Impfen was das Zeug hält - Länder wollen Astrazeneca-Impfstau abbauen
Millionen Astrazeneca-Dosen könnten bald auf Halde liegen, wenn die
Länder nicht schnell das Impftempo hochfahren. Nun gibt es positive
Signale - und einige Erklärungen für den schleppenden Start.
Berlin (dpa) - In den Bundesländern wächst nach dem zögerlichen Start
die Hoffnung auf einen schnellen Abbau des Astrazeneca-Impfstaus.
Mehrere Länder rechnen mit einem deutlichen Hochfahren der Impfungen
mit dem britisch-schwedischen Vakzin, wie eine Abfrage der Deutschen
Presse-Agentur ergab. Bis zuletzt hatte nur ein kleiner Teil der
gelieferten Dosen den Weg in die Oberarme der Menschen gefunden. Die
Gründe dafür sind teils überraschend.
DER ASTRAZENECA-IMPFSTAU IN ZAHLEN
Insgesamt fast 3,2 Millionen Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs sollen
bis Donnerstag an die Länder geliefert sein, wie aus Angaben des
Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. Bis einschließlich Dienstag
sind nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) jedoch lediglich
574 000 Dosen verabreicht worden. Verglichen mit den Impfstoffmengen
ist das Impftempo noch sehr überschaubar: Am Montag und Dienstag
wurden jeweils rund 60 000 Menschen mit Astrazeneca geimpft, über die
beiden Wochenendtage waren es rund 91 000. Klar ist: Bleibt es bei
dem Tempo, könnten bis Ende der Woche über zwei Millionen Dosen auf
Halde liegen.
WIESO JETZT TATSÄCHLICH MEHR GEIMPFT WERDEN KÖNNTE
Insgesamt steigen die Impfzahlen: Am Montag wurden nach den
RKI-Zahlen von allen drei Impfstoffen zusammen knapp 187 000 Dosen
verabreicht, am Dienstag sogar gut 199 000. In mehreren Bundesländern
werden bereits Impftermine für die zweite Prioritätsgruppe vergeben,
andere planen das - und somit könnten zusätzlich Millionen von
Menschen bald ein Recht auf eine Astrazeneca-Impfung haben. Außerdem
könnte der Impfstoff bald auch an Menschen über 65 verimpft werden.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet damit, dass die Ständige
Impfkommission (Stiko) wegen neuer Daten ihre Empfehlung überdenkt,
wie aus der Bund-Länder-Schalte am Mittwoch zu vernehmen war. Bisher
hatte die Stiko das Vakzin nur für 18- bis 64-Jährige empfohlen.
In den Bundesländern werden die Impfungen mit Astrazeneca zudem
hochgefahren. In Nordrhein-Westfalen etwa sollen ab Montag rund 750
000 Kita-Erzieher, Tageseltern, Grundschullehrer und
Streifenpolizisten ein Impfangebot erhalten. «Wir wollen halt einfach
impfen was das Zeug hält», sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef
Laumann (CDU). In Hessen haben zuletzt 12 000 Ärzte und medizinisches
Personal ihre Astrazeneca-Dosis erhalten, auch Lehrer, Erzieher und
Polizisten sollen bald drankommen.
Und die Vorbehalte scheinen zu schwinden: Brandenburg meldete zum
Wochenstart eine Auslastung von rund 90 Prozent bei der
Terminvergabe, in Thüringen sind die Impftermine für Personal an
Kitas und Grund- und Förderschulen binnen weniger Stunden vergeben
worden. Auch Baden-Württemberg verzeichnet eine stärkere
Terminnachfrage, es gebe wenig Vorbehalte bei Lehrern oder Erziehern.
Mittlerweile seien mehr als eine Million Menschen im Land zusätzlich
impfberechtigt, heißt es von dort. Zuvor hatten die Länder bereits
die Kapazitäten in den Impfzentren hochgefahren.
Die generelle Impfbereitschaft scheint ebenfalls zu steigen: Einer
Forsa-Umfrage für das RTL/ntv-«Trendbarometer» zufolge würden sich
73
Prozent der Befragten so schnell wie möglich gegen das Coronavirus
impfen lassen - Mitte Februar lag der Wert noch bei 68 Prozent.
Wie es fix gehen könnte, zeigt die Stadt Krefeld in NRW. Dort wurden
am Dienstag kurzerhand 600 Beschäftigte von Schulen und Kitas mit
kurzfristig erhaltenen und nicht eingeplanten Astrazeneca-Dosen
geimpft - sechs Tage vor dem landesweiten Impfstart für diese Gruppe.
DIE GRÜNDE FÜR DEN ZUNÄCHST LANGSAMEN START
Dennoch liegt noch stapelweise Impfstoff im Kühlschrank. Zuletzt
hatte es geheißen, das Astrazeneca-Vakzin habe ein Imageproblem und
werde deswegen so zögerlich verabreicht. Die Erfahrungen aus den
Ländern zeigen: Das ist nur ein Teil der Wahrheit.
In Schleswig-Holstein etwa musste zunächst die Buchungssoftware
umgestellt werden, um Astrazeneca in großem Stil in den Impfzentren
einsetzen zu können. In Nordrhein-Westfalen wurde das Impftempo in
Krankenhäusern zuletzt bewusst gedrosselt, weil teilweise Mitarbeiter
nach der Impfung kurzzeitig ausgefallen waren. Die Impftermine wurden
daher über einen längeren Zeitraum gestreckt - damit nicht zu viele
Mitarbeiter gleichzeitig mit Impfreaktionen ausfallen. Und
Baden-Württemberg begründete die niedrigen Impfzahlen mit einer
statistischen Verzögerung: Impfungen in den Krankenhäusern werden
demnach erst verspätet in den Impfzentren statistisch erfasst.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hatte sich jüngst
gegen den Eindruck verwehrt, dass Impfstoff einfach ungenutzt
rumliege. So könne Impfstoff erst relativ frisch geliefert sein, für
eine zweite Impfung zurückgehalten werden oder noch nicht verimpft,
aber für bestimmte Impfungen vorgesehen sein.
WEITER KRITIK AM IMPFKONZEPT
Nach Ansicht des Sozialverbands VdK sollten die Länder dennoch Tempo
machen. «Der Impfstoff ist da, verkommt aber teils in den
Impfzentren», sagte Präsidentin Verena Bentele. Beim Verband meldeten
sich immer mehr Mitglieder, die chronisch krank oder behindert seien
und sich impfen lassen wollten, aber verzweifelt auf Termine
warteten. Der VdK monierte, dass der Bund das Verfahren den Ländern
und Landräten überlasse. Diese seien offensichtlich heillos
überfordert, Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen
ausfindig zu machen.
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