Regierungskrise in Italien: Conte verliert Renzi als Partner

Der frühere Regierungschef Matteo Renzi hat Ernst gemacht und im
Streit um die EU-Coronahilfen das Regierungsbündnis in Rom platzen
lassen. Die Ministerinnen seiner Partei Italia Viva verlassen das
Kabinett. Die Zukunft von Premier Giuseppe Conte steht auf der Kippe.

Rom (dpa) - Mitten in der Corona-Krise ist in Italien die Regierung
von Ministerpräsident Giuseppe Conte geplatzt. Der Chef der
mitregierenden Partei Italia Viva, Matteo Renzi, kündigte am Mittwoch
die Rücktritte der beiden von seiner Partei gestellten Ministerinnen
an. Dabei handelt es sich um Landwirtschaftsministerin Teresa
Bellanova und Familienministerin Elena Bonetti. Er habe die per Mail
übermittelten Rücktrittsgesuche akzeptiert, sagte Conte der Agentur
Ansa zufolge.

Mit dem Auszug von Renzis Kleinpartei Italia Viva steht die gesamte
Mitte-Links-Regierung mit ihrer knappen Mehrheit im Parlament auf der
Kippe. Ex-Premier Renzi machte Conte vor der Presse scharfe Vorwürfe.
Er umgehe mit vielen Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie
demokratische Regeln.

Die Krise gebe es schon seit Monaten, sagte Renzi. Italia Viva sei
nicht ihr Urheber. «Wir spielen nicht mit den Institutionen»,
versicherte der 46-jährige Politiker. Zugleich machte er Angebote,
über das weitere Vorgehen zu verhandeln. Er rechne nicht mit
schnellen Neuwahlen: «Gewählt wird 2023», sagte Renzi.

Die Differenzen zwischen Renzi und Conte drehten sich zuletzt um die
Pläne zur Verwendung der EU-Milliardenhilfen für die Corona-Krise.
Der parteilose Ministerpräsident hatte seinen Entwurf für den Einsatz
der Milliarden aus dem EU-Wiederaufbaufonds in der Nacht zu Mittwoch
im Kabinett beschließen lassen - gegen den Widerstand der
Ministerinnen Bellanova und Bonetti.

Beide Politikerinnen forderten Berichten zufolge erneut, dass Rom
Gelder des europäischen Rettungsschirms ESM beantragen solle. Das
lehnte Conte, der der Fünf-Sterne-Bewegung nahe steht, immer wieder
ab. Die populistische Bewegung sträubt sich trotz aller Finanznot in
Italien gegen ESM-Kredite. Sterne-Politiker sehen sie nach der
Erfahrung aus der Finanzkrise 2008 als Instrument der Einmischung
Brüssels.

Der 56-jährige Jurist Conte hatte am Mittwoch bereits mit
Staatspräsident Sergio Mattarella über die Regierungskrise
gesprochen. Das Mitte-Links-Bündnis regiert seit September 2019.
Vorher stand Conte bereits an der Spitze einer Mitte-Rechts-Koalition
zusammen mit Matteo Salvins Lega. Sollten der Premier oder die ganze
Regierung stürzen, käme dem Staatschef eine wichtige Rolle bei den
Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu.

Renzis Partei ist zwar winzig, aber die Regierung war im Parlament
mehrfach auf ihre Stimmen angewiesen - besonders im Senat, der
kleineren der beiden Kammern. Unter den Senatoren hatte die Regierung
bisher nur eine besonders knappe Mehrheit.

Die rechten Oppositionsparteien, darunter Salvinis Lega, forderten
den Regierungschef zum Rücktritt auf. Sollte sich keine schnelle
Lösung der Krise finden, müsse es Wahlen geben.

Italienische Medien vermuteten, dass Conte Neuwahlen vermeiden
möchte. Er könnte im Parlament die Vertrauensfrage stellen und
versuchen, andere Mehrheiten zu finden. Der Regierungschef selbst
hatte am Mittwoch allerdings gesagt, er brauche «eine solide
Mehrheit» für seine Regierung. Regulär sind Parlamentswahlen in
Italien erst 2023 zu erwarten.

In Contes Bündnis sind die Fünf-Sterne-Bewegung und die
Sozialdemokraten (PD) die großen Kräfte. Hinzu kommt die beiden
Kleinparteien Italia Viva und Liberi e Uguali (Die Freien und
Gleichen). Renzi hatte seine Partei erst 2019 nach seinem Austritt
aus der PD gegründet, deren Chef er von 2013 bis 2018 gewesen war.

Die 66. Regierung der italienischen Republik ist seit September 2019
im Amt. Der Ministerpräsident berief für den späten Mittwochabend
eine Kabinettssitzung ein. Darin sollte es um geplante Maßnahmen
gegen die Corona-Krise gehen. Nun dürfte auch die Zukunft der
Regierung Thema sein. In dem 60-Millionen-Einwohner-Land starben seit
Februar 2020 offiziell schon mehr 80 000 Menschen im Zusammenhang mit
dem Virus.