Neue Corona-Verschärfungen beschlossen - weitere könnten folgen

Im Sommer waren die Fallzahlen niedrig, es ging bergauf. Doch mit dem
Herbst klettern die Zahlen immer schneller, jetzt sogar auf einen
Rekordwert. Die Politik stemmt sich mit neuen Auflagen dagegen - und
warnt: Es könnte nicht ausreichen.

Berlin (dpa) - Mit härteren Corona-Auflagen hoffen Bund und Länder
den rasanten Anstieg der Infektionszahlen insbesondere in deutschen
Risikoregionen einzudämmen. Zugleich stellte Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) nach ihrem Treffen mit den Ministerpräsidenten am Mittwochabend
mögliche weitere Verschärfungen in Aussicht. «Wir reden von
Kontaktbeschränkungen», sagte Merkel dazu. Man müsse jetzt sehen, ob

etwa die Sperrstunde 23.00 Uhr richtig sei, oder ob man sie bei 22.00
Uhr machen müsse. «Da muss da nachgeschärft werden.»

Die Zahl der bestätigten Neuinfektionen mit dem Coronavirus in
Deutschland stieg auf einen Rekordwert. Die Gesundheitsämter meldeten
nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen 6638
Neuinfektionen binnen eines Tages - rund 1500 mehr als am Vortag.
Bislang waren Ende März mit knapp 6300 Neuinfizierten die meisten
registriert worden. Allerdings sind die jetzigen Werte nicht mit
denen aus dem Frühjahr vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich
mehr getestet wird und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden.

Am Mittwoch hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, die Schwelle
für strengere Maßnahmen in deutschen Corona-Hochburgen zu senken.
Diese sollen bereits ab 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner
binnen sieben Tagen greifen statt bisher bei 50. So soll dort die
Maskenpflicht ausgeweitet werden, die Gästezahl bei privaten Feiern
weiter begrenzt und eine Sperrstunde für die Gastronomie eingeführt
werden.

Der Anstieg von 35 auf 50 passiere schnell, warnte Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU): «Und deswegen ändern sich d
ie
Dinge in Tagen und nicht in Wochen.» Er sei sich nicht sicher, ob die
getroffenen Beschlüsse ausreichten. Auch der Hauptgeschäftsführer des

Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, warnte: «Wir
kommen erkennbar in die Gefahr, dass die Pandemie aus dem Ruder
läuft.» Der Fokus auf Risikogebiete sei richtig, sagte er der
«Rheinischen Post» (Donnerstag).

Mehrere Spitzenpolitiker warnten nach dem Treffen vor einem
Kontrollverlust im Umgang mit dem Virus. Merkel zeigte sich
beunruhigt über einen exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen.
«Den müssen wir stoppen. Sonst wird es in kein gutes Ende führen.»


Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte, er
wisse, was man den Menschen zumute, fragte aber auch: «Was können wir

eigentlich noch tun, um jedem begreiflich zu machen: Wir sind in
einer weltweiten Krise? Und in einer weltweiten Krise gibt es
Einschränkungen, und die können erheblich dramatischer sein, als das
was wir bisher miteinander beschlossen haben.»

Dringlich appellierten Bund und Länder an die Menschen in
Deutschland, nun nicht erforderliche innerdeutsche Reisen in
Risikogebiete hinein und aus ihnen heraus zu vermeiden.

Kanzleramtsminister Helge Braun rief die Bevölkerung dazu auf, mehr
zu tun als nun von Bund und Ländern vereinbart. Die Beschlüsse seien
ein wichtiger Schritt, würden aber vermutlich nicht ausreichen, sagte
der CDU-Politiker am Donnerstag im ARD-«Morgenmagazin». «Und deshalb

kommt's jetzt auf die Bevölkerung an. Dass wir nicht nur gucken: Was
darf ich jetzt? Sondern wir müssen im Grunde genommen alle mehr
machen und vorsichtiger sein als das, was die Ministerpräsidenten
gestern beschlossen haben.»

Konkret vereinbarten die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten dies:

MASKENPFLICHT: In Städten und Regionen mit stark steigenden
Corona-Zahlen soll die Maskenpflicht erweitert werden. Sie soll ab 35
Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen auch überall da
gelten, wo Menschen dichter beziehungsweise länger zusammenkommen.

PRIVATE FEIERN: In Regionen mit einem Wert über 35 Neuinfektionen
soll es eine Begrenzung von 25 Teilnehmern im öffentlichen und 15
Teilnehmern im privaten Raum geben. Ab 50 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner in sieben Tagen sollen private Feiern auf maximal zehn
Teilnehmer im öffentlichen Raum sowie auf höchstens zehn Teilnehmer
aus höchstens zwei Hausständen im privaten Raum begrenzt werden.

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Übersteigen die Neuinfektionen den 50er Wert
dürfen sich künftig nur noch maximal zehn Personen im öffentlichen
Raum treffen. Sollten die neuen Maßnahmen den Anstieg nicht zum
Stillstand bringen, wird dies auf bis zu fünf Personen oder die
Angehörigen zweier Hausstände verringert.

SPERRSTUNDE: Ebenfalls bei 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in
sieben Tagen soll eine Sperrstunde um 23.00 Uhr für die Gastronomie
verhängt werden. Bars und Clubs sollen geschlossen werden.

VERANSTALTUNGEN: Wird der 50er Wert überschritten, wird die Zahl der
Teilnehmer bei Veranstaltungen auf 100 Personen begrenzt. Ausnahmen
bedürfen eines mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmten
Hygienekonzeptes.

BEHERBERGUNGSVERBOTE: Die Beherbergungsverbote für Urlauber aus
innerdeutschen Risikogebieten waren vor den Beratungen am
umstrittensten. Bund und Länder fanden auch im Kanzleramt keine
Einigung und vertagten das Thema erst einmal bis zum 8. November. Bis
dahin soll diese Maßnahme auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.