Corona-Krise wirbelt den Apothekenmarkt weiter durcheinander Von Matthias Arnold, dpa

Ob Kopfschmerztablette oder Erkältungsmittel: Verbraucher kaufen
Medikamente immer häufiger online - besonders in der Corona-Krise.
Der Apothekenmarkt ist im Umbruch. Mit mehreren Gesetzen will die
Regierung ihn im kommenden Jahr neu aufstellen.

Berlin (dpa) - Wenn der Kopf brummt oder der Rücken zwickt, müssen
Verbraucher schon lange nicht mehr zur Apotheke laufen. Mit ein paar
Klicks lässt sich das passende Medikament auch im Internet bestellen.
Für Patienten ist das bequem. Doch den klassischen Apothekenmarkt hat
diese Möglichkeit kräftig durcheinander gewirbelt. Große
Versandapotheken wie Doc Morris, Zur Rose oder Shop Apotheke Europe
erobern seither stetig Marktanteile. Weil sie dabei für viele
Medikamente Rabatte anbieten, sehen sich stationäre Anbieter einem
ungerechten Wettbewerb ausgesetzt - auch wenn viele von ihnen ihre
Produkte inzwischen auch selbst online vertreiben.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat deshalb gleich mehrere
Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, zum Teil sind sie schon in
Kraft getreten. Sie sollen zum einen den Medikamentenmarkt digital
neu ausrichten. Zum anderen sollen sie dafür sorgen, dass
Vor-Ort-Apotheken im Wettbewerb nicht unter die Räder kommen.
Profitieren soll am Ende vor allem auch der Patient.

Doch wie schwierig dieser Spagat ist, hat am Donnerstag der Kongress
des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA) in Berlin
gezeigt. Die Corona-Krise den Trend der vergangenen Jahre noch einmal
veschärft: Um mindestens zwei Prozentpunkte sei der Anteil der
Versandapotheken am gesamten Apothekenmarkt in den vergangenen
Monaten gestiegen, sagte Thomas Heil vom klinischen
Auftragsforschungsinstitut IQVia bei dem Branchentreffen, das in
diesem Jahr online stattfand. Damit liege der Anteil aktuell bei rund
18 Prozent. Frank Elvers vom Marktforschungsinstitut DatamedIQ
bezifferte ihn gar auf mehr als 20 Prozent.

Doch stark sind die Versandhändler lediglich beim Handel von
Medikamenten ohne Rezept. Sobald es um verschreibungspflichtige
Arznei geht, sinkt ihr Marktanteil auf gerade mal ein Prozent. Das
liegt vor allem daran, dass der Kunde das ausgedruckte Rezept per
Post einsenden muss, während er es bei der Apotheke um die Ecke nach
dem Arztbesuch nur abgeben muss und sofort das Medikament
ausgehändigt bekommt.

Hier setzt das erste Gesetz von Jens Spahn an, das Gesetz für mehr
Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Es wurde bereits vor
einigen Wochen vom Bundestag beschlossen. Mit dem GSAV hat Spahn das
E-Rezept eingeführt: Ab kommendem Jahr kann sich ein Patient vom Arzt
per Videosprechstunde ein Rezept ausstellen zu lassen. Das wird dann
in der App gespeichert und kann bei jeder Apotheke auch online
vorgezeigt werden. Anfang 2022 soll das E-Rezept flächendeckend
eingeführt werden.

Darüber freuen sich naturgemäß vor allem die Versandapotheken. «Es

ist absolut an der Zeit, dass das E-Rezept kommt», sagte
BVDVA-Vorsitzender Christian Buse. Fabian Kaske, Chef der
Marketingberatung Dr. Kaske, geht davon aus, dass die
Versandapotheken ihren Marktanteil bei verschreibungspflichtigen
Medikamenten in fünf Jahren auf acht Prozent steigern könnten.

Doch auch zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken hat Spahn ein Gesetz
erarbeitet. Mit diesem will er die Rabatte der Versandapotheken
verbieten und so für Preisgleichheit zwischen allen Marktteilnehmern
sorgen. Außerdem sollen bestimmte Dienstleistungen, die vor allem
stationäre Apotheken erbringen, stärker vergütet werden. «Beispiele

hierfür sind eine intensive pharmazeutische Betreuung bei einer
Krebstherapie oder die Arzneimittelversorgung von pflegebedürftigen
Patienten in häuslicher Umgebung», heißt es auf den Seiten des
Gesundheitsministeriums.

Verabschiedet ist das Gesetz noch nicht. Gegenwehr dürfte von den
großen Versandapotheken kommen. Der Chef der schweizerischen
Zur-Rose-Gruppe, Walter Oberhänsli, wollte noch nicht sagen, ob er
dagegen klagen will. «Da ist der Ball jetzt beim deutschen
Gesetzgeber», sagte er lediglich.