Streit um Corona-Sperrstunde - Zwölf Regionen in höchster Warnstufe

Vor Hessens Gerichten wird weiter über die Corona-Beschränkungen
gestritten. Gleichzeitig steigen die Infektionszahlen an. Viele
Regionen haben die oberste Warnstufe des Landes erreicht.

Kassel/Gießen/Wiesbaden (dpa/lhe) - Sperrstunden-Regelungen wegen der
Corona-Pandemie beschäftigten weiter die Verwaltungsgerichte in
Hessen. In Mittelhessen wird in mehreren Kreisen juristisch um die
verhängten Regeln für die Gastronomie gestritten. Während die
behördlichen Verfügungen für Sperrstunden im Kreis Gießen und im
Kreis Marburg-Biedenkopf vor Gerichten für rechtswidrig erklärt
wurden, hob der Lahn-Dill-Kreis am Freitag seine Allgemeinverfügung
von sich aus wieder auf, bevor sie in Kraft trat. Er begründete das
mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in Kassel.

Der hatte die zunächst bis 1. November geltende Verfügung des Kreises
Gießen für eine Sperrstunde ab 23.00 Uhr vorerst gestoppt und
bezeichnete sie als nicht verhältnismäßig (Aktenzeichen 6 B 2551/20).

Im Kreis Marburg-Biedenkopf hatte sich die Betreiberin eines
Marburger Lokals per Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Gießen
erfolgreich gegen die dortige Verfügung gewandt. Dagegen legte der
Kreis mittlerweile Beschwerde ein und betonte, die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts sei noch nicht rechtskräftig.

RISIKOGEBIETE 

Knapp die Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte in Hessen hat
am Freitag die höchste Corona-Warnstufe der Landesregierung erreicht.
Die Marke von 75 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben
Tagen überschritten 12 der 26 Kommunen, wie aus Zahlen des hessischen
Sozialministeriums (00.00 Uhr) hervorgeht. Laut des
Eskalationskonzeptes der Landesregierung soll dann der Planungsstab
des Sozialministeriums die Steuerung der medizinischen Lage
übernehmen. Fünf Kommunen wiesen laut Sozialministerium eine Inzidenz
jenseits der Marke 100 auf: Frankfurt (134,8), der Landkreis
Groß-Gerau (122,1), die Stadt Offenbach (111,8), der Landkreis
Marburg-Biedenkopf (109,1) und die Stadt Darmstadt (107,6).

INFEKTIONSZAHLEN

Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle in Hessen erhöhte sich am
Freitag im Vergleich zum Vortag um mindestens 958. Damit wurden seit
Beginn der Pandemie 29 398 Menschen in dem Bundesland positiv
getestet, wie das Robert Koch-Institut (RKI) mitteilte (Stand 0.00
Uhr). Die Zahl der Todesfälle, die mit Covid-19 in Verbindung
gebracht werden, nahm um 7 auf 600 zu. Allerdings können die
aktuellen Gesamtzahlen für Hessen noch höher liegen. Wegen einer
technischen Störung am RKI ist es am Donnerstag zeitweise zu
Datenlücken bei der Übermittlung von Infektionszahlen aus den
Bundesländern gekommen.

Nach dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin lagen in Hessen 97
Covid-19-Patienten auf Intensivstationen (Stand 12.15 Uhr). Das
entspreche sechs Prozent der belegten Intensivbetten. 37 davon wurden
beatmet.

NACHVERFOLGUNG AM LIMIT

Einige Gesundheitsämter können angesichts der Vielzahl der Fälle
nicht mehr jede Infektionskette nachvollziehen. «Jedem Fall genau
nachzugehen, das gelingt nicht mehr», sagte der Leiter des
Frankfurter Gesundheitsamts, René Gottschalk, am Freitag im
ZDF-«Morgenmagazin». In Frankfurt kämen derzeit zwischen 100 und 200

Fälle pro Tag dazu. «Eine solche Fülle kann man nicht mehr im Detail

abarbeiten, das ist ganz klar.» Die Mitarbeiter müssten inzwischen
die Fälle priorisieren. «Man muss sich jetzt gezielt die Fälle
raussuchen, wo es besondere Dinge gibt, die es zu beachten gibt, wo
es sich lohnt, genau nachzufragen», sagte Gottschalk.

ERNEUTER AUSBRUCH BEI FLÜCHTLINGEN

Nach einer Masseninfektion mit dem Coronavirus in einer
Flüchtlingsunterkunft in Kassel sind weitere Corona-Fälle
aufgetreten. Insgesamt seien 30 weitere Bewohner sowie ein
Beschäftigter der Einrichtung positiv getestet worden, sagte ein
Sprecher des zuständigen Regierungspräsidiums Gießen am Freitag.
Dabei habe es auch einen erneuten Corona-Ausbruch unter Bewohnern
gegeben, die zuvor in andere Einrichtungen verlegt worden waren.
Diese seien nun in die Flüchtlingsunterkunft zurückgebracht worden.
Ursprünglich waren 109 von 301 Bewohnern der Erstaufnahme in
Kassel-Niederzwehren positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden.

HAUSVERBOT FÜR KRITIKER DER MASKENPFLICHT

Nach Vorfällen mit Kritikern der Maskenpflicht empfiehlt Darmstadt
seinen Schulen und Kindergärten solche Personen zu vertreiben. «Die
Schul- und Kitaleitungen sind in diesen Fällen ermächtigt, das
Hausrecht durchzusetzen und die Personen des Geländes zu verweisen»,
erklärte die Stadtverwaltung am Freitag. Notfalls solle die Polizei
gerufen werden. Anlass seien Vorfällen am Mittwoch, als Demonstranten
auf das Schulgelände der Georg-Büchner-Schule vorgedrungen seien.
Deshalb hätten Krisenstab und Staatliches Schulamt diese Empfehlung
ausgesprochen, damit Unterricht und Betreuung störungsfrei möglich
seien.

BRIEF VON KLOSE AN SPAHN

Zu wenige Pflegekräfte sind der Engpass bei der Betreuung schwer
betroffener Covid-19-Patienten - Hessens Sozialminister Kai Klose
(Grüne) hat deswegen nun Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
um Hilfe gebeten. Konkret geht es um eine Bundesregelung namens
Pflegepersonaluntergrenzenverordnung. Zuvor hatte die «Frankfurter
Allgemeine Zeitung» (FAZ/Freitag) darüber berichtet. Die Verordnung
legt fest, wie viel Personal in bestimmten Klinikbereichen mindestens
vorgehalten werden muss. Können die Vorgaben nicht eingehalten
werden, darf das Krankenhaus keine neuen Patienten aufnehmen.

ANKLAGE GEGEN PFLEGER

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat Anklage gegen einen Altenpfleger
erhoben, der trotz eines positiven Corona-Tests mehrfach zum Dienst
in einem Pflegeheim gekommen ist. Er stehe im Verdacht, mit dem
Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz eine Straftat begangen zu
haben, sagte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen am Freitag. Dem
61-Jährigen war vom Kreisgesundheitsamt des Main-Taunus-Kreises eine
Quarantäne und ein Test auferlegt worden, nachdem es im April dieses
Jahres in dem Pflegeheim im Kreis zu Infektionen gekommen war. Der
Test fiel positiv aus, dennoch kam der Mann noch drei Mal in das Heim
und brachte laut Anklage auch seine Tochter mit dem Auto zur Schule.

HANDEL WILL SONNTAGÖFFNUNG

Der Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für
verkaufsoffene Sonntage stößt beim Handelsverband Hessen auf
Zustimmung. Um die Kundenfrequenz in den hessischen Innenstädten
gerade in den Herbst- und Wintermonaten zu entzerren, solle der
Handel auch sonntags öffnen dürfen, sagte Verbandspräsident Jochen
Ruths: «Die Möglichkeit, auch sonntags die Ladentüren zu öffnen, wi
rd
zur Entzerrung und Reduzierung der Personenkontakte führen.» So lasse
sich die steigende Kundenfrequenz in den Städten verantwortungsvoll
lenken. Die hessische Landesregierung hielt sich zu dem Vorstoß
zunächst bedeckt.

GEWERKSCHAFT: SCHULSCHLIESSUNGEN VERMEIDEN

Angesichts von Höchstständen bei Corona-Neuninfektionen in Hessen in
der ersten Woche nach den Herbstferien fordert die Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW), dass Schulen in Risikogebieten im
Unterricht zu einem Wechselmodell mit kleinen Gruppen übergehen.
Dabei werden Schüler mal im Klassenraum und mal aus der Distanz
online unterrichtet. Die Landesregierung weigere sich einzugestehen,
dass der Regelbetrieb an den Schulen nicht dauerhaft aufrechterhalten
werden könne, kritisierte die GEW: «Wenn jetzt nicht mit dem
Wechselmodell gegengesteuert wird, drohen am Ende wieder vollständige
Schulschließungen wie aktuell im Berchtesgadener Land.»

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