Kleine Parteien sehen sich durch Unterschriftensammeln gefährdet

In Fußgängerzonen Passanten für sich zu gewinnen, ist für Parteien

schon in normalen Zeiten nicht leicht. Doch in der Corona-Pandemie
Unterschriften sammeln zu müssen, um bei der Wahl antreten zu dürfen,
sei geradezu gefährlich, kritisieren Piraten und Freie Wähler.

Mainz (dpa/lrs) - Parteien, die weder im Bundes- noch im Landtag
vertreten sind, müssen für ihre Zulassung zur bevorstehenden
rheinland-pfälzischen Landtagswahl insgesamt 2080 sogenannte
Unterstützerunterschriften einreichen. Damit soll die Partei oder
Wählervereinigung laut Landeswahlrecht glaubhaft machen, dass sie mit
einer gewissen Wählerschaft rechnen kann. Doch das Sammeln der
Unterschriften stellt in Zeiten von Corona die kleineren Mitspieler
im politischen Wettbewerb vor schwierige Herausforderungen. Die
Freien Wähler und die Piraten kritisieren diese Praxis.

«Es ist in der Tat schwieriger geworden, die
Unterstützungsunterschriften zu sammeln», erklärte der
Landesgeschäftsführer der Freien Wähler, Detlef Müller-Greis, der
Deutschen Presse-Agentur. «Zum einen trifft man coronabedingt
erheblich weniger Menschen in den Innenstädten an, zum anderen meiden
die meisten Leute den engen Kontakt, der für die Leistung der
Unterschrift nur schwer zu vermeiden ist.»

Der sprunghafte Anstieg der Corona-Infektionszahlen in den
vergangenen Wochen mache deutlich, dass eine «klare Gefährdung»
bestehe, sagte Müller-Greis. «Das ist natürlich auch allen bewusst,
die derzeit für uns Unterschriften sammeln. Man muss auch Verständnis
haben für jeden, der angesichts dieser Situation keine Unterschriften
im öffentlichen Raum sammeln möchte.»

Die Piratenpartei hatte Anfang Oktober die Pflicht zur Sammlung der
Unterstützerunterschriften als «staatlich angeordnete
Gesundheitsgefährdung» scharf kritisiert. Die Partei habe seit April
vergeblich versucht, der Landesregierung klar zu machen, dass «der
persönliche Kontakt zu Zehntausenden Personen in Zeiten von Corona
nicht sinnvoll ist».

Nicht nur durch die Einhaltung der Abstandsregeln werde das Sammeln
von Unterschriften erschwert, sondern auch durch das Fehlen größerer
Veranstaltungen. Das Sammeln in Fußgängerzonen sei zudem erschwert,
weil Menschen sich nicht auf längere Diskussionen einlassen wollten.
«Einige Menschen tun sogar ihren Unmut gegen die Sammler durch
bewusstes Anhusten kund», berichtete die Landesvorsitzende Marie
Salm. Gerade ältere Mitglieder seien nur bedingt bereit, «stundenlang
auf der Straße Menschen anzusprechen.»

Die Forderung der Piraten, auf die erforderliche
Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge zu verzichten, wurde

im Petitionsausschuss des Landtags Ende August mit Verweis auf vom
Innenministerium vorgebrachte juristische Einwände zunächst einmal
zurückgestellt. Die Situation solle aber weiter beobachtet werden, um
bei einer veränderten Lage durch die Corona-Pandemie eine «etwaige
Anpassung des Landeswahlgesetzes» zu prüfen, wie es in einem von der
Partei veröffentlichen Schreiben des Ausschusses heißt.

Die Landesregierung betont, dass sie «fortlaufend und mit Sorgfalt»
die Entwicklung des Infektionsgeschehens beobachte. «Das gilt auch
für mögliche Auswirkungen auf die Landtagswahl», teilte das
Innenministerium der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit.

«Unter Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen können auch
weiterhin Unterstützungsunterschriften für die Landtagswahl gesammelt
werden», erklärte das Ministerium weiter. Die aktuellen
Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens schlössen die
Sammlung von Unterstützungsunterschriften nicht aus.

Für den Landeswahlleiter ist das Sammeln von
Unterstützungsunterschriften gesetzlich klar geregelt. «Diese
Bedingung ist weiterhin geltendes Recht und muss eingehalten werden»,
sagte Marcel Hürter, der auch Präsident des Statistischen Landesamtes
ist, der dpa. Beschwerden seien ihm nicht bekannt. Die
Einreichungsfrist für die Vorschläge ende erst am 29. Dezember 2020,
daher seien bislang noch keine Unterschriften eingegangen.

Parteien wie die Piraten und Freien Wähler bitten auch auf ihren
Auftritten im Internet um die Unterstützung in Form ausgefüllter
Formulare. Die Freien Wähler machen auch über Facebook auf diese
Möglichkeit aufmerksam. «Die Resonanz hier ist aber äußerst gering,

da ja die Unterschriften auch noch verifiziert werden müssen»,
erklärte Müller-Greis. Die zuständigen Ämter müssten die
Wahlberechtigung des Unterzeichnenden ja noch bestätigen. Für die
Landesliste hätten die Freien Wähler derzeit etwa ein Drittel der
vorgeschriebenen Zahl von Unterschriften beisammen.

Für die Freien Wähler sei es nicht nachzuvollziehen, warum eine
Partei, die in Bayern in der Regierungsverantwortung sei, in mehreren
Landesparlamenten sitze und zum dritten Mal in Folge in
Rheinland-Pfalz antrete, erneut Unterschriften sammeln müsse, sagte
der Landesgeschäftsführer. Eine entsprechende Anfrage bei
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), angesichts der Situation durch
Corona eine andere Regelung zu treffen, sei negativ beantwortet
worden, da man keinen Handlungsbedarf sehe.

Die Piraten schätzen die Zahl der bislang gesammelten Unterschriften
aktuell «im unteren dreistelligen Bereich» ein. Die Lage werde mit
Blick auf den Winter und die vielerorts fehlenden Weihnachtsmärkte
nicht besser. «Das Sammeln der Unterstützerunterschriften sehen wir
als überholt an. In der heutigen digitalen Zeit sind die Preisgabe
von Adresse, Geburtsdatum und Unterschrift nicht mehr zu empfehlen»,
sagte Salm. «Wir verstehen dass es zur «Ernsthaftigkeit einer
Wahlbeteiligung» gehört, Menschen auf seiner Seite zu haben. Aber
warum wir dies für jede Wahl erneut machen müssen, ist dringend zu
hinterfragen.» Würde die Pandemie wie eine vorgezogene Neuwahl
behandelt, würde das die Zahl der Unterschriften auf ein Viertel der
jetzt geforderten Stimmen herabsetzen.

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