Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Darmstadt

Beamte, Demonstranten und Journalisten wurden beschimpft, die Polizei
kritisiert. Vergangenes Wochenende hielten sich bei Protesten von
Tausenden Corona-Gegnern in Kassel viele nicht an die Auflagen. Die
Bilder sollen sich heute in Darmstadt nicht wiederholen.

Darmstadt (dpa/lhe) - Gut eine Woche nach der Demonstration von
Tausenden Menschen in Kassel gegen die Corona-Maßnahmen will die
Querdenken-Bewegung an diesem Sonntag in Darmstadt protestieren. Für
den Protest am Merck-Stadion (13.30 Uhr) sind laut Polizei 1500
Teilnehmer genehmigt. Die Organisation Querdenken 615 wollte zunächst
direkt in der Innenstadt in unmittelbarer Nähe des Impfzentrums
protestieren. Dies verbot die Stadt und verlegte die Kundgebung in
den im Südosten der Stadt. Für die Innenstadt sind parallel vier
Gegenproteste mit Hunderten Teilnehmern angemeldet. Nach den Bildern
aus Kassel mit teils gewalttätigen Auseinandersetzungen wird
voraussichtlich in Darmstadt ein starkes Polizeiaufgebot vor Ort
sein.

In Kassel hatten mehr als 20 000 Menschen demonstriert - erlaubt
waren nur 6000. Viele Teilnehmer hielten sich nicht an Auflagen wie
das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Insgesamt gab es mehrere
Kundgebungen, auch von Gegendemonstranten. Kritiker hatten der
Polizei ein zu zurückhaltendes Auftreten bei der Demo der
Corona-Maßnahmen-Gegner vorgeworfen.

Innenminister Peter Beuth (CDU) verteidigte in der vergangenen Woche
im Innenausschuss des Landtages den Einsatz. Es wäre «nicht
verhältnismäßig» gewesen, etwa Schlagstöcke oder Wasserwerfer geg
en
Demonstranten einzusetzen, nur weil keine Masken getragen worden
sind, hatte er gesagt.

Ein generelles Verbot der Demonstration in Darmstadt war der Stadt
zufolge nach rechtlicher Prüfung nicht möglich. Oberbürgermeister
Jochen Partsch (Grüne) kündigte jedoch an, dass es Kontrollen geben
werde, auch um die erteilte Maskenpflicht zu überwachen. In Hanau
geplante Proteste wurden der Stadt zufolge abgesagt.

Bei solchen Protesten gegen Corona-Maßnahmen wird die Polizei immer
mit einem massiven Kräfteaufgebot arbeiten. «Das wird eine
Daueraufgabe für uns werden», sagte Hessens Vize-Chef der
Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jens Mohrherr, der Deutschen
Presse-Agentur. Menschen, die gegen die staatlichen Maßnahmen seien,
würden immer wieder in solche Aktionen einsickern und versuchen, sich
ein Gesicht zu verschaffen. Die Belastung der hessischen Polizei mit
allen Einsätzen im vergangenen Jahr sei aber immens. Stand Ende
Januar seien 3,2 Millionen Überstunden aufgelaufen.

Nach Einschätzung von Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums
Hessen an der Uni Marburg, gehören zu den demonstrierenden Kritikern
der Corona-Maßnahmen unterschiedliche Gruppen oder Kreise. «Ich würde

grundsätzlich auch mit Blick auf Kassel sagen, dass es eine
heterogene Gruppe ist. Dass es auch wenig hilfreich ist, eine solch
heterogene Gruppe jetzt gleich zu homogenisieren und zum Beispiel zu
sagen: Das sind alles Verschwörungsideologen oder Alu-Hüte oder sonst
etwas. Wobei diese dort natürlich auch auftauchen.»

Aus der Sozial- oder Politikwissenschaft wisse man zur Entstehung
neuer sozialer Bewegungen: «Es gibt große Themen, die die Menschen
bewegen - und das ist im Moment ja wirklich die Pandemie. Und es gibt
Menschen, die Einwände haben und dann zusammenkommen. Das heißt: Das
große Leitthema bindet sehr heterogene Gruppen. Und wo sie sich dann
hin entwickeln, das bleibt abzuwarten.» Ob sich eine solche Gruppe
oder Teile der Gruppe mit einer neuen politischen Agenda sozusagen
radikalisiere oder auch nicht - das müsse man beobachten.

Besorgniserregend sei gleichzeitig, dass die Hemmschwelle,
beispielsweise antisemitische Symbole zu verwenden, «sehr gesunken
ist oder dass auch in diesen Kreisen unverhohlen die Systemfrage
gestellt wird».