Bundesregierung prüft Unterbindung von Urlaubsreisen ins Ausland Von Michael Fischer, Martina Herzog, Larissa Schwedes und Jan-Uwe Ronneburger, dpa
Der Urlaub auf Mallorca sorgt weiter für Ärger. Die Testpflicht für
Flugpassagiere reicht vielen als Reisebremse nicht aus - auch der
Kanzlerin nicht. Jetzt werden weitere Maßnahmen geprüft. Wie weit man
rechtlich gehen kann, ist aber unklar.
Berlin (dpa) - Angesichts der hitzigen Diskussion über Urlaub auf
Mallorca trotz Corona erwägt die Bundesregierung, Reisen in beliebte
Urlaubsgebiete im Ausland vorübergehend zu unterbinden. «Das wird
jetzt von den zuständigen Ressorts überprüft», sagte die
stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in
Berlin. Sie sagte aber nicht, welche Optionen es gibt.
Die SPD lehnte ein echtes Reiseverbot umgehend ab. «Ein generelles
Verbot von Reisen in beliebte Urlaubsgebiete im Ausland wird es mit
der SPD-Fraktion nicht geben», sagte der parlamentarische
Geschäftsführer Carsten Schneider der Deutschen Presse-Agentur.
«Generell Reisen ins Ausland zu verbieten, geht über sinnvolle
Schutzmaßnahmen hinaus, ist unverhältnismäßig und trägt zur weite
ren
Verunsicherung der Bevölkerung bei.»
Hintergrund der Diskussion ist der vorübergehende Buchungsboom für
Mallorca nach der Streichung der Lieblingsinsel der Deutschen von der
Liste der Corona-Risikogebiete am 14. März. Damit wurde auch die
Reisewarnung des Auswärtigen Amts aufgehoben. Der Schritt erfolgte,
weil die Zahl der Neuinfektionen dort unter 50 pro 100 000 Einwohner
innerhalb von sieben Tagen gesunken war. Damit ist der Urlaub auf
Mallorca wieder ohne Quarantäne und Testpflicht bei der Rückkehr
möglich.
Das führte zu einer Explosion der Buchungen bei den großen
Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften, die hunderte zusätzliche
Flüge für die Osterferien neu auflegten. Beim Bund-Länder-Treffen am
Montag wurde allerdings entschieden, dass künftig für alle
Flugpassagiere, die nach Deutschland einreisen, eine Testpflicht
eingeführt werden soll.
Das reicht einigen Ministerpräsidenten aber nicht aus - vor allem,
weil Urlaub im Inland in den Osterferien wegen geschlossener Hotels
und Campingplätze nicht möglich ist. Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder (CSU) sagte am Mittwoch in seiner Regierungserklärung, die
Testpflicht sei nur das «Minimum». «Und mir wäre es lieber, uns
würden noch ein paar andere Maßnahmen einfallen.» Es sei «einfach f
ür
die Menschen schwer verständlich und akzeptabel», dass man bei uns
kein Ferienhaus und keine Ferienwohnung buchen könne, umgekehrt aber
auf Mallorca großer Urlaub gemacht werden könne.
Ähnlich äußerte sich Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). «Es ist nicht
gut, dass jetzt in dieser Situation solche Urlaubsreisen
stattfinden», sagte der Finanzminister. Auch Bundeskanzlerin Angela
Merkel sieht das so. Es könne doch nicht sein, dass man nicht in der
Lage sei zu verhindern, dass Menschen nach Mallorca fliegen, aber in
Flensburg ein 15-Kilometer-Bewegungsradius durchgesetzt werden könne,
sagte sie am Mittwochvormittag bei ihren Beratungen mit den
Ministerpräsidenten.
Wie man es rechtlich sauber hinbekommen kann, dass niemand mehr nach
Mallorca fliegt, ist aber unklar.
DAS PROBLEM
Bisher raten Bund und Länder in ihren Beschlüssen zur Bekämpfung der
Corona-Pandemie von touristischen Reisen im In- und Ausland ab. Das
ist zwar nur eine Empfehlung. Für das Inland wurde aber schon eine
Lösung gefunden, das Reisen tatsächlich auch wirksam zu unterbinden:
Man hat den Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben einfach
verboten, Urlauber einzuquartieren. Da die Bundesregierung auf
Hotelöffnungen im Ausland keinen Einfluss hat, muss sie eine andere
Lösung finden.
LÖSUNGSANSATZ 1: QUARANTÄNE ALS REISEBREMSE
Eine Möglichkeit wäre, das Reisen für Urlaubswillige einfach
unattraktiv zu machen. Rückkehrer aus Corona-Risikogebieten müssen
für zehn Tage in Quarantäne, von der sie sich erst nach fünf Tagen
befreien können. Diese Regelung auf Einreisende aus dem Ausland
generell auszuweiten, hätte zumindest abschreckende Wirkung und würde
auch die Ansteckungsgefahr durch rückkehrende Urlauber verringern.
Allerdings ist die Einhaltung der Quarantäne schwer zu kontrollieren.
LÖSUNGSANSATZ 2: REISEVERBOT FÜR URLAUBER
Eine andere Möglichkeit ist, das Reisen zumindest teilweise zu
verbieten. Das geschieht zum Beispiel in den Herkunftsländern der
anderen beiden großen Mallorca-Urlaubergruppen: Spanien und
Großbritannien.
BEISPIEL ENGLAND
In England ist das Verbot von Auslandsreisen längst Realität - und
davon sind nicht nur klassische Urlaubsziele betroffen. Die Engländer
sollen sich derzeit nicht einmal aus ihrem eigenen Wohnviertel
bewegen, erst im April sollen Inlandsreisen unter bestimmten
Bedingungen wieder erlaubt sein. Das Land verlassen darf aktuell nur,
wer einen triftigen Grund dafür vorweisen kann. Zu diesen wenigen
Ausnahmen zählen notwendige Arbeitsreisen, Beerdigungen oder die
Heimreise von internationalen Schülern. Wer ohne das notwendige
Formular - auf dem dieser Grund nachzuweisen ist - am Flughafen,
Fährhafen oder Bahnhof erwischt wird, muss mit saftigen Geldstrafen
rechnen. Premierminister Boris Johnson will die strengen Maßnahmen
noch bis mindestens Mitte Mai aufrechterhalten. Johnson kann nur für
England Corona-Maßnahmen verhängen, in den anderen britischen
Landesteilen gelten jedoch sehr ähnliche Regeln.
BEISPIEL SPANIEN
In ganz Spanien darf man seine autonome Gemeinschaft - das entspricht
in etwa deutschen Bundesländern - nicht verlassen. Aus Katalonien auf
dem spanischen Festland darf man also nicht auf die Balearen, zu
denen Mallorca gehört. Die Polizei kontrolliert auf den Balearen alle
vom Festland Ankommenden, ob sie einen triftigen Grund für die Reise
vorweisen können. Falls nicht, werden sie umgehend zurückgeschickt.
Als hinreichende Gründe werden die Aufnahme von Arbeit, ein
Arztbesuch oder die Pflege von bedürftigen Angehörigen angesehen.
ZURÜCKHALTUNG IN DEUTSCHLAND
Auch im deutschen Recht gibt es zwar jetzt schon Vorkehrungen, um
eine Ausreise zu verbieten. So können die Behörden einen Pass oder
andere Reisepapiere versagen oder auch entziehen. Die Stoßrichtung
ist aber hier eine andere. Damit sollen zum Beispiel Drogenschmuggler
aufgehalten werden oder Menschen, die einen Terrorakt planen.
Selbst das in der Corona-Krise ergänzte Infektionsschutzgesetz sieht
die Möglichkeit zur Untersagung touristischer Reisen vor. Das Problem
bei Mallorca beispielsweise ist aber, dass die Infektionszahlen dort
niedrig sind, die Gefahr also eher in der Zukunft liegt. Ein
pauschales Reiseverbot - immerhin ein Grundrechtseingriff - wäre noch
schwerer zu rechtfertigen. Denn staatliche Eingriffe müssen immer
verhältnismäßig sein, mildere Mittel nicht ausreichen.
Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland herrscht im
Justizministerium deswegen auch große Zurückhaltung gegenüber einem
Verbot von Reisen. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sehe da
«sehr hohe Hürden» und sei deshalb mit Blick auf die Grundrechte
«sehr skeptisch», heiße es in Regierungskreisen.
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