Aus dem Topf auf den Kompost - Tausenden Blumen droht die Entsorgung Von Lennart Stock und Sina Schuldt , dpa

Der Lockdown setzt Gartenbaubetriebe in Niedersachsen unter Druck.
Zwar stehen Frühjahrsblüher wie Primeln und Veilchen für den Verkauf

bereit, doch da Fachhändler geschlossen sind, bleiben die Erzeuger
meist auf ihrer Ware sitzen - mit Folgen für Tausende Pflanzen.

Wiesmoor (dpa) - Es sind nur wenige Handgriffe, die die Arbeit von
Monaten zunichtemachen: Anpacken, Austopfen und ein Wurf auf den
Abfallhaufen. Schnell türmt sich ein kleiner Berg von Kalanchoen in
der Radladerschaufel. Rund 10 000 solcher verkaufsfertigen Pflanzen
haben die Mitarbeiter im Gartenbaubetrieb von Lars Dehne im
ostfriesischen Wiesmoor so schon allein im Januar entsorgen müssen.
Wegen des Lockdowns bleibt Dehne wie vielen Gartenbaubetrieben in
Niedersachsen gerade kaum eine andere Wahl. Denn Fachgeschäfte wie
Gartencenter, Gärtnereien und Floristen haben seit Dezember
geschlossen - die bunte Pracht kommt nicht an die Kunden.

Lars Dehne macht die Situation zu schaffen: «Zum einen sind das
Lebewesen, um die es da geht - zum anderen wird da einfach Geld
weggeschmissen.» Seit Mitte Dezember registriert sein Betrieb, der
sich auf Topfpflanzen für den regionalen Facheinzelhandel und den
Blumengroßmarkt spezialisiert hat, 90 Prozent Umsatzrückgang.

Noch betrifft die Entsorgung bei Dehne nur die Zimmerpflanzen - doch
die sogenannten Frühjahrsblüher, die normalerweise von Anfang Februar
an verkauft werden, stehen schon in den Startlöchern.
Gartenbauverbände rechnen damit, dass allein in Norddeutschland in
nächster Zeit mehr als 500 000 Schnittblumen wie Tulpen und Gerbera
sowie mehr als 200 000 Frühjahrsblüher wie Primeln oder Hornveilchen

für den Verkauf fertig werden - und zwar pro Woche. Diese Kulturen
wurden im Herbst des Vorjahres gepflanzt, als ein Verkaufsstopp für
die Betriebe noch nicht abzusehen war.

Um so wenig Pflanzen wie möglich kompostieren zu müssen, fahren
Betriebe daher die Temperatur in ihren Gewächshäusern herunter, sagt
der Sprecher der niedersächsischen Landwirtschaftskammer, Wolfgang
Ehrecke. Das Wachstum werde so gebremst. Doch dieser Trick gewähre
nur begrenzten Aufschub. «Die Pflanzen sind ja auf einen bestimmten
Zeitpunkt hingezogen und verblühen sonst», sagt Ehrecke.

Doch nicht nur das Wachstum der bestehenden Pflanzen macht den
Betrieben Druck - auch wird in den Gewächshäusern dringend Platz für

die nächsten Partien, die Beet- und Balkonpflanzen, gebraucht: Die
Vermarktung von Geranien, Petunien und Margeriten beginnt ab März.
Bei Lars Dehne macht dieses Segment bis zu 80 Prozent der gesamten
Produktion aus. Auch deshalb müssen überfällige Blumen nun weichen.

«Jede Woche, die wir länger auf eine Öffnung warten, wird zu einem
größeren Problem», sagt Dehne. Bei einem Verkaufsverbot bis Mitte
Februar rechnet der Fachbetrieb mit etwa 50 000 Pflanzen, die er wohl
entsorgen müsste. Bei einem Verbot bis Ende März würden wohl mehr als

600 000 Pflanzen in den Kompost wandern - das entspreche laut Dehne
dann einem Warenwert von etwa einer halben Million Euro.

Der Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland (WVG-Nord) sieht die
Lage ähnlich, beziffert den Ertragsausfall mit 100 000 bis 300 000
Euro pro Betrieb allerdings nicht ganz so hoch. In durchschnittlichen
Produktionsbetrieben betrage das Anbauvolumen der Frühjahreskulturen
zwischen 6000 und 12 000 Quadratmeter und mache in normalen Jahren
etwa 30 Prozent des jährlichen Gewinns aus. Und eigentlich seien die
Anbauer gerade auf diesen Gewinn angewiesen, da diese Einnahmen die
Produktion für die Hauptsaison finanzieren, teilt der Verband mit.

Alternative Absatzmöglichkeiten für die Pflanzen sind kaum in Sicht:
Ein Verkauf der frischen Blumen etwa in den Supermärkten und
Discountern, die derzeit Pflanzen verkaufen dürfen, komme nur für
wenige in Frage, da Verträge dort mit einem halben Jahr Vorlauf
geschlossen würden, gibt Lars Dehne zu bedenken. Und auch mit einer
Entschädigung für vernichtete Pflanzen können die Betriebe laut
Gartenbauverbänden momentan nicht rechnen - diese seien in den
Überbrückungshilfen nur für den Einzelhandel vorgesehen, nicht aber
für die Anbaubetriebe.

Wirklich helfen würde aus Sicht von WVG-Nord-Präsident Andreas Kröger

daher nur eine baldige Öffnung der gärtnerischen Fachbetriebe. «Ich
möchte die Politik erneut auffordern, die Besonderheiten der
verderblichen Saisonpflanzen zu bedenken», sagte er der dpa. «Es
stehen Millionen blühende Pflanzen für die Zeit von Valentin bis
Ostern bereit und finden keine Verwendung.»

Auch Lars Dehne hofft auf eine zügige Öffnung. «Wir als grüne Branc
he
stehen total hinter den Corona-Regeln», sagt er. Doch vor allem die
ungleichen Öffnungsregelungen in den einzelnen Bundesländern ärgern
ihn: Während in Niedersachsen und Bremen der Verkauf von Blumen
komplett untersagt ist, haben Gartencenter und Blumengeschäfte etwa
in NRW geöffnet. Das führe zu teils absurden Szenen bei den Händlern

an den Landesgrenzen, erklärt Dehne. «Das ist nicht zu verstehen.»

Immerhin gibt es laut Dehne einen kleinen Lichtblick. In den
vergangenen Tagen bestellten Kunden in seinem Betrieb wieder mehr
Blumen - möglicherweise gingen diese von baldigen Lockerung aus,
mutmaßt Dehne. So richtig daran glauben mag er noch nicht.

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