«Corona-Impfweltmeister» Israel: Wie schafft es das rasante Tempo? Von Sara Lemel, dpa

In Israel herrscht schon der dritte Teil-Lockdown, gleichzeitig
schnellen die Corona-Zahlen wieder in die Höhe. Im Wettlauf mit dem
Coronavirus impft das kleine Land seine Bürger nun schneller als
jedes andere. Eine Million Bürger bekamen schon die erste Spritze.

Tel Aviv (dpa) - Auf dem zentralen Rabin-Platz in Tel Aviv steht ein
riesiges weißes Zelt. Im Minutentakt können dort Bürger gegen das
Coronavirus geimpft werden - als Hilfestellung für überlastete
Krankenkassen. Schon seit dem 19. Dezember läuft in Israel eine
massive Impfkampagne. Auf anfängliche Skepsis vieler gegen die
Impfung folgte ein enormer Ansturm auf die Impfstationen.

In keinem anderen Land wird nach Informationen von Oxford-Forschern
so schnell gegen Corona geimpft wie in Israel. Eine Grafik auf der
Website «Our World in Data» vergleicht verschiedene Staaten nach der
Zahl der verabreichten Dosen pro 100 Einwohner. Dort hatte Israel am
Freitag mit 11,55 Dosen je 100 Einwohner weiter klar die Nase vorn -
wenn auch nicht in absoluten Zahlen, denn da führen China und die
USA. Wie schafft das kleine Land Israel ein so rasantes Tempo?

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Israel bereits zum
«Corona-Impfweltmeister» erklärt. Sehr früh hatte er den Wettlauf u
m
den Corona-Impfstoff zur Chefsache gemacht. Immer wieder telefonierte
Netanjahu etwa mit Pfizer-Chef Albert Bourla, um Millionen von
Impfdosen für sein Land zu sichern. Als der 71-Jährige sich als
Erster mit dem Biontech-Pfizer-Impfstoff impfen ließ, sagte er,
Bourla sei inzwischen «ein persönlicher Freund von mir und ein
Riesenfreund des Staates Israel». Der Regierungschef hatte früher
auch gesagt, Bourla sei sehr stolz auf seine jüdisch-griechische
Abstammung.

Nach Angaben Netanjahus hat Israel mit Pfizer die Lieferung von acht
Millionen Impfdosen und mit Moderna von sechs Millionen Impfdosen
vereinbart. Modernas Medizinvorstand Dr. Tal Zaks ist Israeli, er hat
in der Wüstenstadt Beerscheva studiert.

Millionen Impfdosen sind nach Medienberichten schon im Land - die
genaue Zahl wird geheim gehalten. Als die ersten Impfdosen von
Biontech-Pfizer am 9. Dezember in Israel landeten, nahm Netanjahu sie
persönlich am Flughafen in Empfang. «Es ist nicht selbstverständlich,

dass der Staat Israel, ein riesiges Land in so vielen Bereichen, aber
ein kleiner Staat mit neun Millionen Einwohnern, den Impfstoff zur
selben Zeit bekommt wie Großbritannien und die größten und führende
n
Länder der Welt», sagte er damals.

Professor Arnon Afek, Vize-Direktor des Schiba-Krankenhauses bei Tel
Aviv, sieht verschiedene Gründe für den besonders erfolgreichen
Ablauf der Impfkampagne in Israel. «Erstens haben wir ein sehr
starkes öffentliches Gesundheitssystem, mit Krankenversicherung für
alle Bürger», sagt der ehemalige Generaldirektor des
Gesundheitsministeriums. Das Modell basiere auf dem deutschen System,
mit Krankenkassen und Krankenhäusern. «Die deutschen Juden, die nach
Israel emigrierten, haben es mitgebracht und hier eingerichtet.»
Außerdem sei Israel ein hochtechnologisches Land mit weltweit
führender medizinischer Ausrüstung und ausgezeichneten
Lagerungsmöglichkeiten für den Corona-Impfstoff.

Zudem seien die Israelis ein sehr engagiertes, wendiges Volk, das
schnell und effektiv auf Krisensituationen reagieren könne, sagt
Afek. Viele Krankenschwestern blieben etwa oft nach Dienstende
freiwillig für eine weitere Schicht, um noch mehr Menschen impfen zu
können. «Alle sind gemeinsam in den Krieg gezogen - den Krieg gegen
das Coronavirus.»

Nicht zuletzt sei Israel ein sehr kleines Land, das nicht in
Bundesländer aufgeteilt ist. «Da ist es leichter, die Bevölkerung
schnell zu impfen, als in einem großen Land wie Deutschland mit mehr
als 80 Millionen Einwohnern.» Nach Informationen der Zeitung «Jediot
Achronot» sehen Biontech-Pfizer und Moderna Israel gerade wegen
dieser Voraussetzungen als ideales «Pilotprojekt», um rasch den
Erfolg ihrer Impfstoffe zu beweisen.

Nach Medienberichten zahlt Israel für den Biontech-Pfizer-Impfstoff
einen 40 Prozent höheren Preis als die USA, gegenüber Europa sei die
Differenz sogar noch größer. Demnach zahlt Israel umgerechnet fast 23
Euro für eine Dosis, nach einer versehentlich von der belgischen
Finanzstaatssekretärin Eva De Bleeker veröffentlichten Liste kostet
eine Dosis in Europa nur 12 Euro.

Mit einer Million ist die Zahl der bislang in Israel gegen Corona
Geimpften bereits mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der Menschen,
die sich seit Beginn der Pandemie infiziert haben (mehr als 428 000).
Allein am Donnerstag wurden rund 153 400 Menschen geimpft.

Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung, darunter mehr als 40 Prozent
der über 60-Jährigen, hat bereits die erste Impfdosis erhalten.
Israel will seine Risikogruppen so schnell wie möglich impfen, um
dann Corona-Einschränkungen zu lockern und die Wirtschaft wieder in
Gang zu bringen. Zweimal Geimpfte sollen schon von Mitte Januar an
einen «grünen Pass» erhalten, der ihnen verschiedene Freiheiten
gewährt. Wie etwa die Befreiung von der Quarantänepflicht für
Staatsbürger bei der Einreise nach Israel oder bei Kontakt mit einem
Corona-Infizierten.

Netanjahu war wegen seiner Corona-Politik immer wieder stark in die
Kritik geraten. Er weigerte sich etwa, punktuelle Lockdowns in
Wohngebieten mit vielen strengreligiösen Juden zu verhängen, obwohl
dort die Infektionszahlen besonders hoch waren. Seine Kritiker
meinen, er habe befürchtet, die ultraorthodoxen Parteien könnten ihm
ihre automatische Unterstützung entziehen.

Nun will Netanjahu mit der beeindruckenden Impfkampagne punkten. Am
23. März wählt Israel zum vierten Mal binnen zwei Jahren ein neues
Parlament. Netanjahu, gegen den ein Korruptionsprozess läuft, kämpft
dabei um sein politisches Überleben. Politikwissenschaftler Jonathan
Rynhold sieht Netanjahus Vorgehen bei der Impfkampagne auch als klare
«Strategie, um zu zeigen, dass er der effizienteste Anführer ist und
die Öffentlichkeit von innen und außen beschützt».

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