ministerverordnung ein Fall fürs
Bundesverfassungsgericht wird. «Wir erleben, dass Impfstoffe knapp
sind und sich von Woche zu Woche neue wissenschaftliche Erkenntnisse
ergeben. Das erfordert Flexibilität. Aber natürlich gilt auch hier
der Satz, dass wesentliche Entscheidungen vom Parlament getroffen
werden müssen.» Ob der richtige Weg gefunden worden sei, müssten
letztlich die Gerichte entscheiden.