RKI-Chef: Lockdown ist «Werkzeug» im Kampf gegen dritte Welle

Aus Sicht des RKI-Chefs ist der Lockdown das zentrale Mittel, um den
starken Anstieg der Corona-Zahlen zu stoppen. Ein Bundesland will
nach Ostern zumindest zum Teil einen anderen Weg einschlagen.

Berlin (dpa) - Der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, hat
die zentrale Bedeutung des Lockdowns im Kampf gegen die steigenden
Corona-Zahlen betont. «Wir können diesen Anstieg nicht stoppen, es
sei denn mit einem neuen Lockdown für das Land», sagte Wieler am
Mittwochabend (deutscher Zeit) in einer Online-Veranstaltung der
deutschen Botschaft in Washington. Andere «Werkzeuge» zur Eindämmung

der dritten Welle stünden derzeit nicht zur Verfügung.

Das RKI gehe davon aus, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung gegen
das Virus immun sein müssten, um eine neue Welle zu stoppen. «Bis das
erreicht ist, werden wir nicht sicher sein», sagte Wieler. Bis die
Impfkampagne so weit fortgeschritten sei, müssten die bekannten
Vorsichtsmaßnahmen wie das Tragen von Masken und das Begrenzen von
Kontakten weiter befolgt werden.

Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt forderte hingegen, bei
der Bekämpfung der Corona-Pandemie vermehrt auch andere Möglichkeiten
als den Lockdown in den Blick zu nehmen. «Der monatelange
Jo-Jo-Dauerlockdown zermürbt die Menschen. Er darf nicht unsere
einzige Antwort auf die dritte Corona-Welle sein», sagte Reinhardt
dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag).

«Es gibt vielversprechende Ansätze, die sogar in Teilen Schritte zur
Rückkehr in die gesellschaftliche Normalität ermöglichen.» Städte
wie
Tübingen oder Rostock zeigten, wie es gehe, sagte Reinhardt. «Sie
kombinieren kostenlose Schnelltests mit lokalen Lockerungen.» In
Bezug auf den damit verbundenen breiten Einsatz von Schnelltests
sagte er: «Zusammen mit einer schnellen Durchimpfung der Bevölkerung
- und dafür brauchen wir dringend mehr Impfstoff sowie eine
effektivere digitale Kontaktnachverfolgung - wäre das eine echte
Alternative zum Hin und Her der vergangenen Monate.»

Das Saarland plant in diese Richtung und will nach Ostern weite Teile
des öffentlichen Lebens wieder hochfahren. Das berichtete der
Nachrichtensender ntv am Mittwochabend. Ab dem 6. April sollen dann
unter anderem Kinos, Fitnessstudios und die Außengastronomie an der
Saar wieder aufsperren. Bedingung für Gäste und Nutzer seien negative
Corona-Schnelltests, die nicht älter als 24 Stunden sein dürfen.

Auch die Kontaktbeschränkungen werden demnach gelockert: So sollen
sich dann nach ntv-Informationen im Saarland wieder zehn Personen aus
mehreren Haushalten treffen dürfen. Für diesen Schritt aus dem
Lockdown soll das Saarland zur bundesweiten Modellregion erklärt
werden. Für den Donnerstagvormittag (9.00 Uhr) ist eine
Pressekonferenz mit Ministerpräsident Tobias Hans angesetzt.

Zur gleichen Zeit wird sich Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag in
einer Regierungserklärung erneut dem Parlament stellen. Auf Antrag
der FDP wird dabei auch ihre Corona-Politik wieder Thema sein. Merkel
hatte am Mittwoch überraschend die erst kurz zuvor beschlossene
Regelung zur Osterruhe gekippt und sich bei der Bevölkerung
entschuldigt. Auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) zeigte sich am
Mittwochabend in der ARD-Talksendung «maischberger. die woche»
selbstkritisch: «Ich hatte meinen Anteil daran. Deswegen schließe ich
mich auch der Entschuldigung an.»

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte dazu der «Rheinischen Post»:

Die Kanzlerin habe einen Fehler eingestanden. «Bei allem Respekt
darüber ist aber auch klar, dass solche Fehler nicht mehr passieren
dürfen.» Er fügte hinzu: «Das ist die gemeinsame Verantwortung, die

wir alle in der Politik tragen. Die Menschen in diesem Land erwarten
zurecht, dass wir uns nicht in Zuständigkeiten und Nachtsitzungen
verlieren, sondern die beiden entscheidenden Herausforderungen im
Kampf gegen die Pandemie umsetzen: Impfen und Testen.»

Mehrere Ministerpräsidenten sagten am Mittwoch, dass nicht Merkel
alleine schuld sei. Dabei wurde auch deutliche Kritik am Format der
Bund-Länder-Runden laut. Am Mittwochabend sagte Nordrhein-Westfalens
Ministerpräsident Armin Laschet im Live-Programm der «Bild», dass man

solch weitreichende Entscheidungen nicht in einer Nachtsitzung
treffen dürfe. «Das war ein Fehler.» Braun sagte in der ARD: «Wir

müssen in Zukunft diese Dinge anders vorbereiten.»

Die nächste Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Lage ist für den

12. April angesetzt.