Stiko rät Astrazeneca-Geimpften zu anderem Wirkstoff für zweite Dosis

Was machen unter 60-Jährige, die bereits einmal mit dem
Astrazeneca-Vakzin geimpft worden sind und nun auf ihre Zweitimpfung
warten? Möglichst einen anderen Impfstoff nehmen, empfiehlt die
Ständige Impfkommission.

Berlin (dpa) - Mit einer ersten Astrazeneca-Dosis geimpfte Menschen
unter 60 Jahren sollen nach einer Empfehlung der Ständigen
Impfkommission (Stiko) für die zweite Impfung auf ein anderes
Präparat umsteigen. Das steht in einem am Donnerstag veröffentlichten
Beschlussentwurf der Stiko.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will am kommenden Mittwoch mit
den Gesundheitsministern der Länder über die Empfehlung sprechen. Das
kündigte der CDU-Politiker am Karfreitag per Twitter an. «Die
ergänzte Empfehlung der Stiko zu Zweitimpfungen schafft Klarheit für
die etwa 2,2 Mio Bürgerinnen und Bürger unter 60 Jahren, die in den
letzten Wochen eine Erstimpfung mit Astrazeneca erhalten haben», so
Spahn. «Sie können nach 12 Wochen ihre Zweitimpfung mit einem
mRNA-Impfstoff (Biontech oder Moderna) erhalten. Oder nach
individueller Aufklärung im ärztlichen Ermessen Astrazeneca.»

Diese Zweitimpfungen stehen laut Spahn frühestens ab Mitte April an,
da Astrazeneca erst seit Anfang Februar in Deutschland verimpft
werde. «Am Mittwoch werde ich mit den Gesundheitsministern und
-ministerinnen der Länder über das genaue Vorgehen sprechen», schrieb

Spahn weiter.

Wörtlich heißt es mit Blick auf die betroffene Gruppein der
Stiko-Empfehlung: «Für diese Personen wird empfohlen, anstelle der
zweiten Astrazeneca-Impfdosis eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs 12
Wochen nach der Erstimpfung zu verabreichen. Hintergrund hierfür ist,
dass der von einer einmaligen Astrazeneca-Impfung ausgelöste Schutz
nach 12 Wochen abzunehmen beginnt.» In Deutschland sind momentan die
mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna zugelassen.

Die Empfehlung dürfte zahlreiche Menschen in Deutschland betreffen.
Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts haben mit Stand Donnerstag 2,85
Millionen Personen eine Erstimpfung mit dem Astrazeneca-Präparat
erhalten, ein zweites Mal geimpft wurden lediglich knapp 2000
Menschen. Allerdings sind hier auch die über 60 Jahre alten Geimpften
eingerechnet - für sie gilt die Empfehlung für eine Zweitimpfung mit
einem anderen Vakzin nicht.

Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens sagte dem «Spiegel» in einem am
Donnerstagabend veröffentlichten Interview, über das Risiko bei
zweimaliger Impfung mit dem Astrazeneca-Mittel könne man derzeit nur
spekulieren - da bislang nur sehr wenige Menschen bereits beide
Spritzen erhalten hätten. «Der naheliegende Ausweg ist aus meiner
Sicht, es gar nicht zu probieren, sondern zur Sicherheit eben als
Alternative einen RNA-Impfstoff zu geben.»

Bei mRNA-Impfstoffen handelt es sich um eine völlig neue Art von
Vakzinen, die im Zuge der Corona-Pandemie erstmals für die Anwendung
bei Menschen zugelassen wurden. Die sogenannte Boten-RNA (engl:
messenger ribonucleic acid, mRNA) in Impfstoffen liefert einen Teil
der Erbinformation des Virus in die menschlichen Zellen, um eine
Abwehrreaktion des Körpers hervorzurufen und ihn so gegen eine
spätere Infektion zu wappnen.

Mit Blick auf eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff sagte
Mertens: «Tierexperimentelle Daten zeigen, dass die Immunreaktion
nach heterologer (zweiter) Impfung gleich ausfällt. Man muss noch
wissenschaftlich klären, wie gut der Schutz dann beim Menschen ist.
Ich hoffe, dass dazu bald Daten vorliegen.»

Tatsächlich gibt es schon länger Überlegungen, für einen besseren
Schutz etwa gegen neue Virusvarianten verschiedene Impfstoffe zu
kombinieren. Also zum Beispiel auf eine erste Dosis Astrazeneca eine
zweite von Biontech/Pfizer zu spritzen. «Rein immunologisch ist das
unproblematisch, denn sie beruhen letztlich auf dem gleichen
Impfantigen», hatte der Erlanger Infektionsimmunologe Christian
Bogdan als Mitglied der Stiko kürzlich gesagt. Die Wirksamkeit von
Kombinationen werde derzeit in Studien untersucht. Britische Forscher
zum Beispiel testen seit Anfang Februar in einer klinischen Studie
die Impfstoff-Wirksamkeit bei der Kombination von Biontech und
Astrazeneca in unterschiedlicher Abfolge als erste und zweite Dosis.

Bund und Länder waren am Dienstag einer Empfehlung der Stiko gefolgt,
das Astrazeneca-Mittel in der Regel nur noch Menschen über 60
verabreichen zu lassen. Grund dafür waren 31 gemeldete Verdachtsfälle
einer Hirnvenenthrombose. Davon verliefen neun Fälle tödlich.
Experten vermuten, dass das sehr geringe Risiko nur junge Menschen
betrifft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat einem Medienbericht zufolge
bereits am Freitag vergangener Woche vom erneuten Anpassungsbedarf
beim Impfstoff von Astrazeneca erfahren - vier Tage vor der
bundesweiten Entscheidung, das Präparat nur noch Menschen über 60
Jahren zu spritzen. «Angesichts der nationalen Tragweite der
Entscheidung bat die Bundeskanzlerin darum, auch die Expertise des
Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina
hinzuzuziehen», sagte eine Regierungssprecherin dem Online-Portal
ZDFheute. Dem Bericht zufolge informierte der Chef der Ständigen
Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, vergangene Woche sowohl
Merkel als auch Kanzleramtsminister Helge Braun (ebenfalls CDU), dass
der Impfstoff für bestimmte Altersgruppen aller Wahrscheinlichkeit
nach erneut gestoppt werden müsse.