Reizthema Skifahren: Deutschland schäumt, Alpenländer bleiben cool Von Christiane Oelrich, dpa

In Deutschland tobt die Debatte um eine Schließung der Skigebiete in
Europa bis Januar. Touristiker in Österreich und der Schweiz schert
das nicht. In beiden Alpenländern stehen die Signale auf «Go».

Genf/Wien (dpa) - Maßregelungen aus München, Berlin oder Brüssel -
ein rotes Tuch für Österreich und die Schweiz, das gilt auch im
Corona-Winter: Der Aufruf, die Skigebiete über Weihnachten und
Neujahr geschlossen zu halten, empört viele in den Alpenländern. Sie
wollen sich das Weihnachtsgeschäft mit den Wintertouristen nicht
vermasseln lassen - auch wenn die Infektionszahlen in beiden Ländern
zurzeit deutlich höher sind als etwa in Deutschland. Auch Italien und
Frankreich sind für eine Öffnung der Skigebiete erst im Januar.

«Die Schweiz fährt Ski. Aber sicher!», heißt es in einer
Werbekampagne, die sich auch an Gäste aus dem Ausland richtet. Hoch
gelegene Skigebiete sind teils schon offen, etwa in St. Moritz, Davos
und Zermatt. Auch in Österreich laufen mancherorts die Skikanonen
schon auf Hochtouren. In den Skigebieten im Zillertal, St. Johann in
Tirol und St. Anton am Arlberg soll die Saison nach derzeitigen
Plänen in den nächsten zwei Wochen starten. Die Regierung in Wien
verbittet sich Einmischung. Das Land entscheide selbst, ob es die
Skigebiete öffnet, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Der Präsident des Verbandes Seilbahnen Schweiz, Hans Wicki, spürt
Druck aus dem Ausland. «Da muss man jetzt Gelassenheit und Coolness
an den Tag legen, damit man das gut übersteht», sagte er im Rundfunk.
Österreichs Finanzminister Gernot Blümel drohte mit Geldforderungen.
«Wenn die EU eine Vorgabe macht, dass die Skigebiete geschlossen
bleiben müssen, erwarten wir uns Kompensationszahlungen», sagte er
der Zeitung «Die Welt» (Samstag). Wintersport ist in den Ländern ein

wichtiger Wirtschaftszweig mit Tausenden Arbeitsplätzen. Die
Weihnachtsfeiertage sind Hochsaison.

Im Schweizer Kanton Wallis will man französische Skitouristen jetzt
mit einem besonderen Angebot locken: «Wir planen einen Busbetrieb,
der Ski-Touristen aus dem französischen Teil der Portes du Soleil
abholt», kündigte der Chef des Schweizer Teils des Skigebiets,
Enrique Caballero, im Rundfunk an. Skigebiete, Bergbahnen und
Wintersportanbieter zielen mit einer interaktiven Webseite auch auf
ausländische Gäste. Interessierte können sehen, welche Skigebiete zum

Beispiel die Zahl der Gäste in den Gondeln beschränken, wo
zusätzliche Terrassenplätze in den Bergrestaurants geschaffen wurden
oder wo Bergfahrten vorab online reserviert werden können.

Die Menschen in Deutschland sind allerdings mehrheitlich für die
Schließung der Skigebiete zur Eindämmung der Pandemie. In einer
Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der
«Augsburger Allgemeinen» (Samstag) sagten 73,8 Prozent, eine
Schließung es sei «eindeutig» oder «eher richtig». 19,5 Prozent d
er
Befragten hielten dies für «eher» oder «eindeutig falsch».

Ob Wintersportlerinnen und Wintersportler an den Festtagen sich auf
den Pisten des Sauerlandes vergnügen können, ist noch offen. Wie
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Sonntag
im Deutschlandfunk sagte, werde ein Aussetzen des Ski-Tourismus
derzeit geprüft. Man wolle auf die Betreiber in den dortigen Gebieten
zugehen und «da auch vorbildlich handeln».

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich in der vergangenen Woche mit
Blick auf Winterurlaube für eine Schließung aller Skigebiete in
Europa ausgesprochen. Gegner eines weihnachtlichen Skivergnügens
sprechen warnend von Ischgl, dem österreichische Skiort, der im
Frühjahr maßgeblich zur Virusverbreitung in Europa beigetragen haben
soll.

«Ein zweites Ischgl können wir uns in diesem Winter nicht erlauben,
sonst besteht die Gefahr, dass wir europaweit in einer
Lockdown-Situation landen, aus der wir nicht mehr hochkommen», sagte
der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Hans begrüßte zudem die
bayerische Regelung, wonach auch Tagestouristen, die zum Skifahren
nach Österreich reisen, anschließend zehn Tage in Quarantäne müssen
.

Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery,
mahnte strenge Regeln für Skiurlauber an. «Wer jetzt noch meint,
trotz hoher Infektionszahlen in den Skiurlaub fahren zu müssen,
sollte ganz klar wissen, dass er danach in Quarantäne gehört», sagte

er der «Rheinischen Post» (Samstag). Er forderte in jedem Bundesland
eine verpflichtende mindestens fünftägige Quarantäne.

«Die Politiker sprechen davon, ein zweites Ischgl verhindern zu
wollen», sagt der Geschäftsführer der Skigebiete Corvatsch,
Diavolezza und Lagalb, Markus Moser, der Zeitung «Blick». Das sei
aber nicht fair, die Infektionen seien ja nicht bei Sport, sondern
beim Après-Ski passiert. Das fröhliche Feiern nach einem Pistentag
soll dieses Jahr tabu sein: «Ski-Vergnügen ja, aber ohne Après-Ski»
,
hatte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigt.

Ischgl will öffnen: «Wie gut, dass Sie auf all das nicht mehr lange
warten müssen, denn am 17. Dezember 2020 ist es endlich so weit: Der
erste Skitag in der Silvretta Arena in Ischgl steht am Programm!»,
heißt es auf der Webseite des Skiorts.

Die Schneeregion Engadin lockt eine ganz prominente Besucherin: «Frau
Merkel, bei uns sind Sie sicher!» titelte die Boulevardzeitung
«Blick» am Samstag, verbunden mit einer Charme-Offensive aus
Pontresina, wo Merkel im Winter seit Jahren regelmäßig Langlauf
macht. «Frau Merkel muss keine Angst haben», sagte Hotelier Thomas
Walther. «Unsere Hygienekonzepte haben sich seit dem Sommer bestens
bewährt. In Berlin leben Sie vermutlich viel gefährlicher!» Der
Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset will sich das Skivergnügen
auch nicht nehmen lassen. Er würde gerne auf die Piste gehen, sagte
er im Fernsehen. «Aber mit Abstand, Maske und Handhygiene.»