Impfbereitschaft bei Corona - wovon hängt sie ab? Von Annett Stein, dpa
Die Corona-Pandemie bringt viele Einschränkungen - und eine viele
Menschen verunsichernde Frage: Soll ich mich möglichst bald gegen das
Virus impfen lassen oder warte ich erstmal ab?
Berlin (dpa) - «Willst du dich gegen Corona impfen lassen?» In
Familien sowie unter Freunden und Arbeitskollegen ist das derzeit
eine häufig gestellte Frage. In Großbritannien haben die
Massenimpfungen bereits begonnen, auch in Deutschland wird es wohl
nicht mehr lange dauern, bis die ersten Spritzen in Impfzentren
aufgezogen werden. Im Interesse der Gesellschaft sollten möglichst
viele Menschen einen solchen Schutz bekommen - doch bei weitem nicht
alle wollen das. Welche Faktoren entscheiden über die
Impfbereitschaft?
Ganz entscheidend ist nach Ansicht vieler Experten das Gefühl,
sachlich und umfassend über die Vor- und Nachteile informiert worden
zu sein. Transparenz sei für eine erfolgreiche Impfkommunikation
sicher das oberste Gebot, sagte der Ökonom Florian Zimmermann von der
Universität Bonn und dem Behavior and Inequality Research Institute
(briq). «Die Bevölkerung muss über die sehr umfangreichen Test- und
Prüfverfahren informiert werden, um Ängste im Zusammenhang mit
Impfungen zu reduzieren.»
Dem Projekt «Covid-19 Snapshot Monitoring» (Cosmo) der Universität
Erfurt zufolge wird Vertrauen in die Sicherheit der Impfung von
Befragten als wichtigster Faktor dafür genannt, sich impfen zu
lassen. Der zweiwöchentlichen Befragung zufolge gab Anfang Dezember
etwa die Hälfte der gut 1000 Befragten an, sich (eher) gegen Covid-19
impfen lassen zu wollen. «Die Tendenz ist seit April fallend und es
gab keinen Anstieg der Impfbereitschaft, seit das Thema durch die
beantragten Zulassungen stärker öffentlich diskutiert wird», hieß e
s
dazu.
Selbst bei einem perfekt wirksamen Impfstoff würde die aktuelle
Impfbereitschaft in Deutschland damit nicht ausreichen, um die
Verbreitung des Virus zu stoppen. Männer und ältere Menschen sind den
Cosmo-Daten zufolge eher bereit, sich impfen zu lassen, als Frauen
und jüngere Leute. Die Bundesregierung plant Info-Kampagnen und wirbt
um Vertrauen. Dazu gehört das wiederholte Versprechen: Es geht um ein
Impfangebot, keine Impfpflicht. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
hat im Bundestag sein Wort darauf gegeben.
In Großbritannien hat am Dienstag (8.12.) eine Impfkampagne begonnen,
nachdem der RNA-Impfstoff von Biontech und Pfizer eine nationale
Notfallzulassung erhalten hatte.
Spahn sprach für Deutschland im Fall einer Zulassung zuletzt von elf
Millionen verfügbaren Dosen allein von diesen beiden kooperierenden
Unternehmen bis Ende März 2021. Damit könnten 5,5 Millionen Menschen
geimpft werden. Einem Entwurf der Ständigen Impfkommission beim
Robert Koch-Institut (RKI) zufolge sollen Ältere über 80,
Pflegeheimbewohner und Personal mit höchstem Infektionsrisiko in
Kliniken und Altenheimen zuerst geimpft werden, insgesamt rund
8,6 Millionen Menschen.
«Die Impfung ist ein Angebot. Sie kann Menschen vor einer potenziell
schweren Erkrankung und vor Tod bewahren und die vulnerabelsten
Gruppen unserer Gesellschaft schützen», sagt Julia Neufeind vom
Fachgebiet Impfprävention am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin.
Eine Impfung könne Sorgen nehmen, Erleichterung und Freiheit bringen.
«Eine Impfung ist ein Baustein, um zu einer weitgehenden Normalität
zurückzukehren. Das alles sind große Anreize, sich impfen zu lassen.»
Zu den Gegenargumenten, die es sachlich zu diskutieren gebe, gehörten
die noch unklaren möglichen Langzeit-Nebenwirkungen, erläutert der
österreichische Mediziner Herwig Kollaritsch in seinem Buch «Pro &
Contra Coronaimpfung». Er ist Mitglied des österreichischen
Corona-Beraterstabs und hat viele wissenschaftliche Arbeiten zum
Thema Impfen publiziert. Früh Geimpfte könnten demnach theoretisch
Nachteile durch erst später gewonnene Erkenntnisse haben. Gerade bei
einer RNA-Impfung seien ungeplante und unerklärbare Nebenwirkungen
aber nicht sehr wahrscheinlich.
Zwar produzierten die Zellen bei RNA-Impfstoffen wegen einer
besonders kräftigen Immunantwort des Körpers viele Botenstoffe,
erklärt Kollaritsch. «Einige dieser Botenstoffe fördern
Entzündungen oder haben andere systemische Auswirkungen.» Dies
betreffe aber lediglich die auch für andere Impfungen typischen
Begleiterscheinungen: «geplante, durch Studien dokumentierte und
einkalkulierte Nebenwirkungen, die unser Wohlbefinden beeinträchtigen
können, nicht aber unsere Gesundheit». Beim Impfstoff von
Pfizer/Biontech seien nach den bisher vorliegenden Daten vor allem
zwei häufig: Kopfschmerzen und Müdigkeit.
Klar müsse sein, dass mit Impfungen im Prinzip lediglich der von
Infektionen bekannte Vorgang der Immunisierung nachgeahmt werde -
«allerdings harmloser für den Empfänger und nicht mit Krankheit oder
Schaden verbunden», erläutert Kollaritsch. «Das damit beschäftigte
Organ, unser Immunsystem, ist auf solche Vorgänge durch Entwicklung
über Jahrmillionen ausgelegt und die Idee, dass Impfen unser
Immunsystem ungebührlich belastet oder sogar überlastet, ist schlicht
unsinnig.»
Impfungen seien anders als viele andere medizinische Interventionen
Präventionsmaßnahmen, betont auch RKI-Expertin Neufeind. «Sie
schützen den gesunden Menschen vor einem Risiko, sie heilen nicht den
bereits erkrankten Menschen», erklärt sie. «Daher werden an
Impfstoffe auch besonders hohe Anforderungen bezüglich der Sicherheit
gestellt. Ein zugelassener Impfstoff wird sehr sicher sein.»
Kollaritsch glaubt, dass sich gerade ein junger Mensch bei der
Entscheidung für oder wider die Impfung dennoch sagen könnte: Mein
Risiko, an Covid-19 mit schwerem Verlauf zu erkranken, ist
vergleichsweise gering, also warte ich erst einmal ab, wie es den
Älteren damit geht und entscheide dann. «Aus gesellschaftlicher Sicht
ist das nicht besonders ethisch. Aus Sicht eines einzelnen Menschen
aber sehr wohl verständlich.» Es gehe auch darum, wie sehr man bereit
sei, durch eine Impfung Verantwortung für seine Mitmenschen -
darunter auch für die aus Risikogruppen - zu übernehmen.
Senja Post vom Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation an der
Universität Göttingen sieht in der oft emotional geführten
Impfdebatte zudem ein Risiko für heftige Reaktionen auf bestimmte
Informationen. «So könnte es viele ängstigen, wenn nach einer Impfung
rein zufällig ein spektakuläres Ereignis wie eine schwere Krankheit
eintritt.» Es müssten daher von vornherein stets auch die
Hintergrundinformationen vermitteln werden, die zu einer sachlich
angemessenen Interpretation solcher Ereignisse notwendig seien.
«Ein Dilemma könnte darin bestehen, dass die relativ komplexen
Hintergründe dem Bedürfnis vieler Menschen nach eindeutiger
Information in der Krise entgegenstehen», erklärt Post. Generell sei
das Thema Gesundheit häufig von großer Unsicherheit geprägt, welche
Ängsten viel Raum lasse, sagt der Bonner Forscher Zimmermann. «Solche
Ängste sind im Fall der Covid-19-Impfstoffe potenziell besonders
ausgeprägt, zum einen aufgrund der kurzen Dauer der Entwicklung und
Prüfung, zum anderen auf Grund der Vielzahl von Falschmeldungen und
von Impfgegnern in Umlauf gebrachten Narrativen, die in privaten und
sozialen Netzwerken kursieren.»
Neben dem Ziel, sich selbst zu schützen, werde für die
Impfbereitschaft die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung
entscheidend sein: Wenn andere sich nicht impfen ließen, sei man
selbst auch weniger dazu bereit, so Zimmermann. Zum Problem könne das
bei den Gruppen von Impfgegnern und Corona-Leugnern werden, die von
großen Teilen der Medien- und Forschungslandschaft abgekoppelt seien.
«Diese Gruppen sind aus meiner Sicht kaum mehr durch Kommunikation zu
erreichen.»
Idealerweise gelinge es der Gesellschaft, eine soziale Norm des
Impfens zu etablieren, erklärt Zimmermann. Soziale Anreize könnten
sehr effektiv sein, «also zum Beispiel die Aussicht auf soziale
Anerkennung oder auf Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die etwas Gutes
tut».
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