Mehr Möglichkeiten für Geimpfte? Unternehmen facht Debatte neu an Von Josefine Kaukemüller und Stefan Heinemeyer, dpa

Mit dem Impfausweis ins Konzert? Ein Ticketverkäufer geht in die
Offensive. Die Frage, wie lange und unter welchen Umständen
Grundrechte eingeschränkt bleiben dürfen, berührt rechtliche und
ethische Aspekte. Der Ethikrat will dazu Empfehlungen vorlegen.

Berlin (dpa) - Sollen gegen das Coronavirus Geimpfte ihre Freiheiten
früher zurückerhalten als noch nicht immunisierte Menschen? Private
Veranstalter sollten aus Sicht des Ticketverkäufers CTS Eventim in
Zukunft zumindest die Möglichkeit haben, nur geimpfte Menschen für
Veranstaltungen zuzulassen. Bundesjustizministerin Christina
Lambrecht (SPD) wies am Mittwoch darauf hin, dass dies grundsätzlich
legitim wäre. Das Thema wirft aber auch ethische Fragen auf. Am
Donnerstag will der Deutsche Ethikrat um die Vorsitzende Alena Buyx
eine Empfehlung «Besondere Regeln für Geimpfte?» vorstellen.

«Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann
sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit
haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu
machen», sagte Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg der
«Wirtschaftswoche». Das Unternehmen habe bereits seine Systeme so
eingerichtet, dass diese auch Impfausweise lesen könnten.

Bundesjustizministerin Lambrecht hat keinen grundsätzlichen Einwand
gegen den Appell des Unternehmens. «Es macht einen großen
Unterschied, ob der Staat Grundrechte einschränken muss oder ob
Private Angebote für bestimmte Personengruppen machen möchten», sagte

die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch.
Privatunternehmen dürften im Grundsatz selbst bestimmen, mit wem sie
Geschäfte machen möchten. «Juristen sprechen hier vom Grundsatz der
Privatautonomie. Wenn zum Beispiel die Restaurants wieder öffnen
dürfen und ein Restaurantinhaber dann ein Angebot nur für Geimpfte
machen möchte, wird man ihm dies nach geltender Rechtslage schwerlich
untersagen können», betonte die Justizministerin.

Sie verwies aber darauf, dass es anfangs nicht genügend geimpfte
Personen geben werde, «dass sich solche Unterscheidungen für die
Wirtschaft lohnen würden. Und je weiter die Impfungen voranschreiten,
desto eher werden wir alle zur Normalität zurückkehren können. Wir
sprechen hier also nur über einen relativ kurzen Übergangszeitraum.»


Für Kinos ist ein Vorstoß wie der von CTS Eventim aus Sicht von
Christian Bräuer, dem Vorsitzenden der AG Kino, aktuell eher nicht
vorstellbar. Die Frage stelle sich auch noch gar nicht, weil viel zu
wenige Menschen geimpft seien. «Das könnte eine Möglichkeit sein fü
r
das ganz Große, das ganz Besondere, aber für Alltagsorte ist das
tendenziell kein Einsatz. Kino ist ja Alltagskultur.» Bräuer sieht
vor allem auch praktische Probleme bei einer möglichen Umsetzung:
«Will ich jetzt da den Einlass verzögern, weil irgendwer sagt, wo ist
denn jetzt mein Impfzertifikat?» Zudem solle Kino inklusiv bleiben.

Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, sprach sich dagegen aus,
Corona-Regeln für Geimpfte früher aufzuheben. «Was natürlich nicht

sein kann, um das ein bisschen flapsig zu sagen, ist, dass im Sommer
die Rentner am Strand liegen, aber die junge Generation weiterhin zu
Hause sitzt und sich noch mit einer Person treffen darf. Da wird man
am Ende keine Akzeptanz für bekommen», sagte der CDU-Politiker dem
Politikjournal «Rundblick Niedersachsen» (Mittwoch).

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte bereits vor einigen
Wochen vor besonderen Regeln für Geimpfte gewarnt, weil dies auf
einen Impfzwang durch die Hintertür hinauslaufen könnte. Einen Zwang
zur Corona-Impfung hatte die Bundesregierung stets ausgeschlossen.
Allerdings hatten sich andere Politiker dafür ausgesprochen,
Geimpften erweiterte Freiheiten einzuräumen. Außenminister Heiko Maas
(SPD) hatte Mitte Januar gefordert, Geimpften früher als anderen den
Besuch von Restaurants oder Kinos zu erlauben. Der oberbayerische
Landkreis Altötting hatte am 22. Januar damit begonnen,
Corona-Geimpften digitale Impfkarten auszuhändigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte am Dienstagabend in der
ARD-Sendung «Farbe bekennen», derzeit sei nicht klar, ob ein
Geimpfter noch andere anstecken könne. Solange das nicht geklärt sei,
könne es überhaupt keine besonderen Maßnahmen oder Rechte für
Geimpfte geben. Mit Blick auf Menschen, die sich später bei
ausreichendem Impfangebot nicht immunisieren lassen wollen, fügte
Merkel hinzu: «Dann muss man vielleicht schon solche Unterschiede
machen und sagen: Ok, wer das nicht möchte, der kann vielleicht auch
bestimmte Dinge nicht machen.»

FDP-Chef Christian Lindner betonte, man könne Freiheitsbeschränkungen
«schlecht in Kraft lassen bis die letzte Person, die geimpft werden
möchte, sich hat impfen lassen.» Man könne nicht vielen Millionen
Geimpften «in Zukunft die Freiheit verwehren», schrieb Lindner in
einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal t-online. «Wenn von einem
Menschen keine Gefahr ausgeht, dann darf man ihn nicht mehr an der
Verwirklichung seiner Grundrechte hindern», warnte Lindner. AfD-Vize
Stephan Brandner betonte, Grundrechte würden für alle gelten. Die AfD
lehne eine Impfpflicht ab, «egal ob ausdrücklich im Gesetz geregelt
oder indirekt über die Versagung von Rechten».

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