Sitzenbleiben umstritten - Schüler fordern coronagerechte Klausuren Von Fatima Abbas und Dorothée Barth, dpa

Der Lockdown geht weiter, Schülerinnen und Schüler müssen seit
Monaten unter besonderen Bedingungen lernen. Wie sollen ihre
Leistungen in der Pandemie bewertet werden? Und soll es in diesem
Jahr kein Sitzenbleiben geben, wie es die Gewerkschaft GEW fordert?

Berlin (dpa) - Geschlossene Schulen und fehlende Perspektiven: Die
Corona-Pandemie macht das Lernen für Schüler zum Kraftakt. Wäre der
Verzicht auf das Sitzenbleiben in diesem Jahr angesichts der
Versäumnisse und schlechten Bedingungen eine Option? Das fordert die
Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). «Man kann nicht
mit der normalen Leistungsmessung herangehen und einfach sagen, wir
lassen sitzen», sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Donnerstag der
Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte sie ihren Vorschlag gegenüber
dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) geäußert.

Aus Tepes Sicht sollten auch Abiturprüfungen in diesem Jahr
ausgesetzt werden. Stattdessen könnten Lehrer ihre Schüler aufgrund
der erbrachten Leistung bewerten und eine Note ohne Klausur vergeben.
Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo
Beckmann, hält das für keine gute Idee. Bevor Prüfungen komplett
ausfielen, wäre es besser, sie zu verschieben, sagte Beckmann der
dpa. Beckmann spricht sich dagegen aus, pauschal alle Schüler zu
versetzen und plädiert stattdessen für individuelle Lösungen.

Es gehe in erster Linie darum, den «Schülerinnen und Schülern gerecht

zu werden». Einige Schüler hätten in der Pandemie besondere
Kompetenzen erworben, zum Beispiel das eigenständige Lernen. Diesen
Punkt müsse man berücksichtigen. Dass Kinder nun ein «Notabitur»
machen müssten und Prüfungen nicht vergleichbar seien, stimme so
nicht, sagte Beckmann. Schülerinnen und Schüler hätten auch jetzt
Leistungen erbracht, die zu bewerten seien. Für den Fall, dass
Schüler das Gefühl hätten, aufgrund der Pandemie-Situation
benachteiligt worden zu sein, müssten sie das Jahr wiederholen
können, ohne dass es als «Sitzenbleiben» angerechnet würde, sagte e
r.

Außerdem brauche es «zur Unterstützung klare Konzepte und auch die
Vernetzung unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche bis hin zu den
Ministerien». Seit Monaten fordere er von der Kultusministerkonferenz
(KMK), einen Rahmen zu schaffen, damit Lehrer wissen, wie sie die
Leistungen während der Pandemie bewerten können.

Die neue KMK-Präsidentin Britta Ernst, die am Donnerstag offiziell
ihr Amt übernahm, sagte der Zeitung «Welt», Schülern in Deutschland

trotz der Pandemie einen vollwertigen Abschluss ermöglichen zu
wollen. «Wir werden uns innerhalb der KMK mit allen Bundesländern
austauschen, wie wir unter Beibehaltung unserer gemeinsamen Standards
das Abitur auch unter diesen Rahmenbedingungen gerecht durchführen
können», sagte Ernst. «Ein Notabitur hätte fatale Folgen.» Der
Forderung, den versäumten Lernstoff zu kompensieren, indem pauschal
ein weiteres Schuljahr angehängt werde, erteilte die KMK-Chefin eine
Absage. Ein Wiederholungsjahr sei «nicht notwendig. Wir müssen ja
auch sorgfältig mit der Lebenszeit der jungen Menschen umgehen».

Die Bundesschülervertretung würde eine generelle Möglichkeit, das
Sitzenbleiben in diesem Jahr auszusetzen, begrüßen. Die Fachlehrer
müssten aber dann eine Beratung anbieten, sagte der Generalsekretär
der Bundesschülerkonferenz, Dario Schramm, der dpa. «Viele
Schülerinnen und Schüler haben bereits so große Lücken, dass eine
Wiederholung vermutlich mehr Sinn macht als der Versuch, diese Lücken
in kurzer Zeit auszubessern.»

Das Wissen, nicht sitzen bleiben zu können, könne «etwas Druck vom
Kessel nehmen», sagte Schramm. Für die Abschlussklassen gelte das
aber nicht. «Hier müssen wir Prüfungen so anpassen, dass sie der
Situation entsprechend geändert werden.» Einen «wirklich fairen und
vergleichbaren Abschluss» könne es in diesem Jahr nicht geben.

Unter den Eltern trifft die Debatte über das Sitzenbleiben indes auf
ein geteiltes Echo. Der Bundeselternrat fordert in erster Linie mehr
Präsenzunterricht und eine bessere Qualität des Distanzlernens. Eine
«verstärkte Förderung in Problemfächern» könne im Einzelfall
sinnvoller sein, als das Jahr zu wiederholen, teilte die
stellvertretende Vorsitzende, Sabrina Wetzel, auf dpa-Anfrage mit.

Indes entschied sich Baden-Württemberg am Donnerstag dafür,
Grundschulen und Kitas weiterhin zumindest bis Ende Januar
geschlossen zu lassen. Wie die dpa am Donnerstag in Stuttgart erfuhr,
verständigten sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) darauf, angesichts der
weiter hohen Corona-Infektionszahlen doch nicht zu lockern. Es solle
aber eine Öffnungsperspektive für Grundschulen und Kitas erarbeitet
werden, sollte der Lockdown über Januar hinaus gelten, hieß es.

Seit Mitte Dezember sind die meisten Schulen und Kitas in Deutschland
entweder komplett geschlossen oder nur für Notbetreuung geöffnet.
Dort, wo nicht geschlossen wurde, wurde die Anwesenheitspflicht
ausgesetzt. Eltern wurden gebeten, ihren Nachwuchs zu Hause zu
lassen. Für Abschlussklassen, die vor den Prüfungen stehen, gibt es
Ausnahmen. Wann die Einrichtungen wieder öffnen können, ist unklar.

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