EU-Partner verteilen Corona-Impfstoff um - aber nicht alle machen mit Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Einige EU-Staaten haben weniger Corona-Impfstoff zur Verfügung und
hinken beim Impfen hinterher. Nun helfen Deutschland und andere mit
einer Spende. Österreich, Tschechien und Slowenien bleiben unter
sich.

Brüssel (dpa) - Deutschland und andere Staaten spenden einigen
östlichen EU-Partnern gut 2,8 Millionen Dosen Corona-Impfstoff, damit
sie in der Impfkampagne nicht abgehängt werden. Österreich,
Tschechien und Slowenien machen nicht mit. Dies ist das Ergebnis
wochenlanger Verhandlungen der 27 EU-Staaten und eines vom
österreichischen Kanzler Sebastian Kurz angefachten Grundsatzstreits
über die Impfstoff-Verteilung. Am Ende stand eine pragmatische
Lösung. Aber auch eine Menge Ärger, vor allem über Kurz.

Der 34-jährige Regierungschef hatte das Thema Mitte März gesetzt.
Recherchen des Kanzleramts hätten ergeben, dass der Impfstoff in der
EU ungleich verteilt sei, es gebe offenbar Nebenabsprachen. Von einem
Basar war die Rede. Von drohenden politischen Spannungen in der EU.
Kurz holte fünf weitere Staats- und Regierungschefs an Bord, seine
Amtskollegen aus Bulgarien, Kroatien, Lettland, Slowenien und
Tschechien. Gemeinsam verlangten sie Korrekturen.

Tatsächlich gibt es eine Unwucht - in einigen EU-Staaten ist der
Corona-Impfstoff noch deutlich knapper als etwa in Deutschland. Das
liegt daran, dass nicht alle Staaten immer ihr ganzes Kontingent an
den von der EU zentral beschafften Impfstoffen genutzt haben.

Grundsätzlich gilt: Jeder der 27 Staaten hat Anspruch auf einen
Anteil nach Bevölkerungsstärke. Schöpft ein Land dies nicht aus,
können andere EU-Staaten diese Mengen aufkaufen. Einige Regierungen
setzten besonders auf Astrazeneca und sind nun wegen Lieferproblemen
im Nachteil. Österreich bestellte weniger von Johnson & Johnson und
befürchtet künftige Lücken - liegt bisher beim Impfen aber recht gut.


Ausgleich soll ein Sonderkontingent von zehn Millionen Dosen
Biontech/Pfizer-Impfstoff bringen, das im zweiten Quartal zusätzlich
kommen soll. Über die gerechte Verteilung dieser Menge stritten die
27 Staaten nun zwei Wochen lang - unter anderem stundenlang beim
EU-Gipfel vorige Woche. Sie kann einigen kleinen EU-Staaten mit
wenigen Einwohnern spürbar helfen. Allerdings ist sie im Vergleich
zur erwarteten Gesamtlieferung von 360 Millionen Impfdosen für die EU
im zweiten Quartal schon eher klein. Eine Einigung sollte eigentlich
kein diplomatisches Meisterwerk erfordern - sollte man meinen.

Tatsächlich aber brüteten die EU-Botschafter am Mittwoch und
Donnerstag zweimal über komplexen Rechenmodellen. Die portugiesische
EU-Ratspräsidentschaft schlug vor, drei der zehn Millionen Impfdosen
für sechs besonders bedürftige Länder zu reservieren: Bulgarien,
Kroatien, Estland, Lettland, die Slowakei und Tschechien. Die übrigen
sieben Millionen Impfdosen sollten wie üblich nach Bevölkerungsanteil
unter allen 27 Staaten verteilt werden.

Damit waren Österreich, Tschechien und Slowenien aber nicht
einverstanden und scherten aus. Und so hieß es am Donnerstagabend: 24
zu drei. 24 Staaten - darunter Deutschland - vereinbarten ihre eigene
Spendenaktion: Somit geben 19 Staaten gut 2,8 Millionen Dosen ab, um
Lücken in Estland, Lettland, der Slowakei, Kroatien und Bulgarien
auszugleichen. Estland und Lettland bedankten sich am Freitag auch
ausdrücklich für die Unterstützung und Solidarität. Deutschland
verzichtet nach diesem Modell immerhin auf rund 500 000 Impfdosen.
Österreich, Tschechien und Slowenien bekommen dagegen ihren vollen
Anteil an den zehn Millionen Dosen nach Bevölkerungsstärke - aber
auch nicht mehr.

Für Österreich rechnet sich das. Kurz erklärte in Wien, sein Land
bekomme nun 199 000 Impfdosen statt 139 000, das sei «ein solides
Ergebnis». Der Grund für die Ablehnung sei, dass Tschechien nicht die
nötigen Impfdosen erhalte, führte der Kanzler aus. Ausgerechnet das
von der Pandemie schwer getroffene Land bekomme als einziges keine
zusätzlichen Impfdosen, ergänzte Kurz am Freitag. Deshalb werde
Österreich Tschechien nun bilateral mit 30 000 Impfdosen helfen.

Allerdings wäre Tschechien wohl mit dem portugiesischen Vorschlag
besser gefahren, denn er sah eine Extrazuteilung für Prag vor, die
nun weg fällt. Das Land hätte rund 310 000 Impfdosen bekommen können,

statt jetzt rund 239 000. Warum Tschechien beim EU-Deal nicht
einschlug, blieb zunächst rätselhaft. Premier Andrej Babis äußerte

sich am Freitag verbittert. «Solidarität gibt es nur in den
Erklärungen für die Medien, bei den Verhandlungen hinter
verschlossenen Türen existiert sie nicht», sagte Babis der Agentur
CTK. Er äußerte die Vermutung, bei den Verhandlungen habe der Wunsch
überwogen, Kanzler Kurz abzustrafen.

Vor Wochen hatte der Kanzler verkündet, er werde sich beim Impfstoff
nicht mehr auf die EU verlassen, dann reiste er PR-wirksam zum
Schmieden einer Impfallianz nach Israel. Schließlich kündigte er den
Kauf des russischen Vakzins Sputnik V an. In Brüssel sieht man dies
mit Befremden, zumal es zur Forderung nach EU-Solidarität nicht ganz
zu passen scheint. Ein EU-Diplomat machte sich recht undiplomatisch
Luft: «In dem Robin-Hood-Kostüm von Kurz und seinen beiden Freunden
steckte dann doch nur wieder der finstere Sheriff von Nottingham. Sie
nehmen Impfstoffe, teilen aber keine Impfstoffe.»