) Länder kontern Merkel-Kritik: Keine Corona-Planänderung

Die Kanzlerin hat es klar und deutlich gesagt: Die Länder sollen ihre
Lockdown-Versprechen halten und konsequenter die Notbremse ziehen.
Doch die kritisierten Ministerpräsidenten sehen erst einmal keinen
Grund zum Handeln.

Berlin (dpa) - Trotz der deutlichen Kritik von Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) am Corona-Krisenmanagement mehrerer Bundesländer sehen
diese keinen Grund für Planänderungen. «Jeder will, dass die
Infektionszahlen runtergehen, und jeder hat für sein Land
entsprechende Maßnahmen gemacht», sagte NRW-Ministerpräsident Armin
Laschet am Montag in Berlin. Der CDU-Chef räumte allerdings ein,
diese Maßnahmen seien «sehr unterschiedlich». Der Ministerpräsident

des Saarlands, Tobias Hans (CDU), kündigte an, an seinem
Modellprojekt für Lockerungen durch massenhaftes Testen festzuhalten.

Merkel hatte am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Anne Will» starken
Druck auf die Länder ausgeübt, um diese zur Umsetzung der Notbremse
und schärferer Maßnahmen gegen die dritte Infektionswelle zu bewegen.
Modellprojekten mit Öffnungen erteilte sie eine klare Absage - und
deutete an, notfalls könne der Bund tätig werden, wenn die Länder
nicht handelten.

Eine Möglichkeit sind laut Merkel präzisere Vorgaben im
Infektionsschutzgesetz. Diese müssten allerdings Bundestag und
Bundesrat beschließen. Bislang ist die nächste Sitzung des Bundestags
für Mitte April geplant. In derselben Woche wollen die Länderchefs
erneut mit Merkel über die Pandemie beraten - nach Vorstellung von
Laschet in kleiner Runde und im Kanzleramt statt online. Derzeit gebe
es keine Pläne, die Beratungen vorzuziehen, sagte Regierungssprecher
Steffen Seibert. Stattdessen sei es jetzt nötig, dass die Länder das
Versprochene auch umsetzten.

Bund und Länder hatten vereinbart, dass bereits umgesetzte
Lockerungen der Corona-Regeln wieder zurückgenommen werden, wenn die
Sieben-Tage-Inzidenz in einem Land oder einer Region drei Tage lang
bei mehr als 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche
liegt. Das betrifft Öffnungen des Einzelhandels, von Museen, Zoos
oder Sportanlagen. Die Länder hatten diese «Notbremse» jedoch
unterschiedlich konsequent umgesetzt.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins
Regierungschef Michael Müller (SPD), wies Merkels Kritik zurück. «Ich

glaube nicht, dass es klug ist, aus dem Kanzleramt heraus jetzt ein
Länder-Bashing zu betreiben, denn wir haben alle gemeinsam eine große
Aufgabe zu bewältigen und haben auch schon viel gemeinsam erreicht»,
sagte er in der «Tagesschau». Merkel hatte das Berliner Konzept zu
Einkaufsmöglichkeiten unter Vorlage eines negativen Corona-Tests und
schärferer Maskenpflicht konkret kritisiert.

Hans betonte, auch im Saarland würden Testauflagen an die Stelle von
Beschränkungen gesetzt. Damit bringe man die Menschen dazu, im Freien
getestet zusammenzukommen statt im Verborgenen ohne Tests und
Maßnahmen. «Wir werden diese Strategie weiterverfolgen», kündigte e
r
an. Zugleich setze er weiter darauf, dass die Länder zusammen mit der
Bundesregierung Entscheidungen treffen.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann verteidigte
ebenfalls geplante Öffnungen in rund 25 Modellkommunen. «Ich
befürchte, wir werden mit einem gewissen Infektionsgeschehen in
Deutschland leben müssen. Deshalb sind solche Modellversuche, wie ich
finde, nicht unvorsichtig oder gar leichtsinnig», sagte der
CDU-Politiker dem Radiosender NDR Info. Niedersachsen will Öffnungen
von Geschäften, Außengastronomie, Theatern, Kinos und Fitnessstudios
an Schnelltests koppeln. Voraussetzung ist eine stabile
Sieben-Tage-Inzidenz von nicht über 200.

Andere Länder deuteten an, den härteren Kurs von Merkel mitgehen zu
wollen. So sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in den
ARD-«Tagesthemen», er könne sich mehr Kompetenzen in Bundeshand
vorstellen, die die Länder zu klaren Regeln zwängen. Thüringens
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte den Bund zum Handeln
auf. «Man kann es im Infektionsschutzgesetz festlegen - ist mir auch
recht - Hauptsache, es ist ein einheitlicher Rahmen», sagte er der
dpa. Es gehe darum, endlich etwas zu tun statt zu reden.

Im Bundestag kamen Merkels Pläne unterschiedlich gut an. Die Grünen
betonten, für eine Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes könne
Merkel auf sie zählen. Parteichefin Annalena Baerbock forderte
strengere Test-Vorgaben für Arbeitgeber und eine bundesweite
Anwendung der Notbremse. FDP-Chef Christian Lindner forderte Merkel
auf, mögliche Pläne für eine Gesetzesverschärfung zu konkretisieren
.
Flächendeckende nächtliche Ausgangssperren lehnte er genau wie die
Linke klar ab.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der Union vor, der Bekämpfung
der Corona-Pandemie im Weg zu stehen. «CDU und CSU wirken komplett
kopf- und führungslos», sagte er. Kanzlerin Merkel habe Laschet mit
ihrer Kritik in einer sehr kritischen Phase der Pandemie öffentlich
angezählt. «Wir haben in diesem Land gerade keine Zeit für das Chaos

in der Union», betonte Klingbeil.

Laschet dagegen kritisierte, die SPD versuche die Pandemie
parteipolitisch zu nutzen. «Und es hilft uns auch nicht weiter, wenn
Bund und Länder sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Und es
hilft erst recht nicht weiter, wenn Ministerpräsidenten über andere
Länder und über andere Kolleginnen und Kollegen urteilen. Es darf
nicht zum allgemeinen Ton werden, anderen Ministerpräsidenten ihre
Infektionszahlen oder gar Todeszahlen vorzuhalten», betonte er.