Blutplasma für Covid-19-Patienten «kein Wundermittel» Von Ute Wessels, dpa
Als im Frühjahr immer mehr schwerkranke Covid-19-Patienten behandelt
werden müssen, heißt eine Hoffnung: Rekonvaleszentenplasma. Ein
Dreivierteljahr später ziehen Fachleute ein vorsichtiges Fazit.
Regensburg (dpa) - Eine Infektion mit dem Coronavirus hat den
52-jährigen Erich Altmann beinahe das Leben gekostet. An der
Uniklinik Regensburg wurde er im April als einer der ersten schwer
erkrankten Covid-19-Patienten mit Rekonvaleszentenplasma behandelt.
Die Wirksamkeit der Methode, bei der Antikörper aus dem Blutplasma
genesener Corona-Infizierter jenen Patienten helfen soll, bei denen
sich im Blut keine Antikörper bilden, ist umstritten.
Bei Altmann jedenfalls wurde das heimtückische Virus eliminiert und
konnte im Blut nicht mehr nachgewiesen werden. Nach 14 Wochen im
Koma, davon lange an die Lungenmaschine angeschlossen, hatte er es
geschafft. Die Folgen der Erkrankung werden ihn noch lange begleiten.
Bundesweit hatten Universitätskliniken im April um Blutplasma-Spenden
gebeten. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) genehmigte eine große Studie
(Capsid) hierzu, an der sich Kliniken aus dem ganzen Land beteiligen.
Ein Dreivierteljahr später fällt ein vorsichtiges Fazit von
Fachleuten zur Behandlung von Covid-19-Patienten mit Blutplasma
durchwachsen aus.
In der Uniklinik in Regensburg sind seit April etwa 90 Menschen mit
der Methode behandelt worden. Thomas Müller, Leiter der
Intensivmedizin, bilanziert: «Die Gabe von Rekonvaleszentenplasma ist
kein Wundermittel.» Für bestimmte Patienten könne sie aber eine
unterstützende Maßnahme sein. Das gelte vor allem für Patienten, die
sich in einem frühen Stadium der Erkrankung befinden beziehungsweise
bei denen Covid-19 einen mittelschweren Verlauf nimmt.
«Bei Covid-19 gibt es noch keine wirklich effektive Therapie», sagt
Müller. Patienten mit schweren Symptomen werden - wenn die
Sauerstoffgabe nicht mehr ausreicht - in der Regel beatmet oder gar
an die Lungenmaschine angeschlossen. Zudem können sie das zugelassene
Cortisonpräparat Dexamethason und die antivirale Arznei Remdesivir
erhalten.
Beim Robert Koch-Institut (RKI) heißt es, die virusspezifischen
neutralisierenden Antikörper «scheinen eine Schlüsselrolle bei der
Viruselimination» zu spielen. In dem Blutplasma befänden sich zudem
unter anderem Proteine wie das entzündungshemmende Zytokin, so dass
eine Transfusion bei Covid-19 «vorteilhaft sein könnte».
Auch Holger Hackstein, Leiter der Transfusionsmedizin an der
Uniklinik Erlangen, sieht gewisse Vorteile für Patienten in einem
frühen Erkrankungsstadium. Bekomme ein Patient, der keine Antikörper
gebildet hat, Blutplasma verabreicht, gehe die Virenlast zumeist
zurück und auch die Entzündungswerte verbesserten sich, sagt er.
Patient Altmann ist froh über die Möglichkeit der Blutplasma-Gabe.
Ihr Anteil an der Genesung ist jedoch unklar. Der 52-Jährige kämpft
sich jetzt in sein früheres Leben zurück. Er muss alles neu
lernen: laufen, sprechen, essen.
Eine so lange Zeit im Koma führe bei den Patienten zu eine schweren
Muskelatrophie, die sich auch auf die Nerven auswirke, erläutert
Helge Matrisch, Chef der Neurologie in der Rehaklinik Schaufling.
Zudem bedeute Covid-19 einen erheblichen Sauerstoffmangel im Blut.
Nach dem Koma seien die Patienten nicht in der Lage, auch nur den Arm
leicht anzuheben. Die Reha dauere meist Monate und Jahre.
In der niederbayerischen Klinik sitzt Altmann im Rollstuhl und
sagt: «14 Wochen im Koma. Als ich das erfahren habe, das war ein
Schock.» Bei der Rehabilitation lässt er sich nicht unterkriegen.
Zurzeit übt er mit seinem Physiotherapeuten das Gehen mit einem
Unterarmrollator und sagt trotz allem froh gelaunt: «Mir geht es
gut.» Der Rückhalt von Familie, Freunden und Kollegen sporne ihn an.
Seine optimistische Einstellung hat ihm das Virus nicht genommen. Und
verstecken will er sich auch nicht. «Maskenverweigerer und
Coronaleugner können sich bei mir gerne anschauen, welche schlimmen
Folgen Covid-19 hat.»
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.