NRW stoppt Impfungen mit Astrazeneca für unter 60-Jährige

Bereits zum zweiten Mal zieht die Gesundheitspolitik die Notbremse in
Sachen Astrazeneca: Nordrhein-Westfalen stoppt vorerst Impfungen mit
dem Wirkstoff für Menschen unter 60 Jahren. Unikliniken hatten auf
eine Überprüfung der Impfempfehlung gedrungen.

Düsseldorf (dpa/lnw) - In Nordrhein-Westfalen werden Männer und
Frauen unter 60 Jahren vorerst nicht mehr mit dem Impfstoff von
Astrazeneca gegen Corona geimpft. Das Gesundheitsministerium des
Landes habe einen sofortigen Stopp der Corona-Impfungen für diese
Personengruppe mit dem Vakzin von Astrazeneca erlassen, sagte eine
Sprecherin am Dienstag. Hintergrund sind Hirnvenenthrombosen, die
zuletzt im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wirkstoff aufgetreten
waren, vorwiegend bei Frauen unter 55.

Auch die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine
Corona-Impfung mit Astrazeneca nur noch für über 60-Jährige. Wie die

am Robert Koch-Institut angesiedelte Expertengruppe am Dienstag
mitteilte, habe man sich auch unter Hinzuziehung externer Experten
«mehrheitlich» für diese Empfehlung entschieden.

Welche Auswirkungen die Aussetzung auf die Impfstrategie in
Nordrhein-Westfalen hat, will Landesgesundheitsminister Karl-Josef
Laumann (CDU) am Mittwoch erklären. Am Abend betonte sein
Ministerium, die Impfkampagne werde mit den Stoffen von Biontech und
Moderna fortgesetzt. Wer ab 1. April einen Termin für eine Impfung
mit Astrazeneca habe, solle zunächst eine der beiden Alternativen
verabreicht bekommen. Ausgefallene Impftermine würden «umgehend
nachgeholt».

Noch vor der Entscheidung aus dem Landesgesundheitsministerium hatten
mehrere nordrhein-westfälische Impfzentren bereits
Astrazeneca-Impfungen für jüngere Frauen vorsorglich gestoppt. Dazu
zählten Essen, Köln, die Kreise Heinsberg und Gütersloh.
Vorangegangen war am Montag der Kreis Euskirchen: Eine 47 Jahre alte
Frau hatte dort wenige Tage nach der Impfung eine Sinusvenenthrombose
erlitten und war gestorben. Auch eine 28 Jahre alte Frau aus Bonn war
nach der Impfung im Kreis Euskirchen an einer solchen Thrombose
erkrankt. Sie befindet sich laut Kreis «in einem stabilen Zustand und
wird in einer Spezialklinik versorgt».

Im Universitätsklinikum Essen war am vergangenen Mittwoch ein 36
Jahre alter Mann gestorben, der zuvor im Kreis Kleve mit Astrazeneca
geimpft worden war. Er war mehrere Tage nach der Impfung ins
Uniklinikum Essen gebracht worden. Dort sei er «an den Folgen
thromboembolischer Komplikationen» gestorben, erklärte die Klinik.
Ein Zusammenhang zur vorausgegangenen Impfung mit Astrazeneca sei
möglich. Die Untersuchung des Todesfalls laufe.

In Deutschland sind laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bislang 31 Fälle
einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem Impfstoff von
Astrazeneca bekannt. In neun Fällen war der Ausgang tödlich, wie das
für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Institut berichtete.

Die Leiter von fünf der sechs Uni-Kliniken in NRW hatten zuvor in
einem gemeinsamen Brief an den Bundes- und Landesgesundheitsminister
auf einen vorläufigen Stopp der Impfungen für jüngere Frauen
gedrungen. Das Risiko von weiteren Todesfällen sei zu hoch, heißt es
in dem zweiseitigen Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur
vorliegt. Die Experten stellen in dem Schreiben die Todesfälle durch
Covid-19 bei 20- bis 29-jährigen Frauen den potenziell
lebensbedrohlichen Impfkomplikationen in derselben Altersgruppe
gegenüber.

«Zusammenfassend muss man feststellen, dass am Beispiel der Gruppe
der 20- bis 29-jährigen Frauen nach jetzigem Erkenntnisstand ein
äußerst ungünstiges Nutzen/Risiko-Profil für den Einsatz des
Astrazeneca-Impfstoffes vorliegt», so die Uniklinik-Chefs. Es bestehe
daher «dringender Bedarf», eine neue Impfempfehlung abzuleiten.

Deutschland - und zahlreiche andere Staaten - hatten die Impfung mit
dem Astrazeneca-Stoff im März vorübergehend ausgesetzt, weil mehrere
Fälle mit Thrombosen (Blutgerinnseln) in den Hirnvenen in zeitlichem
Zusammenhang zur Impfung gemeldet wurden. Mittlerweile wird der
Impfstoff wieder verabreicht. Die Europäische Arzneimittel-Agentur
Ema hatte die Sicherheit des Vakzins bekräftigt, auch die Ständige
Impfkommission in Deutschland hatte sich für eine weiteren Einsatz
den Mittels ausgesprochen.