Ramelow will Gesundheitsämter entlasten - Gera wird Corona-Hotspot

Mehr als 80 Neuinfektionen binnen eines Tages, drei Corona-Hotspots
und stetig steigende Infektionszahlen: Auch in Thüringen greift die
Corona-Pandemie wieder stärker um sich. Regierungschef Ramelow will
nach Möglichkeiten suchen, eine Personalreserve für die
Gesundheitsämter zu schaffen. Der CDU kommt das zu spät.

Erfurt (dpa/th) - Angesichts steigender Infektionszahlen nahe der
5000er-Marke will Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke)
prüfen lassen, wie die Gesundheitsämter im Freistaat stärker
entlastet werden können. «Die Nachverfolgung wird das
Schlüsselelement der Abwehr sein», sagte Ramelow der Deutschen
Presse-Agentur. Daher wolle man schauen, ob mit «Medizinstudenten und
mit Personal, das möglicherweise an anderen Stellen bei uns in den
Verwaltungen tätig ist, eine Reserve aufgebaut wird, die ganz schnell
in der Lage ist, an den Gesundheitsämtern zum Einsatz zu kommen, wo
Hilfe gebraucht wird.»

Die Zahl der Infizierten stieg bis Donnerstag in Thüringen auf 4636
und näherte sich damit der 5000er-Marke an. Mit 81 lag die Zahl der
Neuinfizierten binnen eines Tages deutlich höher als im Schnitt der
vergangenen Wochen. Auf Intensivstationen werden nach Angaben des
Gesundheitsministeriums derzeit zwölf Patienten behandelt. Als
genesen gelten Schätzungen zufolge 4010 Menschen. 196 Menschen
starben bislang an oder im Zusammenhang mit einer
Covid-19-Erkrankung. Ramelow bezeichnete die Lage als ernst.

Mit Gera gibt es seit Donnerstag einen dritten Corona-Hotspot. Mit
einer Inzidenz von 35,4 Neuerkrankungen je 100 000 Einwohner
innerhalb der letzten sieben Tage ist die Stadt neben dem Eichsfeld
und dem Landkreis Sömmerda einer der Hotspots der Corona-Pandemie in
Thüringen. Trotz der gestiegenen Corona-Fallzahlen will die Stadt ihr
geplantes Herbstvolksfest durchführen. Es werde aber auf dem gesamten
Festgelände am Hofwiesenpark eine Mund-Nase-Bedeckung getragen werden
müssen, teilte die Stadt mit. Spirituosen werden nicht verkauft.
Zudem solle die Zahl der Besucher, die auf das Gelände dürfen,
beschränkt werden.

Besonders vom Coronavirus betroffen ist in Thüringen nach Zahlen des
Robert Koch-Instituts das Eichsfeld. Dort wurden innerhalb der
letzten sieben Tage 67 Infektionen je 100 000 Einwohner gemeldet. In
Thüringen sind die Landkreise aufgefordert, ab der sogenannten
Inzidenz von 35 auf 100 000 Einwohner binnen sieben Tage weitere
Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Behörden im Eichsfeld reagierten
mit einer Ausweitung der Maskenpflicht und schärferen
Anti-Corona-Regeln. Zudem schränkten die Schulen dort seit Mittwoch
ihren Betrieb ein. Auch für private Feiern wurden strengere Regeln
erlassen.

Damit gelten im Eichsfeld faktisch bereits einige der Regeln, auf die
sich die Regierungschefs der Länder am Mittwochabend mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verständigt haben. Dem Beschluss
zufolge soll es ab einem Wert von 50 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner in sieben Tagen zum Beispiel eine Sperrstunde um 23.00 Uhr
für die Gastronomie geben. Bars und Clubs sollen dann geschlossen
werden. Ramelow hatte nach dem Treffen angekündigt, dass die
vereinbarten Regeln auch in Thüringen umgesetzt werden sollen.

Das Thüringer Gesundheitsministerium will prüfen, ob dafür die neue
geplante Verordnung im Entwurf noch einmal geändert werden muss.
«Entscheidend ist, dass die gestern beschlossenen Maßnahmen im Fall
der Fälle vor Ort umgesetzt werden müssen. Das werden wir in
geeigneter Weise sicherstellen», sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Man wolle klären, ob Anpassungen der Verordnung nötig sind oder eine
Ergänzung des Eindämmungskonzeptes ausreiche.

Das Eindämmungskonzept ist eine detaillierte Handreichung für die
Kommunen als Orientierung, wie die Anti-Corona-Regeln in der
Eindämmungsverordnung umgesetzt werden sollten und was wann zu tun
ist.

Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt warf der der rot-rot-grünen
Landesregierung vor, bereits im Sommer nötige Vorbereitungen für die
zweite Welle der Corona-Pandemie verschlafen zu haben. «Die
Landesregierung steuert unkoordiniert und ohne echten Plan auf die
nächste Corona-Welle zu», sagte Voigt. Seiner Meinung nach hätten die

Sommermonate mit niedrigem Infektionsgeschehen genutzt werden müssen,
um sich besser für den Herbst und Winter vorzubereiten.

«Ich bin in großer Sorge, dass wir nicht gut genug aufgestellt sind,
um auf die steigenden Infektionen reagieren zu können», sagte Voigt
und wies darauf hin, dass viele Gesundheitsämter in den Kommunen
schon jetzt stark belastet und teils überfordert seien. «Es ist
wertvolle Zeit im Sommer vertan worden. Die vage Aussicht auf
personelle Reserven klingt da wie Hohn», sagte Voigt.