Schrozberg im Visier des Virus - die Kleinstadt mit 1000er-Inzidenz Von Martin Oversohl und Marijan Murat , dpa
Bundesweit steigt die Inzidenz, in Baden-Württemberg ebenso. Die
dritte Welle türmt sich nach Ansicht von Experten auf. In Schrozberg
ist sie längst angekommen: Die kleine Gemeinde muss sich zur Wehr
setzen, nachdem die Zahl der Neuinfektionen geradezu explodiert ist.
Schrozberg (dpa/lsw) - Birgit Kammleiter kann nur noch staunend auf
die Zahlen schauen, die Tag für Tag auf dem Computer-Bildschirm ihrer
Apotheke auftauchen. Die Kurve, die im Diagramm die Corona-Belastung
ihrer kleinen Gemeinde Schrozberg im Hohenlohischen widerspiegelt,
kennt seit Tagen nur eine Richtung: nach oben. Und wie. Innerhalb von
nur einer Woche ist aus ihrer Kommune einer der bundesweiten
Corona-Hotspots geworden. Und die Spitze ist noch nicht erreicht.
Die sogenannte 7-Tage-Inzidenz verfünffachte sich in nur einer Woche
und erreichte am Mittwoch einen vergleichbar astronomischen Wert von
1065,5 Fällen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Insgesamt
wurden in diesem Zeitraum 62 Neuinfektionen mit der britischen
Mutation des Virus in der 5800 Einwohner-Kommune registriert, wie der
Landkreis mitteilte. Weitere Großausbrüche sind nach Angaben der
Schrozberger Verwaltung nicht bekannt. Aber es seien weitere
Infektionen bekannt, sagte Bürgermeisterin Jacqueline Förderer. «Es
kommen immer noch neue positive Fälle rein.» Es gebe aber bislang
keine schweren Krankheitsverläufe.
«Es verschärft sich von Tag zu Tag», sagte am Donnerstag auch Helmut
Hüttner, der Hauptamtsleiter Schrozbergs. «Das zieht schon noch
Kreise.» In den benachbarten Gemeinden und Städten sieht es zwar
deutlich besser aus, allerdings liegt die Zahl der Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner binnen sieben Tagen auch dort stark über dem
Landesdurchschnitt.
Der Landkreis Schwäbisch Hall bleibt damit das Sorgenkind im
Corona-Land Baden-Württemberg. Mit einer Inzidenz von 292,7 (Stand:
Donnerstag, 16.00 Uhr) zählt er zu den Hotspot-Regionen in
Deutschland. Um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, greift der
Kreis nun zu scharfen Maßnahmen. Ab Samstag soll im gesamten
Landkreis auch tagsüber eine Ausgangsbeschränkung gelten, wie Landrat
Gerhard Bauer am Donnerstagabend mitteilte. Damit sei das Verlassen
der Wohnung auch tagsüber nur noch mit triftigem Grund erlaubt.
Bislang galt bereits eine nächtliche Ausgangsbeschränkung, weil der
Kreis die Schwelle von 100 bei der Sieben-Tage-Inzidenz gerissen
hatte.
Ebenso hatte der Kreis bereits beschlossen, alle Kindertagesstätten
ab dem kommendem Montag und bis zum 2. April zu schließen. Rund 400
der Infektionen und Folgefälle gingen auf die dortigen Ausbrüche
zurück, sagte Landrat Gerhard Bauer. Für die Stadt Schrozberg kommt
zudem eine Maskenpflicht für das gesamte Stadtgebiet hinzu. Wer sich
ab Samstag in der Öffentlichkeit aufhält, muss demnach eine
medizinische Schutzmaske tragen.
Außerdem fährt seit Donnerstag ein Testbus durch den Kreis, in dem
erstmals kostenlose Antigen-Schnelltests für Schüler angeboten
werden. Zunächst sollte der Bus Crailsheim anfahren, am Freitag wird
er in Schrozberg erwartet. Außerdem gibt es eine verstärkte
Maskenpflicht in den Innenstädten unter anderem von Schwäbisch Hall
und Crailsheim; Geschäfte und Lokale sind geschlossen. Es sind zudem
besondere Regeln beim Einkaufen in Lebensmittelgeschäften
vorgeschrieben.
Auch in Schrozberg hatten sich zunächst reihenweise Erzieherinnen in
einem Kindergarten der Kommune mit der britischen Mutation des Virus
infiziert und krankgemeldet, danach legte die Inzidenz von Tag zu Tag
zu. Helfen soll unter anderem ein provisorisches Testzentrum, in dem
sich Einwohner Schrozbergs, aber auch Menschen aus den benachbarten
Gemeinden im Kreis Schwäbisch Hall seit der vergangenen Woche
untersuchen lassen können. «Die eine Hälfte meines Personals ist im
Laden, die andere in der Stadthalle», erzählt Apothekerin Kammleiter.
Sie hatte das kleine Zentrum mit viel Pragmatismus und Einsatz
initiiert. Die Kosten für die Tests rechnet sie über die
Kassenärztliche Vereinigung ab.
In acht Umkleidekabinen mit Sichtschutz werden seitdem Dutzende
Menschen am Tag getestet. «Das war dringend nötig», sagte Kammleiter
am Donnerstag. «Nach einem Jahr mit dem Virus sind alle müde zu
hören, dass sie Abstand halten und eine Maske tragen sollen. Es wurde
Zeit, dass wir hier etwas anbieten.» Allerdings kritisiert sie die
bürokratischen Hürden und Fallstricke: «Es ist zeitraubend. Wir haben
aber als Ärzte und Apotheker tagtäglich mit dem Thema zu tun, da
könnte man uns auch mehr zutrauen.»
Wenig hilfreich sei daher auch das jüngste Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs Mannheim zu den Quarantäneregeln für
Kontaktpersonen von Kontaktpersonen gewesen, sagte Hauptamtsleiter
Hüttner. Das Gericht hatte eine Regelung des Landes außer Vollzug
gesetzt, nach der Kontaktpersonen von Menschen, die mit einem mit
einer Virusvariation Infizierten in Berührung gekommen sind, sich
ebenfalls absondern müssen. «Das ist kontraproduktiv. So verlieren
wir den Überblick», sagte Hüttner der dpa.
Auch die Stadt Crailsheim, knapp 30 Kilometer von Schrozberg
entfernt, bleibt weiter stark belastet: Dort wurde die Inzidenz am
Donnerstag mit 517,4 angegeben (Stand: Donnerstag, 8.50 Uhr),
allerdings ist Crailsheim auch deutlich größer. In der Stadt hatten
Ausbrüche in Kindergärten und einer Unterkunft für Flüchtlinge sowi
e
in mehreren Betrieben für den deutlichen Anstieg gesorgt. Als
Konsequenz haben unter anderem die Grundschulen und die Klassen 5 und
6 nicht wie landesweit auch seit Montag geöffnet, sondern
unterrichten frühestens nach den Osterferien ab dem 12. April in
Präsenz.
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