Sachsen-Anhalt will mit Modell-Öffnungen die Infektionen senken

Sachsen-Anhalts Landesregierung hält trotz der hohen Infektionswerte
an den versuchsweisen Öffnungen fest - und erklärt, was sie sich
davon verspricht. Lehrer und Schüler müssen sich derweil auf
vermehrte Tests einstellen.

Magdeburg (dpa/sa) - Die schwarz-rot-grüne Landesregierung will trotz
der hohen Corona-Zahlen im Land Öffnungen im Rahmen von
Modellprojekten zulassen. Das stehe dem Kampf gegen die Pandemie
nicht im Wege. «Modellprojekte sind keine Öffnungsprojekte», sagte
Haseloff am Dienstag nach einer Sitzung des Landeskabinetts. «Es sind
risikominimierende Projekte.» Die Landesregierung wolle damit
Bereiche, die «in die Illegalität oder Unkontrollierbarkeit» geraten

seien, «reinholen in die Transparenz». Von den versuchsweisen
Öffnungen verspricht sich die Landesregierung Erkenntnisse über die
Effizienz verschiedener Hygienekonzepte und der Nachverfolgbarkeit
von Kontakten.

Es nütze nichts, noch weitere Verschärfungen zu fordern. «Wir haben
den Lockdown», sagte Haseloff. Aber die Maßnahmen müssten auch
punktgenau greifen. Es nütze nichts, Andeutungen zu machen oder
Maßnahmen «anzutäuschen», sagte der Ministerpräsident. «Wir bra
uchen
Wirkungstreffer.»

Mit der seit Montag gültigen elften Corona-Landesverordnung können
Landkreise unter bestimmten Bedingungen in den Bereichen Handel,
Gastwirtschaft und Beherbergung Öffnungen im Rahmen von
Modellprojekten zulassen. Unter anderem der Harz will davon Gebrauch
machen. Am Dienstag stellte Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Wünsch
die Bedingungen für einen Antrag vor. Er vertrat Wirtschaftsminister
Armin Willingmann (SPD), der wegen einer Warnung der Corona-App nach
der vergangenen Bundesratssitzung in Quarantäne ist.

Die Modellöffnungen sind demnach nur möglich, wenn die
Sieben-Tage-Inzidenz unter 200 liegt. Übersteigt sie den Wert an fünf
Tagen nacheinander, will das Land die Genehmigung für die Projekte
zurückziehen. Die Gesundheitsämter müssen die Lage und den
Hygieneplan der Antragsteller außerdem absegnen, bevor er eingereicht
wird. Bedingung ist weiterhin die elektronische Nachverfolgbarkeit
der Kontakte. Dazu stellt die Landesregierung in den kommenden Wochen
kostenlos die Luca-App zur Verfügung, wie Gesundheitsministerin Petra
Grimm-Benne (SPD) am Dienstag ankündigte.

Mit der App können Gäste anonym in Restaurants oder anderen Zielen
einchecken. Tritt dort eine Infektion auf, soll das Gesundheitsamt
die Kontakte schneller und sicherer nachverfolgen können, als etwa
mit ausliegenden Listen.

Willingmann begrüßte in einer Mitteilung die Öffnungen, mahnte aber
zur Vorsicht. «Angesichts der steigenden Infektionszahlen auch in
Sachsen-Anhalt bin ich hinsichtlich des Starts erster Modellprojekte
unmittelbar nach Ostern jedoch skeptisch», teilte Willingmann mit.
«Nach wie vor besteht unser oberstes Ziel in der Pandemie darin, das
Gesundheitssystem nicht zu überlasten.» Die Beurteilung der
Gesundheitsämter sei daher von erheblicher Bedeutung.

Unterdessen ist die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle im Land nach
Angaben des Sozialministeriums binnen eines Tages um 398 - im
Vergleich zum Montag - gestiegen. Damit liege die Zahl der
bestätigten Corona-Infektionen in Sachsen-Anhalt bei 72 595 (Stand:
30. März, 13:44 Uhr). Derzeit sind den Angaben nach 95 Intensiv- und
Beatmungsbetten mit Covid-19-Patienten belegt, davon müssen 47
Menschen beatmet werden. Acht weitere Menschen sind an oder mit dem
Coronavirus gestorben, insgesamt seit Ausbruch der Pandemie 2735. Die
Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in den vergangenen
sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Dienstag nach Angaben des
Landes bei 172,73 nach 173,6 am Montag.

Neben den Modellversuchen beriet das Kabinett am Dienstag auch das
weitere Vorgehen in Sachen Schule, Impfen und Testen.
Bildungsminister Marco Tullner (CDU) kündigte eine Testpflicht an
Schulen ab dem 12. April an. Schüler und Lehrer sollen sich dann zwei
mal wöchentlich testen lassen, oder das Schulgelände nicht mehr
betreten dürfen. Die Tests stellt das Land bereit. Schließungen seien
zunächst kein Thema in Sachsen-Anhalt: «Das klare Signal heißt
erstmal: Die Schulen bleiben geöffnet.»

Haseloff sprach sich darüber hinaus für eine Testpflicht auch in
Unternehmen aus. Er sei froh, dass der Burgenlandkreis eine solche
für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern schon durchgesetzt hat,
ohne erst auf den Bund zu warten. Der könne etwa im Arbeitsschutz
viel mehr regeln, als er es bisher tue. «Wenn der Bund alle Optionen,
die er hat, ziehen würde, hätten wir keine Diskussion», sagte der
Chef der Magdeburger Kenia-Koalition. «Ich hab der Kanzlerin Mut
gemacht, das, was sie schon kann, offensiv zu machen.»

Am Abend beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern,
dass der Impfstoff von Astrazeneca ab diesem Mittwoch in der Regel
nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden solle. Unter
60-Jährige sollen sich «nach ärztlichem Ermessen und bei
individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung» weiterhin
damit impfen lassen können. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln
(Thrombosen) in Hirnvenen. Unter anderem Berlin und Brandenburg
hatten die Nutzung am Dienstag schon davor wegen neuerlicher Bedenken
zur Sicherheit auf über 60-Jährige beschränkt.

Grimm-Benne hatte zuvor erklärt, Sachsen-Anhalt werde zunächst
abwarten, ob die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Empfehlungen
bei einer Runde der Gesundheitsminister der Länder am Abend ändere.
Bis dahin sollte es kein landesweites Moratorium geben.

Die Stiko empfiehlt eine Corona-Impfung mit Astrazeneca nur noch für
Menschen über 60 Jahren, wie die Expertengruppe am Dienstagabend
mitteilte. Zur Zweitimpfung von Menschen, die bereits die erste Dosis
Astrazeneca erhalten haben, will die Stiko bis Ende April eine
Empfehlung abgeben.