Mehr Studenten lassen sich wegen Corona psychologisch beraten Von Christian Bark, dpa

Verlust des Nebenjobs, Ausfall von Vorlesungen, weniger Kontakte -
die Corona-Krise belastet auch Brandenburgs Studenten. Viele suchen
psychologische Hilfe, die an Hochschulen auch digital angeboten wird.

Potsdam (dpa/bb) - Die Folgen des Corona-Lockdowns belasten zunehmend
die Studenten an den Brandenburger Hochschulen. Sie nehmen deshalb
viele psychologische Hilfsangebote verstärkt in Anspruch, wie eine
Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. «In der Corona-Pandemie
zeigt sich bei den Studierenden zunehmend das Fehlen sozialer
Kontakte als Problem», sagt die Sprecherin des Studentenwerks
Potsdam, Josephine Kujau. Das Studentenwerk bietet seit 25 Jahren
eine psychosoziale Beratung für Studenten der Universität Potsdam,
der Fachhochschule Potsdam, der Filmuniversität Babelsberg, der
Technischen Hochschule Wildau, der Technischen Hochschule Brandenburg
und der Fachhochschule Clara Hoffbauer Potsdam an.

Hinzu kämen veränderte Arbeits- und Lernbedingungen und der Wegfall
von äußeren Strukturen im Alltag, sagte die Sprecherin. «Was sonst
hilft oder für Ausgleich sorgt, ist nur eingeschränkt möglich.» Vie
le
Studierende reagierten mit Anspannung, depressiver Stimmung und
Ängsten. Bei vielen Studenten gebe es zudem ganz konkrete finanzielle
Sorgen - beispielsweise durch Verlust des Nebenjobs oder ein
geringeres Einkommen der Eltern, die sie finanziell unterstützen.
«Auch die Unsicherheit darüber, wie es in den kommenden Semestern
weitergeht, und die damit einhergehende fehlende Planbarkeit wird als
belastend empfunden», sagt Kujau.

«Der deutlichste Effekt, den ich feststellen kann ist, dass sich
bereits vorhandene Probleme verstärken, insbesondere Ängste und
depressive Zustände», sagt Marianne Tatschner, die die psychologische
Beratungsstelle an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt
(Oder) betreut. Was vorher vielleicht noch gehandhabt werden konnte,
überfordere die Studierenden nun. Auch falle es vielen schwer, sich
selbst zu strukturieren, wo äußere Strukturen wegfielen oder deutlich
reduziert seien.

Seit über 25 Jahren bietet das Studentenwerk Frankfurt (Oder) an den
Hochschulstandorten in Cottbus und Eberswalde eine psychologische
Beratung an. «Der Bedarf ist in den über 20 Jahren moderat
angestiegen und hat sich auf rund 130 Gespräche pro Jahr
eingepegelt», sagt Studentenwerkssprecher Andreas Gaber. Dieser
Konstante stünden allerdings gesunkene Studierendenzahlen gegenüber.
Im vergangenen Jahr habe es 134 Gespräche mit 80 Studierenden
gegeben. Die häufigsten Themen seien Identitäts- und
Selbstwertprobleme, Ängste und depressive Verstimmungen sowie
Stressbewältigung und Erschöpfung. «Momentan finden die Sprechstunden

ausschließlich telefonisch statt», sagt der Sprecher.

Beratungen per Telefon oder Video haben innerhalb des vergangenen
Jahres an Bedeutung gewonnen, weil Gespräche vor Ort teilweise nicht
mehr möglich waren. «Bei uns selbst hat die Pandemie zunächst unsere

etablierten Beratungskanäle unterbrochen», sagt Jonas Neubert,
Studienberater an der Brandenburgischen Technischen Universität
Cottbus-Senftenberg (BTU). «Der Wechsel zur Videoberatung war
insbesondere zu Beginn der Pandemie eine große Herausforderung für
alle Beteiligten.»

Der Beratungsbedarf hat sich nach seiner Wahrnehmung erhöht. «Dabei
geht es zum Teil einfach nur um ein Mehr von Problemen wie depressive
Stimmungslagen oder Aufschiebeverhalten», sagt Jonas Neubert. Als
besondere Gruppe seien die internationalen Studierenden
hervorzuheben, da hier die soziale Einbindung wegen der hauptsächlich
digitalen Kommunikationswege längerfristig nur sehr reduziert sei und
Vereinsamung noch häufiger auftrete.

Karl Haller, der die psychologische Beratung an der Medizinischen
Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) in Neuruppin betreut,
sieht die Studienanfänger als die Gruppe, die sich mit
Einschränkungen und digitalen Herausforderungen besonders schwer tue.
Auch dort werden digitale Einzelgespräche über eine Videoplattform
angeboten.