Nüßlein kandidiert nicht mehr - Union um Schadensbegrenzung bemüht Von Ulf Vogler und Ulrich Steinkohl, dpa
Eine Woche nach der Durchsuchung seines Bundestagsbüros kündigt der
CSU-Abgeordnete Nüßlein seinen Rückzug aus der Bundespolitik an. Die
Affäre um die Verwicklung von Abgeordneten in Maskengeschäfte zieht
derweil weitere Kreise. Die Spitze der Union reagiert scharf.
Berlin/München (dpa) - Wegen der gegen ihn laufenden
Korruptionsermittlungen im Zusammenhang mit Coronamasken-Geschäften
zieht sich der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein aus der Bundespolitik
zurück. Sein Anwalt kündigte am Freitag an, dass der 51-Jährige bei
der Bundestagswahl im September nicht erneut kandidieren werde.
Nüßlein legte auch das Amt als Vizevorsitzender der Unionsfraktion
nieder, das er zunächst ruhen gelassen hatte.
Inzwischen wurde bekannt, dass noch mehr Abgeordnete in
Maskengeschäfte verwickelt sind. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak
reagierte scharf, sprach von «Bereicherung» und forderte eine
schnelle Aufklärung. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verurteilten die
Maskengeschäfte scharf. CSU-Generalsekretär Markus Blume nannte
Nüßleins Schritt eine «absolut notwendige und folgerichtige
Entscheidung».
Nüßleins Rechtsanwalt wies die gegen seinen Mandanten erhobenen
Vorwürfe erneut zurück. Nüßlein selbst sagte, die Untersuchungen de
r
Generalstaatsanwaltschaft München stellten für seine Familie und die
Christsozialen «eine ganz erhebliche Belastung» dar. Seinen Verzicht
auf eine erneute Kandidatur begründete er so: «Aufgrund des komplexen
Sachverhalts mit Auslandsbezug rechne ich nicht damit, dass die
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen
abgeschlossen sind.»
Gegen den Parlamentarier wird wegen des Anfangsverdachts der
Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Ankauf von Coronamasken
ermittelt. Die Ermittler hatten deswegen in der vergangenen Woche 13
Objekte in Deutschland und in Liechtenstein durchsuchen lassen,
darunter auch Nüßleins Büro im Bundestag sowie sein Wahlkreisbüro i
m
schwäbischen Günzburg.
Inzwischen hat der Mannheimer CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel eine
Beteiligung an Maskengeschäften bestätigt und Fehler eingeräumt. «A
ls
Bundestagsabgeordneter hätte ich gerade in der besonderen
Pandemie-Situation auch in meiner unternehmerischen Tätigkeit
sensibler handeln müssen», teilte er am Freitag auf Anfrage mit.
«Diesen Fehler mache ich mir selbst zum Vorwurf.» Als Konsequenz zog
sich Löbel aus dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zurück.
Löbels Firma hatte nach dessen Darstellung Provisionen in Höhe von
rund 250 000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken
zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei
Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Es
habe sich hierbei um eine «nach dem Marktüblichen bemessene
Vergütung» für die Projektmanagement-GmbH gehandelt, teilte Löbel
mit. Er habe für die GmbH gehandelt und nicht in Ausübung seines
Mandates.
Laut «Spiegel» könnten sich fast zwei Dutzend Abgeordnete in das
Geschäft mit Masken eingeschaltet haben, sei es durch das Werben für
Lieferanten beim Bund oder durch den Einsatz dafür, dass die
Unternehmen ihr Geld bekommen. Außer Löbel haben demnach aber alle
Politiker bestritten, Provisionen oder andere Gegenleistungen
erhalten zu haben.
Brinkhaus und Dobrindt schrieben am Freitag an alle Abgeordneten der
Unionsfraktion: «Wir sagen daher sehr deutlich, das Beziehen von
Geldleistungen für die Vermittlung von medizinischer Schutzausrüstung
im Rahmen der Pandemiebekämpfung von Abgeordneten stößt auf unser
vollkommenes Unverständnis und wird von uns entschieden verurteilt.»
Sie erwarteten, dass solche Sachverhalte vollkommen transparent
dargestellt und aufgeklärt würden. «So ein Verhalten entspricht nicht
unseren Standards, schadet dem Ansehen der Politik insgesamt und ist
nicht zu akzeptieren.»
CDU-Generalsekretär Ziemiak schrieb dazu auf Twitter: «Ich empfinde
es als zutiefst unanständig, dass sich Parlamentarier mit der
Masken-Beschaffung in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg
bereichert haben.» Und: «Als Generalsekretär der CDU erwarte ich,
dass dieses Fehlverhalten aufgeklärt und vollständig aus der Welt
geschafft wird. Nicht irgendwann, sondern jetzt.» Es könne nicht
sein, «dass Einzelne die ganze Union und die harte Arbeit aller
Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie der Bundesregierung in
Verruf bringen.»
Die Vorgänge wurden am Freitag auch in einer Aktuellen Stunde im
Bundestag diskutiert. «CDU und CSU stehen in der Verantwortung, ihren
Laden aufzuräumen», sagte die Erste Parlamentarische
Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann. «Sie ste
hen
in der Verantwortung, diesen schwarzen Filz aufzuklären.» Ihr
FDP-Kollege Marco Buschmann sagte: «Es kostet uns Vertrauen, wenn der
Eindruck entsteht, dass hier einige sich die Taschen vollmachen
anstatt für das Wohl des deutschen Volkes zu arbeiten.»
Kritik kam auch von der SPD. Bei der Union gebe es mittlerweile eine
ganze Reihe solcher Fälle, sagte deren Abgeordneter Dirk Wiese. «Das
ist nicht tragbar. Und man kann mittlerweile in Ihren Reihen nicht
mehr von Einzelfall sprechen. Das ist System.» Er erwarte, dass dies
vollumfänglich aufgeklärt werde.
Im Fall Nüßlein wurde mittlerweile bekannt, dass es um Bestellungen
unter anderem des Bundesgesundheitsministeriums und des bayerischen
Gesundheitsministeriums geht. Der ehemalige bayerische Justizminister
Alfred Sauter hat erklärt, dass er in diesem Zusammenhang als
Rechtsanwalt einen Vertrag für ein Maskengeschäft mit dem Ministerium
in München erstellt habe. Sauter sitzt im bayerischen Landtag und ist
CSU-Kreisvorsitzender in Nüßleins Heimatlandkreis Günzburg.
Nüßlein war nach Angaben seines Anwalts Gero Himmelsbach über ein
eigenes Beratungsunternehmen vor knapp einem Jahr an der Bestellung
von FFP2-Masken durch öffentliche Stellen beteiligt. Er habe
«mehrfach Kontakte zwischen den Beschaffungsstellen des Bundes und
potenziellen Auftragnehmern» hergestellt.
«Aufgrund langjähriger Kontakte zu einem chinesischen Anbieter gelang
es Dr. Nüßlein in schwierigen Tagen, dass qualitativ hochwertige
Masken in der erforderlichen Stückzahl geliefert werden konnten»,
sagte Himmelsbach. Hierfür habe Nüßleins Beratungsunternehmen eine
Vergütung erhalten. Dieser sei aber nicht an Entscheidungen zur
Beauftragung von Lieferungen oder an Vertragsverhandlungen beteiligt
gewesen. Die Vorgänge hätten auch nicht die parlamentarische
Tätigkeit berührt. «Die Vorwürfe der Bestechung werden deshalb
entschieden zurückgewiesen.»
Auch den Vorwurf der Steuerhinterziehung wies der Anwalt zurück.
Berichte, wonach die Einnahmen nicht als Einkommen versteuert worden
seien, seien falsch. «Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft geht
vielmehr dahin, dass keine Umsatzsteuer deklariert worden sei», sagte
der Anwalt. Eine Umsatzsteuer, auch als Mehrwertsteuer bekannt, sei
aber nicht berechnet oder eingenommen worden. Nüßleins Steuerberater
habe bestätigt, dass die Vermittlung umsatzsteuerfrei gewesen sei.
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