Ende der Galgenfrist - Söder setzt auf frischen Wind im Corona-Kampf Von Marco Hadem, dpa
Im August lehnt Ministerpräsident Söder zur Verwunderung vieler die
Rücktrittsangebote seiner umstrittenen Gesundheitsministerin ab.
Jetzt zeigt sich: Gebracht hat es ihr nichts.
München (dpa/lby) - Es ist ein Paukenschlag, den zumindest zu diesem
Zeitpunkt niemand erwartet hat. Mitten in der zweiten Corona-Welle
baut Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sein Kabinett um.
Nicht irgendwo, sondern an vorderster Front im Kampf gegen die
Pandemie: dem seit Monaten oft kritisierten Gesundheitsministerium.
Fakt ist aber auch: Mit der Versetzung von Gesundheitsministerin
Melanie Huml in die Staatskanzlei und der Beförderung von
Staatssekretär Klaus Holetschek (beide CSU) zum Minister holt Söder
nun eine Entscheidung nach, die sich seit Monaten aufgedrängt hat.
«Dies ist keine Einzelentscheidung aufgrund eines Anlasses, sondern
es ist eine Frage, wie die Perspektive der nächsten Wochen ist», sagt
Söder in der am Mittwoch nach dem Kabinett vorgetragenen Personalie,
die beinahe wie ein Randaspekt wirkte. Und dann kommt der Satz, der
Huml sicher wehgetan hat: «Ich schätze die Melanie sehr.» Aus
Regierungskreisen ist zu hören, dass Huml mit der Versetzung zur
Europaministerin in die Staatskanzlei noch gut bedient sei. Zwar hat
das Amt als «bayerische Außenministerin» eher repräsentative
Aufgaben, aber immerhin sei ihr der Ministerrang geblieben.
Möglich ist Söders Kabinettsumbildung inmitten der Krise, weil er mit
Holetschek schon seit vergangenem August einen Ersatz in der
Hinterhand hat, der das Ministerium mit seinen aktuellen
Problemstellungen gut kennt und dennoch nun frischen Wind in alte
Abläufe bringen kann. Und: Holetschek genießt auch in der
CSU-Fraktion im Landtag breiten Rückhalt, auch hier muss Söder also
wegen der Umstellung keine Unruhe befürchten.
Rückblick: Wenn man so will, nimmt Humls unfreiwillige Versetzung
ihren Anfang am 13. August 2020. Nach einer gigantischen Panne bei
mehr als 44 000 Corona-Tests von Urlaubsrückkehrern steht Bayerns
Corona-Politik bundesweit in den Schlagzeilen. Und nicht nur das,
auch direkt gegen Söder richtet sich viel Spott, Kritik und Häme,
immerhin inszenierte er sich zuvor gerne als besonders gründlicher
und konsequenter Corona-Bekämpfer.
Huml, selbst Ärztin, stellt sich der Verantwortung und bietet Söder
zweimal ihren Rücktritt an. Doch der CSU-Chef nimmt ihn nicht an,
später sagt er: «Ich habe weiter Vertrauen zu ihr.» Huml wolle die
«Scharte auswetzen». Zugleich baut Söder aber das Ministerium weiter
um, holt Holetschek als Staatssekretär «zur Unterstützung». Nicht n
ur
aus Sicht der Opposition ist Huml damit eine Ministerin auf Abruf.
Doch warum genau zieht Söder jetzt, nach fünfmonatiger Galgenfrist,
endgültig die Reißleine? Ein am Vorabend vom Nachrichtenmagazin
«Spiegel» veröffentlichter Bericht zu Ungereimtheiten beim Transport
von Corona-Impfstoff in nicht geeigneten Kühlboxen - so ist zu hören
- ist nicht der Grund. Vielmehr ist es am Ende wohl eher eine
Ansammlung von vielen kleinen Ärgernissen wie jüngst der schleppende
Start der Corona-Impfungen in Bayern. Zum «Scharte auswetzen» wollte
das nicht passen.
Mit dem Personaltausch sendet Söder aber auch an die übrigen
Kabinettsmitglieder, die wie Huml erst am Mittwochmorgen von Söders
Entscheidung erfuhren, eine klare Botschaft: Niemand sollte sich in
seinem Amt zu sicher fühlen. Dieses Motto pflegte schon Söders
Vorgänger Horst Seehofer.
Apropos andere Kabinettsmitglieder: Eigentlich muss sich ja seit
einigen Wochen Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) mit
Rücktrittsforderungen und auch Kritik aus der Regierung
auseinandersetzen. Grund ist die instabile Online-Lernplattform
Mebis, die vor den Weihnachtsferien wie schon im Frühjahr dem Ansturm
von Schülern im Distanzunterricht nicht gewachsen war. Söder hatte
ihm im Dezember indirekt eine Frist gesetzt: Bis nach den
Weihnachtsferien, also kommenden Montag, müsse das System einwandfrei
laufen.
Doch selbst wenn es wegen des am Mittwoch vom Kabinett verlängerten
Lockdowns samt Schulschließungen bis Ende Januar weiter zu Problemen
kommen sollte, ist die Entlassung eines Ministers ohne CSU-Parteibuch
für Söder nicht so einfach. Hierfür bräuchte er mindestens die
Rückendeckung von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, will er mit
einer Entlassung im Alleingang nicht die gesamte Koalition gefährden.
Und der nutzte gleich das Dreikönigstreffen seiner Partei wenige
Stunden nach der Kabinettssitzung, um Piazolo zur Seite zu springen.
«Das kann nicht einem Minister alleine in die Schuhe geschoben
werden», machte der stellvertretende Ministerpräsident klar.
Der Stratege Söder schlägt daher am Mittwoch andere Töne an und dankt
dem Koalitionspartner ganz besonders für die «sehr sehr gute
Beratung» und den Ministern der Freien Wähler für ihre «exzellente
Arbeit». Huml dürfte zu dem Zeitpunkt schon mit der Räumung ihres
Schreibtischs beschäftigt gewesen sein.
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