Hessen plant Aus für Beherbergungsverbot - weitere Corona-Hotspots

Erneut gibt es mehrere hundert weitere Corona-Fälle in Hessen.
Besonders betroffene Kommunen beschließen zusätzliche Maßnahmen. Und

das Land will ein umstrittenes Thema anpacken.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Nach Diskussionen um das
Beherbergungsverbot für Reisende aus innerdeutschen Corona-Hotspots
plant das Land Hessen die Abschaffung der Regelung. Das kündigte die
Staatskanzlei in Wiesbaden am Freitag laut einer Mitteilung an. Die
Pandemie entwickelt sich in Hessen derweil weiterhin dynamisch. Die
Zahl der bestätigten Corona-Infektionen stieg erneut binnen eines
Tages um mehr als 600 Fälle. Besonders betroffene Kommunen erließen
neue Maßnahmen zur Eindämmung des Virus.

BEHERBERGUNGSVERBOT - Die geplante Abschaffung steht laut
Staatskanzlei auf der Tagesordnung für eine Sitzung des
Corona-Kabinetts am Montag. Das Gremium der Landesregierung werde
auch über die konkrete Umsetzung der Beschlüsse der
Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der
Bundeskanzlerin diese Woche beraten. «Das bestehende und gut
funktionierende hessische Eskalationsstufenkonzept soll dazu ergänzt
und angepasst werden», teilte die Staatskanzlei mit. In Hessen gibt
es seit Juli ein Beherbergungsverbot. Mehrere Länder hatten die Regel
zuletzt gekippt.

FALLZAHLEN UND HOTSPOTS - Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI)
in Berlin vom Freitag wurden innerhalb eines Tages weitere 671
Corona-Fälle in Hessen bestätigt. Zwei weitere Menschen starben an
den Folgen einer Infektion, insgesamt gibt es bisher 571 Todesfälle.
Seit Beginn der Pandemie wurden 24 151 Infektionen gemeldet.

Kassel überschritt die 100 bei der Zahl der Neuinfektionen pro 100
000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen: Die Stadt liegt nach einem
Ausbruch in einer Flüchtlingsunterkunft laut RKI bei einer Inzidenz
von 100,9. Offenbach erreichte nach Stadtangaben einen Wert von 110,5
Fällen. Zu den Corona-Hotspots in Hessen zählen nun auch Wiesbaden
mit einem Wert von 53,1, zudem der Rheingau-Taunus-Kreis mit 56,6 und
der Hochtaunuskreis mit 52,8.

Von Kommunen selbst gemeldete Zahlen können von den RKI-Zahlen
abweichen, da sie die Daten mit Zeitverzögerung weitergeben. Zahlen,
die die Kommunen selbst nennen, sind in der Regel aktueller als die
aus Berlin oder Wiesbaden.

NEUE REGELUNGEN - Mehrere Kreise und Kommunen reagierten mit weiteren
Maßnahmen auf die steigenden Corona-Infektionszahlen, darunter die
Stadt Offenbach, die die Kontakte ihrer Bürger weiter einschränkt. Ab
Montag gilt unter anderem, dass sich nur noch maximal drei Menschen
aus verschiedenen Haushalten im öffentlichen Raum treffen dürfen,
kündigte die Stadt am Freitag an. Dies gilt auch zuhause und für die
Gastronomie. Zwischen 23.00 und 6.00 Uhr darf kein Alkohol verkauft
werden, die entsprechende Sperrstunde für die Gastronomie wird
verlängert. Auch für private Feiern und beim Sport gelten
weitergehende Einschränkungen. Wenn sich Menschen zweier Haushalte in
Offenbach treffen, soll die Personenzahl auf maximal zehn beschränkt
werden.

Wiesbaden kündigte ebenfalls weitere Beschränkungen von Montag bis 1.
November an, gemäß der zwischen kreisfreien Städten und Kreisen im
Rhein-Main-Gebiet erzielten Vereinbarung, ab einer bestimmten
Inzidenz einheitlich zu reagieren. Dazu zählt etwa eine Maskenpflicht
für alle Schüler ab der 5. Klasse nach Ende der Herbstferien, auch
ist etwa der praktische Sportunterricht in geschlossenen Räumen wie
Turnhallen oder Schwimmhallen untersagt. Frankfurt verwies auf
bereits am Donnerstag verkündete, ab Montag geltende Beschränkungen.
Hier gilt dann unter anderem neben der Maskenpflicht in
weiterführenden Schulen auch eine im gesamten Innenstadtbereich sowie
eine Sperrstunde und ein Verbot des Verkaufs von Alkohol ab 23.00
Uhr. In Frankfurt dürfen sich ab Montag bei Trauerfeiern in
Trauerhallen der Friedhöfe auch nur noch maximal zehn Personen
aufhalten.

KRITIK AN MASKENPFLICHT - Die angekündigte verschärfte Maskenpflicht
für viele Schüler im Rhein-Main-Gebiet stößt bei der Linksfraktion
im
hessischen Landtag auf Kritik. «Die nun beschlossene Maskenpflicht ab
Jahrgangsstufe 5 ist nicht mehr als ein verzweifeltes Pflasterkleben
auf große Wunden», erklärte die bildungspolitische Sprecherin
Elisabeth Kula in Wiesbaden. Besser wäre ein Konzept, wie in Schulen
mit Kleinstgruppen und genügend Sicherheitsabstand unterrichtet
werden kann. Die derzeit besonders betroffenen Städte und Landkreise
im Rhein-Main-Gebiet hatten sich auf gemeinsame und weitreichende
Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus verständigt.

FLÜCHTLINGSUNTERKUNFT - Nach dem Corona-Ausbruch mit 112 Infizierten
in der Kasseler Flüchtlingsunterkunft wirft der Wohlfahrtsverband
«Der Paritätische» dem Land Hessen Versäumnisse vor. Trotz
Corona-Pandemie müssten Flüchtlinge vielerorts auf zu engem Raum
leben, sagte Sprecherin Barbara Helfrich am Freitag: «Wir haben keine
räumliche Entzerrung beobachtet, zumindest nicht flächendeckend.» Die

Landesregierung habe die Problematik ausgeblendet: Es werde über das
Corona-Risiko privater Feiern, über das Beherbergungsverbot aber
nicht über die Flüchtlingsunterbringung diskutiert.

Nach Bekanntwerden des Ausbruchs hatten Ärzte, die in der Einrichtung
Flüchtlinge betreuen, Vorwürfe gegen das zuständige
Regierungspräsidium erhoben. Dieses hatte argumentiert, es sei
ausreichend Platz vorhanden, eine Verlegung Erkrankter sei wegen
drohender neuer Infektionsketten nicht möglich.