Long-Covid-Krankheit: Von Covid-19 genesen und doch nicht gesund
Die meisten Menschen, die sich mit Sars-CoV-2-Virus infiziert haben,
müssen sich nur mit leichten Symptomen auseinandersetzen. Andere
sterben. Es gibt noch eine weitere Gruppe: Menschen, die nach
durchgestandener Krankheit noch lange mit Symptomen kämpfen.
Heiligendamm (dpa/mv) - Die öffentliche Betrachtung von als genesen
geltenden Covid-19-Patienten wird nach Ansicht von Jördis Frommhold,
Chefärztin der Median-Klinik in Heiligendamm, einer Gruppe nicht
gerecht: den sogenannten Long-Covid-Erkrankten. «Das sind Patienten,
die einen nicht einmal schweren Krankheitsverlauf durchlitten haben
müssen. Sie waren nach der Erkrankung weitgehend symptomfrei und
haben erst nach einer gewissen Latenzzeit Symptome entwickelt», sagt
Frommhold. Die vielschichtigen und häufig neurologischen Symptome
hinderten die Menschen, ein normales Leben zu führen.
Knapp 2,2 Millionen Menschen in Deutschland haben sich seit Anfang
2020 mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert, etwa 55 000 von ihnen
starben. Knapp 1,9 Millionen gelten als geheilt. «Doch geheilt ist
mitunter nicht gleich gesund», sagt Frommhold. Bis zu 50 Prozent
aller Klinik-Patienten leide unter Long-Covid. Eine Studie aus China
zeige nach schwerem Akutverlauf und ohne weitere Nachsorge, dass
sogar bis zu 76 Prozent der vermeintlich Genesenen nach sechs Monaten
unter Long-Covid-Symptomen leiden. Die Median-Klinik in Heiligendamm
ist auf die Rehabilitation von Covid-19-Patienten spezialisiert, seit
April 2020 wurden rund 350 Patienten behandelt.
Frommhold befürchtet, dass diese Menschen aus dem Blick der
Öffentlichkeit und der Politik geraten und letztlich ihrem Schicksal
überlassen werden. «Das kann sich zu einem volkswirtschaftlichen
Problem entwickeln.» Denn viele dieser Patienten standen zuvor mit
beiden Beinen fest im Leben und der Arbeitswelt.
Zu den Symptomen gehören chronische Müdigkeit oder Abgeschlagenheit.
Dazu kämen zunehmend auch neurologische Einschränkungen. Es könnten
sich zudem psychosomatisch bedingte Krankheiten entwickeln. «Die
Patienten waren dynamisch und leistungsstark. Obwohl sie als genesen
gelten, sind sie nicht arbeitsfähig und nicht in ihr bisheriges Leben
integriert», sagte Frommhold. Sie könnten so in eine Negativspirale
geraten. Viele Betroffene berichteten, mit ihren Problemen selbst bei
öffentlichen Anlaufstellen nicht ernst genommen zu werden.
Für den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach wird die Bedeutung
von Long-Covid dramatisch unterschätzt. «Es stellt sich immer stärker
heraus, das Covid-19 eine Erkrankung des gesamten Gefäß- und
Immunsystems ist», betonte Lauterbach. Auch das Gehirn könne
betroffen sein. «Eine wesentliche Steigerung des Demenzrisikos kann
damit in späteren Lebensphasen einhergehen», sagte Lauterbach.
Lauterbach forderte die weitere Erforschung von Long-Covid. Zudem
müssten spezielle Reha-Kliniken aufgebaut werden. Das Angebot sei
nicht ausreichend. Zusätzlich müsse eine Kampagne auf die Gefahren
von Long-Covid aufmerksam machen. «Es ist ein Fehler zu glauben, dass
nur die Alten sterben und die Jungen selbst nicht gefährdet sind.»
Zu den medizinischen Hintergründen der Long-Covid-Erkrankung sei
wenig bekannt, berichtete Frommhold. «Wir haben die Vermutung, dass
es sich um eine Autoimmunreaktion handeln könnte.» Es gebe bereits
den Nachweis, dass nach einer Covid-19-Erkrankung Autoantikörper
gegen die Haarwurzeln gebildet werden, was zum typischen Long-Covid-
Haarausfall führt. Auch im Liquor, dem Gehirnwasser, seien schon
Antikörper gefunden worden. «Das zeigt, dass da irgendwas abläuft.»
«Patienten mit der Long-Covid-Problematik können behandelt werden»,
betonte Frommhold. Es sei aber fraglich, ob die frühere
Leistungsfähigkeit zu 100 Prozent erreicht werden kann. Inzwischen
gebe es auch an einigen Universitätskliniken Anlaufstationen,
außerdem haben sich Selbsthilfegruppen gebildet.
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