«Existenzfrage»: Der alpine Skisport vor dem ersten Corona-Winter Von Manuel Schwarz und Christoph Lother, dpa

Das Coronavirus stellt auch den alpinen Ski-Weltcup vor große
Probleme. Mit umfangreichen Hygienemaßnahmen sollen der Winter und
viel Geld für den Sport gerettet werden. Aus Sicht von Experten geht
es «ums Überleben».

Sölden/München (dpa) - Wenn die alpinen Ski-Asse am Wochenende in
Sölden den Rettenbachgletscher hinab rasen, beginnt nicht nur der
Kampf um Siege, Punkte und funkelnde Kristallkugeln. Die
traditionelle Weltcup-Saisoneröffnung in Tirol ist auch der erste
Test, ob sich der Ski-Zirkus gegen das Coronavirus behaupten kann.
Strenge Hygieneregeln, abgeschirmte Teilnehmer-Bereiche, viele Tests
und eindringliche Appelle an alle Beteiligten: Mit umfangreichen
Anti-Corona-Plänen sollen der Pandemie-Winter und sein Höhepunkt bei
der WM im Februar in Cortina d'Ampezzo gerettet werden.

«Wir haben eine Mission: Wir müssen Rennen fahren. Heuer geht es ums

Überleben», verkündete Herren-Rennchef Markus Waldner jüngst. Etwas

weniger martialisch, aber ähnlich ernst sieht der deutsche
Bundestrainer Christian Schwaiger die Lage. «Natürlich ist es eine
Existenzfrage, was heuer im Winter passiert», sagte der Coach.

Der Beginn der Pandemie hatte die Alpinen im März noch um das
Saisonfinale gebracht. Um den anstehenden Winter in der Schnupfen-
und Erkältungssportart Skifahren ohne grobe Corona-Ausfälle zu
überstehen und vor allem die Sponsoren-, Werbe- und TV-Einnahmen zu
sichern, wurde fast alles dem Infektionsschutz untergeordnet.

In das Ötztal darf in dieser Woche nur rein, wer einen negativen
Corona-Test vorweisen kann; vor Sölden wird eine mobile Laborstation
aufgebaut. Um keine Touristen rund um die Rennen zu haben, wurden die
beiden Riesenslaloms um eine Woche vorverlegt. Es wurden vier
sogenannte Blasen - Teams, Staff, Medien und spezielle Gäste -
geschaffen, die keinen direkten Kontakt zueinander haben dürfen.

«Wir wollen und müssen zum Auftakt demonstrieren, dass
Hochleistungssport im Schnee unter den gegebenen Umständen und
Auflagen in der Saison 2020/2021 stattfinden kann», meinte der
deutsche Alpinchef Wolfgang Maier. Sölden habe als bewährter
Austragungsort beste Voraussetzungen. «Das Konzept ist sehr strikt
und funktioniert sicher», sagte Renndirektor Waldner bei ServusTV.

Fans an der Strecke sind nicht erlaubt. «In der aktuellen Situation
ist es für alle Beteiligten besser, wenn keine Zuschauer dabei sind,
glaube ich. Für uns Sportler ist es aber natürlich brutal schade»,
sagte der deutsche Riesenslalom-Hoffnungsträger Stefan Luitz.

Der Weltverband Fis hatte wegen Covid-19 schon die Rennkalender
verändert. Die Nordamerika-Events wurden gestrichen, Damen und Herren
sowie Speed- und Technik-Wettbewerbe sollten weitgehend getrennt
bleiben. Die Idee ist, dass es möglichst wenig Überschneidungen bei
den Sportlern gibt, um das Infektionsrisiko zu minimieren.

Am ersten Slalom-Wochenende im November in Levi fahren nur Frauen. In
Garmisch-Partenkirchen im Februar findet neben der Herren-Abfahrt ein
Super-G statt eines Riesenslaloms statt, damit nur Speed-Fahrer
anreisen. «Wenn wir gewisse Dinge einhalten, haben wir sicher eine
coole Wintersaison», prognostizierte Coach Schwaiger.

Das hofft auch Viktoria Rebensburg, die nach mehr als einem Jahrzehnt
Weltklasse ihre Karriere beendet hat und nun als Zuschauerin gespannt
ist auf den Winter. «Für die Athleten, die um Disziplin- und
Gesamtwertungen mitfahren, wird das oberste Gebot sein, gesund zu
bleiben», sagte die 31-Jährige der Deutschen Presse-Agentur, «denn
mit einem positiven Test droht man zwei Wochen auszufallen und kann
in der Zeit keine Punkte einfahren.» So dürfte der Weltcup-Winter
also aussehen, in dem ein kleines Virus der größte Gegner ist.