Brinkhaus will Einheitlichkeit gegen Corona - 7830 Neuinfektionen

Die Corona-Zahlen in Deutschland erreichen immer neue Höchstwerte,
die Politik warnt und fordert Einheitlichkeit. Doch die Regeln, die
das Virus eindämmen sollen, werden nicht nur in Einzelfällen von
Gerichten gekippt.

Berlin (dpa) - Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hat im Kampf gegen
die in die Höhe schnellenden Corona-Infektionszahlen eine
bundeseinheitliche Linie gefordert. «Alles andere ruft momentan nicht
nur große Irritation in der Bevölkerung hervor - es behindert ein
konsequentes, gebündeltes Vorgehen gegen Corona», schrieb der
CDU-Politiker in einem der Deutschen Presse-Agentur in Berlin
vorliegenden Brief an die Abgeordneten von CDU und CSU.

Am Samstagmorgen meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 7830
Corona-Neuinfektionen in Deutschland, mehr als je zuvor seit Beginn
der Pandemie. Am Samstag vergangener Woche waren es noch 4721 neue
Infektionen. Die jetzigen Werte sind nur bedingt mit denen aus dem
Frühjahr vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet
wird - und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnte mit Blick auf die
Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten vor einem «Kontrollverlust
in einigen Regionen in Deutschland». «Das ist hochgefährlich», sagt
e
der CSU-Politiker der «Passauer Neuen Presse» (Samstag). «Wenn keine

Nachverfolgung der Infektionen mehr möglich ist, so wie in den
Niederlanden, Frankreich, Spanien und Tschechien, muss man die
Kontakte generell begrenzen. Das geht nur mit einem Lockdown oder
ähnlichen strikten Maßnahmen.»

Kanzleramtschef Helge Braun kündigte an, noch mehr Helfer zur
Unterstützung der Kommunen bei der Kontaktnachverfolgung
mobilisieren zu wollen. Neben dem Bundeswehrkontingent von bis zu 15
000 Soldaten schaue man auch, «ob wir weitere Personalreserven in der
Bundesregierung und nachgeordneten Behörden mobilisieren können»,
sagte der CDU-Politiker der «Rheinischen Post» (Samstag). Er habe
zudem die Hoffnung, zur Kontaktnachverfolgung auch eine größere Zahl
von Studierenden zu gewinnen.

Söder teilte die Befürchtungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel,
dass die am Mittwoch von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen
nicht weit genug gingen. «Wir dürfen Corona nicht schön- oder
kleinreden. Wir müssen grundlegende Entscheidungen treffen. Wenn wir
das nicht tun und nur halbherzig vorgehen, steuern wir unwillkürlich
auf einen zweiten Lockdown zu. Wer keinen Lockdown will, der muss
jetzt entschlossen handeln», sagte der CSU-Chef.

Doch einige beschlossene Maßnahmen - unter anderem das umstrittene
Beherbergungsverbot - werden derzeit von Gerichten ausgebremst. Am
Freitagabend hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das
Brandenburger Beherbergungsverbot für Gäste aus Corona-Hotspots
zunächst gestoppt. Das Gericht habe zwei Eilanträgen stattgegeben,
hieß es. Auch in Baden-Württemberg und Niedersachsen hatte es zuvor
Urteile gegen die Maßnahme gegeben.

Das Beherbergungsverbot sei voraussichtlich unverhältnismäßig,
begründete das Gericht die Entscheidung. Die zu erwartende Eindämmung
des Infektionsgeschehens stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu
den Einschränkungen, die die Kläger hinnehmen müssten. Auch die durch

die Verfassung geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Urlauber
werde zu stark eingeschränkt.

Es ist nicht die einzige Maßnahme, die vor Gericht derzeit
Schwierigkeiten hat. Eine Woche nach ihrer Einführung steht die
Sperrstunde für Berliner Bars und Kneipen auf wackligen Füßen. Sie
halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, erklärte das
zuständige Verwaltungsgericht am Freitag. Es befand, die Sperrstunde
sei für eine nennenswerte Bekämpfung des Infektionsgeschehens nicht
erforderlich. Wegen des Ausschankverbots bestehe auch die Gefahr
einer alkoholbedingten «Enthemmung» nach 23.00 Uhr nicht.

Sperrstunden sind aber eigentlich ein zentraler Baustein im Konzept
von Bund und Ländern, um die stark steigende Zahl von Neuinfektionen
in den Griff zu bekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die
Ministerpräsidenten der Länder hatten am Mittwoch vereinbart, dass ab
einem Wert von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von
sieben Tagen eine Sperrstunde um 23.00 Uhr für Gastronomiebetriebe
zwingend zu erlassen ist. Ab einem Wert von 35 Neuinfektionen wird
eine Sperrstunde empfohlen.

Aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes sind die bestehenden Regeln
zum Teil kaum kontrollierbar. Dort, wo beispielsweise Clubs und Bars
wieder geschlossen werden, verlagert sich das Partyleben «in Parks
oder auf große Wiesen wie das Rheinufer in Bonn. Da kann nur
stichprobenartig kontrolliert werden, mehr ist personell gar nicht
möglich», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der «Bild»

(Samstag). Bei privaten Feiern zu Hause sei schon aus Rechtsgründen
die Überprüfung schwer.

Der Schlüssel in der Pandemiebekämpfung liege in der Überzeugung der

Menschen, sagte Landsberg dem «Handelsblatt». «Wichtig wäre daher
eine Kommunikationskampagne, nicht nur in den Hotspots, um immer
wieder auch über die sozialen Medien auf die notwendige Einhaltung
der Regeln hinzuweisen.»