Eintritt nur mit Test - NRW erlaubt Ausnahmen von Corona-Notbremse

Nordrhein-Westfalen zieht infolge der dritten Corona-Welle wieder die
Zügel an. Aber die vereinbarte Notbremse wird sogleich wieder
gelockert. Im verschärften Lockdown gibt es diesmal Ausnahmen - und
zwar für Menschen mit negativem Test.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Nordrhein-Westfalen wird trotz rasant
steigender Corona-Zahlen ab Montag die Notbremse nur in Kommunen mit
besonders hohem Infektionsgeschehen ziehen. Zugleich dürfen die
betroffenen Kreise und kreisfreien Städte aber Ausnahmen für Menschen
mit tagesaktuellem negativem Schnelltest erlauben. Das kündigte
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Freitag an.

Die betroffenen Kommunen mit einer Wocheninzidenz über 100 haben die
Wahl: Entweder sie schließen gemäß der vereinbarten Notbremse unter
anderem Läden, Sportstätten und Kultureinrichtungen wieder. Oder sie
erlauben Personen mit negativem Testergebnis unter Auflagen den
Zutritt. Der Corona-Test muss von einer zugelassenen Teststelle
schriftlich oder digital bestätigt sein und mitgeführt werden.
Außerdem weicht das Land zu Ostern die Kontaktbeschränkungen auf.

Konkret geht es um 31 Kreise und kreisfreie Städte, wie die
Landesregierung aufzählte - etwa Köln, Dortmund, die Städteregion
Aachen, den Kreis Mettmann und den Kreis Siegen-Wittgenstein. Für sie
sei von Montag an die Corona-Notbremse angeordnet worden.

Laumann zeigte sich zuversichtlich, dass die betroffenen Kommunen
großes Interesse an einem Öffnungskonzept auf Grundlage von Tests
haben werden. Bund und Länder hatten erst am Montag beschlossen, dass
die vereinbarte «Notbremse» konsequent umgesetzt werden müsse, um dem

Infektionsgeschehen Einhalt zu gebieten. Das bedeutet, dass Öffnungen
des Einzelhandels, von Museen, Zoos oder Sportanlagen wieder
rückgängig gemacht werden müssen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in
einem Bundesland oder einer Region an drei aufeinanderfolgenden Tagen
auf über 100 steigt.

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte mehrfach
angekündigt, dass in NRW die Corona-Notbremse «eins zu eins»
umgesetzt werde. «Das ganze Land wird hier als Maßstab genommen»,
hatte er noch vor wenigen Tagen gesagt und damit den Eindruck
erweckt, dass es eine landesweite Notbremse geben werde. Laschet
hatte nach der viel kritisierten Marathon-Bund-Länderrunde vom
Wochenanfang aber auch gesagt, dass im Kampf gegen Corona ein neues
Kapitel aufgeschlagen werden müsse. Das «reine Schließen» sei an
seine Grenzen gekommen.

NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty kritisierte die Aufweichung der
Corona-Notbremse. Nun rudere Laschet wieder zurück. Er bezweifele,
dass das kurzfristige Manöver der Landesregierung in den
Hotspot-Kommunen umsetzbar sei. «Im Ergebnis kann das bedeuten:
mangelnder Gesundheitsschutz auf der einen und fehlendes
Öffnungskonzept auf der anderen Seite.» Grünen-Fraktionschefin Verena

Schäffer sagte: «Es ist absolut unverständlich und ein fatales
Signal, dass trotz stark steigender Zahlen der Corona-Neuinfektionen
die Regierung Laschet die Notbremse landesweit nicht ziehen wird.»
Das «Kommunikationschaos ist damit wieder mal perfekt.»

In NRW liegt die Wocheninzidenz schon seit mehreren Tagen über 100.
Bis Freitag stieg sie nach Zahlen Landeszentrums Gesundheit (LZG) auf
121,6. Mehr als 30 Kommunen lagen über dem Wert 100 und fünf Kreise
und kreisfreie Städte sogar über 200. Nur etwa 16 Kommunen bewegten
sich teils äußerst knapp unter der Inzidenz von 100. Die niedrigsten
Inzidenzen wurden in Höxter (58,5) und Münster (59,6) registriert.

Auch in Hochinzidenz-Gebieten über 200 sei die Test-Option möglich,
sagte Laumann. Es gebe inzwischen fast 5000 zugelassene Testzentren
in NRW. Den Menschen solle auch «ein praktischer Anreiz» gegeben
werden, sich testen zu lassen. Damit könnten auch unerkannte
Corona-Infizierte frühzeitig rausgefiltert werden. «Wir müssen noch
lange mit dem Virus leben», sagte Laumann.

ÖFFNUNGEN BEI TEST-OPTION: Mit einem negativen Test könnten die
Menschen in den betroffenen Kommunen wieder mit Termin in den
Baumarkt, in Geschäfte oder mit den Kindern in den Zoo gehen. Erlaubt
sind auch Zutritt von Bibliotheken, Museen, Ausstellungen,
Gedenkstätten so wie auch körpernahe Dienstleistungen wie
Gesichtskosmetik. Auflagen wie Desinfektion, Abstand und
Maskenpflicht bleiben aber weiter bestehen. Die neue
Corona-Schutzverordnung gilt von Montag bis 18. April.

FRISEURE: Friseure und medizinische Fußpflege fallen nicht unter die
Corona-Notbremse. Sie bleiben weiter geöffnet. Ein negativer Test ist
Laumann zufolge in Kommunen mit einer Inzidenz über 100 nicht nötig.

GASTRONOMIE: Die Gastronomie bleibt geschlossen. Die Test-Option
erstreckt sich laut Laumann nicht auf die Gastronomie. Das gebe die
Corona-Schutzverordnung nicht her. Er verwies auf weitergehende
Öffnungskonzepte, die im Rahmen der geplanten Modellregionen möglich
seien.

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Über das Osterwochenende werden die
Kontaktbeschränkungen auch in Regionen mit hoher Corona-Inzidenz
gelockert. Von Gründonnerstag bis Ostermontag (1. bis 5. April)
dürfen sich landesweit unabhängig vom örtlichen Infektionsgeschehen
fünf Personen aus zwei Haushalten treffen, heißt es in der
Corona-Schutzverordnung. Kinder bis 14 Jahren werden nicht
mitgerechnet. Außer an Ostern gilt aber in Kommunen mit einer
Inzidenz über 100, dass sich Menschen aus einem Hausstand nur mit
einer weiteren Person im öffentlichen Raum treffen dürfen.

VOLKSFESTE: Große Festveranstaltungen wie Volksfeste oder
Schützenfeste sind in NRW noch bis mindestens 31. Mai verboten. Die
Konkretisierung schafft Planungssicherheit für viele Vereine, die
sonst im Frühjahr ihre Schützenfeste abgehalten hätten.

SONNENSTUDIOS: Ab dem 29. März ist der Betrieb von Sonnenstudios in
NRW wieder erlaubt. Wie bei anderen körpernahen Dienstleistungen
müssen allerdings die Vorgaben der Notbremse beachtet werden. Laumann
begründete die Änderung mit entsprechenden Gerichtsurteilen.

SCHWIMMUNTERRICHT: NRW lässt Schwimmunterricht für Kinder unter
Auflagen wieder zu. Ab Montag dürfen Kurse für Schwimm-Anfänger und
Kleinkinder wieder stattfinden - allerdings mit höchstens fünf
Kindern pro Gruppe.

MODELLREGIONEN: NRW will gemäß Bund-Länder-Beschluss in etwa einem
halben Dutzend Modellregionen weitergehende Öffnungen mit strengem
Schutz- und Testkonzept erproben. Laumann dementierte einen
Medienbericht, wonach das Land die Regionen bereits ausgewählt habe.
Die SPD im Landtag lehnte die Pläne für Modellkommunen ab und
plädiert stattdessen für einen landesweiten «Test-Roll-out». Eine
flächendeckende Test-Infrastruktur sei der beste Weg aus dem
Lockdown, erklärte Fraktionschef Thomas Kutschaty. Die Grünen
forderten eine wissenschaftliche Begleitung der Modellprojekte.

REAKTIONEN: Der Handel reagierte erleichtert. «Wir sind zunächst
froh, dass man unserer Anregung gefolgt ist und als Maßstab das
regionale Infektionsgeschehen anstelle eines Landesdurchschnitts
Verwendung findet», erklärte der Hauptgeschäftsführer des
Handelsverbandes NRW, Peter Achten.