Lockdown-Trend Eisbaden? - Heilsversprechen und Risiko Von Annika Säuberlich, dpa

Was tun im Lockdown - und das auch noch im Winter? Ein
internetwirksamer Trend scheint in Deutschland immer mehr Anhänger zu
finden. Allerdings ist die Sache nicht ganz ungefährlich.

München (dpa) - Ob Model Eva Padberg (41), Ex-«Bild»-Chefredakteur
Kai Diekmann (56) oder Handballspieler Silvio Heinevetter (36): Viele
Menschen haben das Eis- oder Winterbaden für sich entdeckt. Bei
eisigen Temperaturen ins Wasser zu gehen, scheint für einige Leute
gerade in Zeiten des Corona-Lockdowns eine Medizin geworden zu sein.
Ob an Nord- und Ostsee, am Starnberger See oder an der Isar in
München - vielerorts sieht man auf einmal Menschen im kalten Wasser
johlen, mit Pudelmütze, ganz nackt oder im Bikini.

Kai Diekmann bezeichnete es auf Instagram als Vergnügen, bei drei
Grad Wasser- und einem Grad Lufttemperatur an einem Sonntagmorgen im
Potsdamer Jungfernsee zu schwimmen. Silvio Heinevetter zeigte sich
zum Jahreswechsel, wie er nur mit Badeshorts bekleidet aus dem
Berliner Schlachtensee stieg. Seinen Instagram-Followern wünschte er
lakonisch ein «gesundes neues Jahr, ihr Warmduscher».

Das war allerdings noch vor der Polarkälte der vergangenen Tage, die
viele Gewässer in Deutschland zufrieren ließ. Eva Padberg
präsentierte sich schließlich beim Eisbad irgendwo in der Uckermark
und schrieb stolz bei Instagram, es sei viel erträglicher als
gedacht. Auf einem Foto war sie im eiskalten Wasser in einem Loch in
einem ansonsten zugefrorenen See zu sehen.

Dass jedoch vor allem beim Bad in vereisten Gewässern Vorsicht
geboten ist, zeigte sich dieser Tage in Berlin. Dort starb ein Mann,
nachdem er mit mehreren Begleitern in den vereisten «Karpfenteich» im
Treptower Park gestiegen und plötzlich verschwunden war. Erst
zweieinhalb Stunden später fanden Rettungstaucher den vermissten
43-Jährigen, der in dem eisigen Wasser nur eine Badehose trug. Der
Mann wurde reanimiert und stark unterkühlt in ein Krankenhaus
gebracht - doch er überlebte nicht. «Das Baden im Eis ist
lebensgefährlich», warnte die Feuerwehr.

Winterschwimmen und Eisbaden locken offensichtlich immer mehr
Interessenten an. Zwar habe es bereits vor der Corona-Pandemie
verstärkte Anfragen gegeben, sagt Jelena Bundesmann von den «Berliner
Seehunden». Inzwischen sei der Verein aber von 60 auf mehr als 125
Mitglieder gewachsen und habe einen Aufnahmestopp erlassen. «Aber wir
sehen auch, dass derzeit noch mehr Menschen ins kalte Wasser gehen.
Das Interesse ist gestiegen. Vielleicht auch, weil die
Freizeitmöglichkeiten eingeschränkt sind und die Menschen mehr Zeit
haben und raus wollen.»

Eine Art Guru der Szene ist Wim Hof. Der niederländische
Extremsportler alias «The Iceman» zeigt sich bei Instagram im Spagat
im Schnee oder im Lotussitz auf zugefrorenen Seen, die Hände vorm
Herz. Er sei kein Superheld, schreibt er über sich selbst, jeder
könne so sein wie er. Dieses Versprechen hat Hof mittlerweile über
1,7 Millionen Follower und Unmengen an Nachahmern beschert.

Mit all dem nichts am Hut haben will Martin Beck, der zu einer Gruppe
von Eisschwimmern im Münchner Umland gehört. «Ich will keine Rekorde,

ich will keine Gurus, ich will kein Instagram», sagt Beck. Das
ständige Wetteifern interessiert ihn nach eigener Darstellung nicht.
«Ich will einfach nur ins Wasser, solange es guttut.» Wer es schaffe,
ins Wasser zu gehen, habe schon genug erreicht. «Der ganze Tag ist
dann superduper entspannt», sagt Beck. Statt wie zunächst nur zu
dritt seien die Eisschwimmer bei ihren Ausflügen in die Isar und an
die Seen im Münchner Umland nun im Schnitt zu fünft.

Auch Winterschwimm-Verein «Rostocker Seehunde» verzeichnete im
Corona-Jahr 2020 einen «riesigen Mitgliederzulauf» im Vergleich zu
den Vorjahren. In Zahlen heißt das: «Jetzt haben wir endlich mal die
90 überschritten und bewegen uns auf die 100 zu», sagt der
Vereinsvorsitzende Dietmar Marquardt.

Für das während der Pandemie gestiegene Interesse an dem Sport, den
er bereits seit über 40 Jahren betreibt, hat Marquardt eine Theorie:
«Es ist auf jeden Fall ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein.» Für

Vereinszuwachs sorge zudem der Gedanke an eine Gemeinschaft - auch
wenn derzeit nur in Zweiergruppen in der Ostsee gebadet werde.

Auch Jelena Bundesmann von den «Berliner Seehunden» sagt, dass das
Gesundheitsbewusstsein eine Rolle spiele. «Manche sagen, das Eisbaden
tue ihnen gut, sie hätten weniger Erkältungen und seien besser
durchblutet. Oder es hilft gegen Rückenschmerzen.»

Bundesmann rät Anfängern, langsam mit der Gewöhnung an das kalte bis

eiskalte Wasser zu beginnen und vorsichtig zu sein: «Nicht alleine
schwimmen, in flach abfallendes Wasser und nicht direkt ins ganz
Tiefe reingehen, nicht ohne Sicherung in Löchern im Eis baden.»
Anfangs sei Eisbaden im Stehen oder Sitzen besser als minutenlanges
Eisschwimmen. Neopren-Schuhe, eine Mütze und warme Kleidung zum
schnellen Anziehen danach seien außerdem nützlich.

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) registriert bisher
keine gestiegene Zahl an Einsätzen wegen des Wintersports. Worauf man
trotzdem achten sollte, erklärt Tobias Uhing, Landesarzt der DLRG
Bayern: «Grundsätzlich ist zu empfehlen, vor dem Eisbaden mit dem
Hausarzt zu sprechen.» Besonders Menschen mit Herz-Kreislauf- und
Gefäßerkrankungen müssten im Zweifelsfall auf den Trend verzichten.