Diskussion um härtere Corona-Maßnahmen und neue Bund-Länder-Runde

Der politische Aufwand war gewaltig, das Ergebnis der jüngsten
Bund-Länder-Besprechungen überschaubar. Die Corona-Zahlen jedenfalls
klettern weiter rasant. Was nun?

Berlin (dpa) - Angesichts immer schneller steigender
Corona-Infektionszahlen ist eine Debatte über eine mögliche
vorgezogene Bund-Länder-Runde und einen härteren Lockdown entbrannt.
Bayerns Regierungschef Markus Söder erteilte solchen Überlegungen am
Sonntag eine Absage: «Es braucht nicht ständig neue Gespräche,
sondern die konsequente Umsetzung der Notbremse», betonte der
CSU-Chef in der «Augsburger Allgemeinen» (Montag). Dazu gehörten bei

Inzidenzen über 100 auch Ausgangsbeschränkungen.

Auch der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Dietmar
Bartsch, lehnt ein Vorziehen der für den 12. April geplanten
Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
ab. «Eine erneute MPK klingt für viele Menschen inzwischen wie eine
Bedrohung», sagte Bartsch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. In
Richtung Bundesregierung kritisierte er: «(...) bei Themen wie der
Zulassung und Vorbestellung von Sputnik-V oder dem Impfen durch
Hausärzte wird kostbare Zeit vertrödelt.»

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)
hingegen stellte für Anfang der Woche weitere Gespräche zwischen Bund
und Ländern über einen harten Lockdown in Aussicht, allerdings nicht
unbedingt im großen Format. «Wir müssen das auch mit anderen Länder
n
vorbesprechen, mit dem Bundeskanzleramt. Wir sehen halt, die Zahlen
rasen förmlich hoch», sagte Kretschmann am Samstagabend in Stuttgart.
Bei den Gesprächen am Montag und Dienstag müsse man «zu Klarheit
kommen». Ob die nächste Konferenz der Ministerpräsidenten, die im
April geplant ist, vorgezogen werden muss, sagte der Grüne nicht.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte einen raschen neuen
Corona-Gipfel gefordert. «Wir müssen rasch nochmal neu verhandeln»,
sagte er dem «Tagesspiegel» (Samstag). «Ohne einen scharfen Lockdown

wird es nicht gehen», betonte er und verteidigte seine Forderung nach
bundesweiten Ausgangssperren. «Ausgangsbeschränkungen ab 20 Uhr für
zwei Wochen würden wirken - wir haben es in Frankreich,
Großbritannien und Portugal gesehen.» Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) sagte am Samstag: «Wenn wir die Zahlen nehmen, auch die
Entwicklungen heute, brauchen wir eigentlich noch mal 10, 14 Tage
mindestens richtiges Runterfahren unserer Kontakte, unserer
Mobilität.»

Währenddessen steigt die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland weiter.
Zuletzt lag der Wert der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner
binnen einer Woche laut Robert Koch-Institut (RKI) bei 129,7, wie aus
Zahlen vom Sonntagmorgen hervorgeht. Damit ist der Wert ähnlich hoch
wie seit dem 19. Januar (131,5) nicht mehr. Die Daten geben den Stand
des RKI-Dashboards von 7.35 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder
Ergänzungen des RKI sind möglich. Am Samstag hatte das RKI die
Inzidenz noch mit 124,9 angegeben, am Freitag mit 119,1. Der Wert ist
eine wichtige Kennzahl zum Pandemieverlauf.

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI innerhalb eines
Tages 17 176 Fälle, tags zuvor waren es 20 472 neue
Corona-Infektionen. Innerhalb von 24 Stunden wurden zuletzt 90
Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche wurden 13 733
Neuinfektionen und 99 Todesfälle innerhalb eines Tages gemeldet.
Sonntags sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger,
unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird.

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sprach sich ebenfalls für ein
härteres Vorgehen aus. «Wenn jetzt parallel zum Impfen die
Infektionszahlen wieder rasant steigen, wächst die Gefahr, dass die
nächste Virus-Mutation immun wird gegen den Impfstoff», sagte er der
«Bild am Sonntag». Im Falle einer solchen Mutation «stünden wir
wieder mit leeren Händen da», so Braun weiter. Dann bräuchte es neue

Impfstoffe. Er forderte unter anderem regionale
Ausgangsbeschränkungen.

Das Land Berlin will in der Corona-Pandemie aber einen neuen Weg
einschlagen, um trotz wieder steigender Infektionszahlen aus dem
Kreislauf aus Öffnen und Schließen herauszukommen. Deshalb bleiben
einerseits vorsichtige Lockerungen etwa in Handel und Kultur
bestehen, werden aber durch neue und verschärfte Regeln vor allem im
Hinblick auf das Testen ergänzt. Die sogenannte Notbremse kommt damit
nicht in der Form zum Tragen, wie sie Bund und Länder beschlossen
hatten. In Mecklenburg-Vorpommern wurden die Corona-Maßnahmen jedoch
teilweise verschärft. In Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von
mehr als 100 sind künftig nächtliche Ausgangsbeschränkungen möglich
.

Baden-Württemberg lockert die Regeln für private Zusammenkünfte in
Gebieten mit hohen Infektionszahlen. Treffen von zwei Haushalten mit
bis zu fünf Personen sind von diesem Montag an auch in Gegenden mit
mehr als 100 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner pro Woche erlaubt.
Kinder zählen nicht mit. Eigentlich sieht die sogenannte Notbremse
vor, dass sich in Hotspot-Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von
über 100 nur ein Haushalt mit einer zusätzlichen Person treffen darf.
Zuletzt hatte es geheißen, die Lockerung sei eine Sonderregelung für
die Osterfeiertage.

Künftig sollen für die Verhängung von Corona-Schutzmaßnahmen neben

dem Sieben-Tage-Inzidenzwert auch die Zahl der Geimpften und der
R-Wert berücksichtigt werden müssen. Der R-Wert gibt an, wie viele
weitere Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt. Eine
entsprechende Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes beschloss der
Bundestag bereits Anfang des Monats, am Freitag billigte dies auch
der Bundesrat.